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# taz.de -- Japan-Diplomatie in Berlin-Moabit: Konkurrenz für die Friedensstat…
> Die grüne Bürgermeisterin von Berlin-Mitte will eine Friedensstatue durch
> „neutrales“ Denkmal ersetzen. Japan fordert seit Jahren den Abbau der
> Statue.
Bild: Die sogenannte Trostfrauenstatue in Moabit im Bezirk Mitte
Berlin taz | Die lebensgroße Skulptur „Petrified Survivors“ (Versteinerte
Überlebende) der britischen Künstlerin [1][Rebecca Hawkins] zeigt eine
versteinerte Frau mit einem Säugling auf dem Rücken, der von Würgefeigen
umschlungen ist und auf einem Kompass steht, der die vier Himmelsrichtungen
zeigt. So beschreibt Daniel Walther das Denkmal, das er mit dem auf seine
Initiative hin im Juni gegründeten Verein [2][SASVIC (Society Against
Sexual Violence in Conflict e. V.)] zeitweise nahe dem Kriegsmuseum im
Wedding aufstellen will. „Die Frau und ihr Kind sind durch verflochtene
Wurzeln und gemeinsames Leid miteinander verbunden und können ihr Leben
nicht fortsetzen, bis die Täter zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärt
Walther der taz.
Der Jurist war jahrelang im Bundesvorstand der Jungen Union und
Vorsitzender der Internationalen Young Democrat Union (IYDU), einem Bündnis
von Jugendorganisationen konservativer und christdemokratischer Parteien.
Er war für eine Rüstungsfirma tätig und arbeitet heute für die im
Lobbyregister des Bundestages registrierte Firma [3][Higgins]. Zur Gründung
von SASVIC inspiriert hat Walther nach eigenen Worten der Streit um die vor
vier Jahren in Moabit aufgestellte Friedensstatue. Sie erinnert an das
Schicksal von geschätzten 200.000 asiatischen Opfern von Zwangsprostitution
im Zweiten Weltkrieg durch die japanische Armee und hat sexuelle Gewalt in
kriegerischen Konflikten in Berlin auf die Tagesordnung gesetzt.
Der Verein mit bisher sieben Mitgliedern unter Walthers Vorsitz will nach
seinen Worten „Kunst im öffentlichen Raum zum Thema sexualisierte Gewalt in
Konflikten“ fördern. Und verfolge im Gegensatz zur Friedensstatue „einen
allgemeinen und globalen Ansatz“, „frei von Abgrenzungsproblematiken und
einseitigen Adressaten“. SASVIC stellte im Juli beim Bezirksamt Mitte einen
Antrag zur Aufstellung der Statue. Über eine Empfehlung dazu konnten sich
die Mitglieder im zuständigen Gremium „Kunst am Bau und im Stadtraum“
bisher nicht einigen.
Zweiter SASVIC-Vorsitzender ist Tilo Fuchs, einst Mitarbeiter grüner
Bundestagsabgeordneter, im grünen Kreisverband des Bezirks Mitte als
„Super-Realo“ und „Ultra-Realo“ bekannt und bestens vernetzt. Heute ist…
Geschäftsführer der ebenfalls im Lobbyregister registrierten Firma
[4][Advanced Level Politics]. Dritte im SASVIC-Vorstand ist Schatzmeisterin
Ines Röleke, die auch für [5][Higgins] arbeitet.
## Botschaft übt Druck aus
[6][Japans Regierung fordert seit Jahren, die Friedensstatue zu entfernen.]
Ihre Botschaft und rechte japanische Kreise üben Druck auf Landes- und
Bezirkspolitiker aus. Dabei soll auch mit dem Ende der Städtepartnerschaft
mit Tokio gedroht worden sein, was die Botschaft bestreitet. Zwar
entscheidet allein der Bezirk über die Statue, doch versprach der
Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei seinem Besuch in Tokio im Mai
eine „Lösung“. [7][Er sagte: „Es ist wichtig, dass wir zu Veränderungen
kommen.“]
Laut Walther vom Verein SASVIC hat „unsere Bewerbung mit der
Friedensstatue nichts zu tun“. Doch SASVIC wollte die Skulptur „Petrified
Survivors“ genau am bisherigen Standort der Friedensstatue aufstellen. Der
Bezirk hat den [8][Korea Verband], der die Friedensstatue am Unionsplatz
(Ecke Birkenstraße/Bremer Straße) vor vier Jahren mit einer befristeten
Erlaubnis aufgestellt hatte, zum Abbau bis zum 28. September aufgefordert.
Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) sagt der taz zum
Projekt von SASVIC, das sie begrüßt: „Ich habe davon abgeraten, das
Kunstwerk auf dem Unionsplatz aufstellen zu wollen, nachdem die Genehmigung
der Friedensstatue dort ausgelaufen sein wird, weil dann zu befürchten
wäre, dass ‚Petrified Survivors‘ als Gegenprojekt zur Friedensstatue
wahrgenommen werden könnte.“ Die Künstlerin Hawkins bezeichnet ihre
Skulptur als von der Friedensstatue „ganz unabhängig“. Hawkins: „Petrifi…
Survivors ist nicht einer bestimmten Gruppe von Überlebenden gewidmet,
sondern allen Gruppen weltweit – Frauen, Kinder und Männer.“
Remlinger spricht sich wie auch Wegner grundsätzlich für ein Denkmal gegen
Gewalt gegen Frauen aus. Der Bezirk Mitte hat sogar schon beschlossen, ein
dauerhaftes allgemeines Denkmal zum Thema sexualisierte Gewalt ausschreiben
zu wollen. Remlinger sagte, dass Hawkins samt ihrem Unterstützer Jack
Straw, ehemaliger britischer Außenminister, mit den späteren
SASVIC-Gründern „vor ca. einem Jahr“ bei ihr war, um „mit einem weiteren
Kunstwerk zur Debatte beizutragen“.
## Statue soll nicht bleiben dürfen
Hat SASVIC womöglich erst auf Aufforderung politischer Funktionsträger
seine Aktivitäten für ein anderes Denkmal gestartet? Dazu Remlinger: „An
dergleichen Spekulationen beteilige ich mich nicht.“ Walther sagt, man sei
dazu „nicht aufgefordert“ worden. SASVIC arbeite ehrenamtlich. Die Kosten
der Skulptur hofft er mit Spenden zu decken. Hawkins schrieb der taz:
„Budgets und Zeitrahmen hängen von Art und Umfang der Genehmigung ab.“
Gegen ein zweites Mahnmal dürfte nur wenig sprechen. Aber warum soll dann
ausgerechnet die Friedensstatue, die das Thema prominent in die
Öffentlichkeit gebracht hat, unbedingt entfernt werden? Laut Remlinger sei
ein Verbleib rechtlich nicht möglich: „Ohne Wettbewerbsverfahren ist eine
Aufstellung lediglich zeitlich befristet im Rahmen der Erteilung einer
entsprechenden Sondernutzungserlaubnis genehmigungsfähig.“
Abweichungen davon würden das „Prinzip der Gleichbehandlung“ verletzen.
Remlinger: „Die rechtskonforme Lösung lautet: Aufstellung der Statue auf
einer öffentlich zugänglichen privaten Fläche.“ Sie sei darüber mit
„verschiedenen Grundstückseinger*innen in guten Gesprächen“. Japans
Regierung gab bisher ihre Widerstände gegen Trostfrauenstatuen stets auf,
wenn sie auf privaten Grund verlegt wurden. Damit verschwanden dann auch
wie von Tokio gewünscht die öffentlichen Debatten zu sexueller
Kriegsgewalt.
Remlingers Position teilt die Mehrheit der grünen Fraktion ihres Bezirks
nicht. Die sprach sich am Dienstag für den Verbleib der Friedensstatue aus
und unterstützt zwei Anträge, die an diesem Donnerstag in der
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf der Tagesordnung stehen: [9][einer
von Anwohnern] und [10][einer der Linken], dem sich inzwischen auch SPD und
Grüne angeschlossen haben.
## „Lebendiger Erinnerungsort“
„Die Friedensstatue ist nicht nur ein Denkmal für vergangenes Leid, sondern
erinnert an den Mut der Überlebenden“, heißt es im Anwohnerantrag, der auch
von einer japanisch-stämmigen Berlinerin eingebracht wurde. „Sie ist ein
universelles Symbol für heutige und zukünftige Generationen, das uns daran
erinnert, mutig zu sein und wachsam zu bleiben gegen jede Form von
sexualisierter Gewalt. Die Friedensstatue ist ein lebendiger Erinnerungs-
und Lernort geworden.“
[11][Der Antrag der Fraktionen von SPD und Linkspartei] wiederum fordert
eine „juristische Prüfung, wie die derzeitige Duldung verlängert werden
kann, sowie eine Untersuchung, welche Möglichkeiten es gibt, die
Friedensstatue zu erhalten“. Zur Begründung heißt es, die Statue sei „ein
wichtiges Projekt der Berliner Zivilgesellschaft“ und „von großer Bedeutung
für den öffentlichen Diskurs“. Die BVV hatte sich schon zweimal für die
Beibehaltung der Friedensstatue ausgesprochen.
Die Sprecherin der dortigen Grünen-Fraktion, Shirin Kreße, teilt die von
Remlinger und dem zuständigen Bezirksstadtrat Christopher Schriener (Grüne)
geäußerte Rechtsauffassung nicht, dass die Friedensstatue nicht bleiben
könne. „Es gibt genug Beispiele in unserem Bezirk, wo temporäre
Sondernutzungen verstetigt wurden“, sagte sie der taz. Etwa die Skulptur
[12][Memoria Urbana am Bethlehemkirchplatz].
„Es ist eine Frage des politischen Willens“, so Kreße. „Wir wollen keine
Opferkonkurrenz“, aber an SASVIC falle doch auf, dass der Verein offenbar
nie auf Kontaktversuche des Korea Verbandes eingegangen ist, der die
Friedensstatue initiierte und seitdem Bildungsarbeit zu sexueller Gewalt in
bewaffneten Konflikten macht. „Für mich ist die Statue eine Initiative von
unten. Sie gibt allen Opfern einen Raum. Sie ist Teil des Bezirks, sie
gehört nach Mitte“, so Kreße.
## Konkurrierende Anträge
SASVIC zählt zahlreiche internationale Prominente auf, mit denen man
zusammenarbeiten wolle und erste Kontakte geknüpft habe, darunter die
Friedensnobelpreisträger von 2018, die jesidische Aktivistin Nadia Murad
und der kongolesische Gynäkologe Denis Mukwege. „Es ist ein dubioser
Gegenantrag, der mit internationalen Kontakten auf die Beine gestellt
wurde“, meint Ingrid Bertermann von der Fraktion der Linkspartei zu SASVIC.
Die Art und Weise sei „nicht anständig“. Denn: „Die Friedensstatue schad…
doch niemandem.“
Das Argument, dass Japaner ihre Investitionen vom Verschwinden der Statue
abhängig machen, nennt Bertermann „albern“. Regierungschef Wegner hatte in
Tokio der [13][Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen der Tegel
Projekt GmbH und Mitsubishi electric] beigewohnt. Es geht um
„Smart-City-Anwendungen“ bei Digitalisierung und Energieversorgung. Die
CDU-geführte Senatskanzlei war jetzt über Tage nicht in der Lage, eine
Anfrage der taz zu SASVIC und der Friedensstatue bis zum Redaktionsschluss
am Mittwoch zu beantworten.
Nataly Han Jung-Hwa vom Korea Verband, dem in Moabit ansässigen
unabhängigen Verein, in dem BerlinerInnen mit koreanischen, deutschen und
anderen Wurzeln zusammenarbeiten und der die Friedensstatue aufgestellt
hat, ist vom Vorgehen der ja eigentlich als begrüßenswert angesehenen
Beschäftigung des Vereins SASVIC mit dem Thema sexuelle Gewalt irritiert.
Sie fürchtet, dass ein „universelles pathetisches Denkmal“ zu einem toten
Ort wird, „mit dem sich niemand identifizieren würde“. „Die Friedensstat…
steht für das Verbrechen wie auch die Überwindung des Leids durch die
Betroffenen selbst“, meint Han. „Wir brauchen die Statue, um junge
Menschen, Mädchen wie Jungs, zu ermutigen, dass sie sprechen lernen, dass
sie wissen, dass ihr Körper ihnen gehört, dass sie das Recht haben, sich zu
verteidigen, und man auch Erfolg haben kann.“
19 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.rebeccahawkinssculpture.co.uk/
[2] https://www.sasvic.org/
[3] https://higgins.de/team/
[4] https://www.alp-advisors.com/ueber-uns/
[5] https://higgins.de/team/
[6] /Streit-um-Statue-beigelegt/!5729024
[7] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitte…
[8] https://koreaverband.de/
[9] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenver…
[10] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenve…
[11] https://www.linksfraktion-berlin-mitte.de/meldungen/detail/die-friedenssta…
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Memoria_Urbana_Berlin
[13] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitt…
## AUTOREN
Sven Hansen
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Kunst in Moabit
Trostfrauen
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