# taz.de -- Licht und Raum im Museum Morsbroich: Das vermeintlich Einfache | |
> „Gegen den Himmel“ im Museum Morsbroich kehrt mit dem 1984 verstorbenen | |
> Jef Verheyen und Johanna von Monkiewitsch zu Grundelementen der Kunst | |
> zurück. | |
Bild: Nicht viel: Jef Verheyen, wie er „Le Vide“ (Die Leere) gegen den Himm… | |
Der „Große Vorsitzende“ [1][Mao Zedong] hat einst nicht nur dem Spatzen den | |
Krieg erklärt, sondern angeblich auch dem Himmel. In seiner Welt gab es | |
nichts neben der Kommunistischen Partei Chinas – nicht einmal das | |
Firmament. Beinhaltet der Titel einer Schau im Leverkusener Museum | |
Morsbroich, „gegen den Himmel. contre le ciel“, einen Widerstand gegen die | |
Elemente und den Äther? | |
Was sich in der alten Rokokowasserburg zeigt, ergibt sich nicht aus einem | |
Wider, sondern lebt von der Affirmation: Die beiden ausgestellten | |
Künstler*innen, Jef Verheyen und Johanna von Monkiewitsch, könnten gar | |
nicht ohne den Himmel, die Sonne, das Licht. | |
Der 1932 im belgischen Itegem geborene Jef Verheyen, der als einer der | |
Wegbereiter der [2][monochromen Malerei] gilt, stand zeitlebens im | |
Austausch mit Gleichgesinnten, mit jenen, die in ihrer Epoche die Malerei | |
erweiterten, erneuerten oder zerstörten. Schon früh knüpfte er | |
freundschaftliche Kontakte zu dem Argentinier Lucio Fontana und der | |
westdeutschen Gruppe ZERO – und stellte 1960 erstmals in Deutschland aus. | |
## Experimente an der Peripherie | |
Zufälligerweise im Museum Morsbroich, das damals auf der Achse zwischen dem | |
[3][avantgardistischen Wuppertal], dem [4][Düsseldorf der Galerie] Schmela | |
und der Akademie sowie dem langsam am Kunstmarkt auftauchenden Köln seine | |
Chance für Experimente an der Peripherie zu nutzen wusste. Wie auch eine | |
zweite Ausstellung zeigt, als man in der Bayer-Stadt 1961 besagten Verheyen | |
mit dem Amerikaner Ad Reinhart und dem Italiener Francesco Lo Savio | |
zusammenbrachte. | |
Womit wir im Hier und Jetzt angekommen wären, wo Direktor Jörg van den Berg | |
seit drei Jahren Morsbroich aus dem Dornröschenschlaf weckt, neue und alte | |
Geister zusammenführt und Kunst jenseits des großen Rampenlichts zeigt. Das | |
Rokokoschloss kann dabei selbst zum Kunstwerk werden, denn Harald F. | |
Müller, ein Meister architektonischer Farbinterventionen, taucht nach und | |
nach die Treppenhäuser und Teile des Museums in außergewöhnliche Farben, | |
lässt die Handläufe golden glänzen, die Wände dagegen silbern oder in | |
sattem Rot erstrahlen. | |
Dazwischen nun also „gegen den Himmel“, das schon von außen launig grüßt: | |
Auf dem herrschaftlichen Balkon sieht man eine mit Spanngurten befestigte | |
Kiste, die vielleicht an eine Matratze erinnert, die zum Transport | |
freigegeben wurde. Dahinter verbirgt sich eine der prozessualen Arbeiten | |
der Kölner Künstlerin Johanna von Monkiewitsch (*1979), in der über die | |
Laufzeit der Ausstellung eine Leinwand durch die Sonne nach und nach | |
gebleicht wird. Von Monkiewitsch tritt in der neuen Leverkusener Schau in | |
eine tiefe Korrespondenz mit Verheyens Werk. | |
## Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte | |
Verheyens Bilder und von Monkiewitschs Arbeiten in Video, Installation, | |
Fotografie und Skulptur strahlen eine eigentümliche Ruhe aus. Bei beiden | |
ist eine präzise Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte spürbar. Von | |
Monkiewitsch fotografiert und filmt Lichtstimmungen, hält sie in | |
Pigmentdrucken fest oder projiziert sie auf Marmor und Moltonbahnen. | |
Damit teilt sie die DNA mit den Impressionisten: In den Fotografien | |
„Morsbroich“ oder „Tel Aviv“, die lichtdurchflutete Wände in den | |
titelgebenden Städten zeigen, erkennt man einen konzeptuellen Ansatz, der | |
auch [5][einen Claude Monet] zwischen 1892 und 1894 die Fassade der | |
Kathedrale von Rouen zigfach malen ließ. | |
Die Bilder von Verheyen, die vor einem halben Jahrhundert entstanden sind, | |
werfen auch die Frage auf, ob es möglich ist, ein Temperament oder eine | |
Stimmung einzufangen, oder um kurz einen oft missbrauchten Begriff zu | |
rehabilitieren: Verheyen versuchte, Atmosphären so gut wie möglich mit den | |
Mitteln der Malerei wiederzugeben. Eines der bekanntesten Bilder des 1974 | |
verstorbenen Belgiers ist eigentlich gar kein Bild: „Le Vide“ – die Leere | |
von 1965. | |
Statt einer Leinwand gibt es hier nur einen verchromten Metallrahmen zu | |
sehen, man blickt hindurch, an den Seitenwänden spiegelt sich der Raum | |
matt. Wie radikal die Geste ist, zeigt sich gerade dort, wo – wie eine | |
ikonische Fotografie festhält – Verheyen „Le Vide“ hochhält und die Welt | |
zum Inhalt des Gemäldes macht. Dieses Foto gibt der Ausstellung ihren | |
Namen: Das Bild wird „gegen den Himmel“ gehalten und zeigt jede Sekunde | |
einen neuen Ausschnitt. | |
11 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Geschichte-des-Maoismus/!5964629 | |
[2] /Bilder-zur-Unzeigbarkeit-der-Shoah/!5442936 | |
[3] /Nachruf-Freejazz-Pionier-Peter-Broetzmann/!5942717 | |
[4] /Konzeptkuenstlerinnen-der-1-Generation/!5661303 | |
[5] /Monet-Schau-in-Potsdam/!5663054 | |
## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
## TAGS | |
Kunstausstellung | |
Museum | |
Sonne | |
Licht | |
Malerei | |
Video | |
Installation | |
Fotografie | |
Skulptur | |
Installation | |
Bildhauerei | |
Klangkunst | |
Düsseldorf | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Installation „Spacewalks“ in Hamburg: Museum auf einem anderen Planeten | |
Traumrealität im Großformat: Simon Hehemanns raumfüllende Installation lädt | |
im Hamburger Kunstraum The Space zur Reise durch ein fremdes Universum. | |
Nachruf auf Bildhauer Carl Andre: Das war radikal | |
Der Erneuerer der Bildhauerei und Vertreter des Minimalismus, Carl Andre, | |
ist gestorben. Nach dem Tod seiner Frau kam es zu Boykottaufrufen gegen | |
ihn. | |
Klingende Kunst der 1950er bis 1970er: Die Kunst, ein unhörbares Geräusch | |
Dadaistische Klangapparate, vergeistigte Geräuschspeicher: Sound als ein | |
Material der bildenden Kunst zeigt eine Ausstellung in Krefeld. | |
Gruppe-Zero-Retrospektive in Berlin: Als alles noch mal neu war | |
Die Null im Namen der Gruppe Zero, die Ende der 50er in Düsseldorf | |
zusammenkam und nun im Martin-Gropius-Bau gefeiert wird, stand nicht für | |
Negation. |