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# taz.de -- Verwaltungsreform und Haushaltskürzungen: Wegners Wunderwelt
> Die Linksfraktion diskutiert auf ihrer Zukunftskonferenz über die
> Probleme in den Bezirken. Klar ist: Die Verwaltungsreform ist kein
> Allheilmittel.
Bild: Endlich neue Stempel: Im September eröffnete Senatschef Kai Wegner ein n…
Berlin taz | Bekanntlich war Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner
(CDU) mit dem Versprechen angetreten, Berlin jeden Tag ein Stück besser zu
machen. „Wir verstehen uns als eine gemeinsame Verwaltung und arbeiten
kooperativ zwischen den Bezirken und der Landesverwaltung, um die Aufgaben
der Stadt gemeinsam zu bewältigen“, heißt es im schwarz-roten
Koalitionsvertrag. In der Realität ist davon nichts angekommen, findet
Manuela Schmidt, die bezirkspolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Abgeordnetenhaus.
„Willkommen in der wundersamen Welt des Kai Wegner“, sagte Schmidt am
Freitagnachmittag bei einer Zukunftskonferenz ihrer Fraktion und des
linksparteinahen Kommunalpolitischen Forums im Landesparlament.
In dieser „wundersamen Welt“ des Senatschefs sollten die Bezirke trotz
Haushaltskürzungen, Sanierungsstopps und unabhängig von den ihnen zur
Verfügung gestellten Mitteln alles schaffen können, kritisiert Schmidt. Das
sei utopisch. Ziel der Konferenz unter dem Motto „Kohle, Kiez und
Kopfsteinpflaster“ war es dann auch, praktikable Lösungsansätze für die
Probleme in den Berliner Bezirken zu erarbeiten.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung machte die Linke klar, dass die
Verwaltungsreform von Wegner kein Allheilmittel für die diversen Baustellen
sein werde. So gebe es zwar Orte für Kiezkultur und freie Träger, die die
Bezirke für die Anwohner*innen lebenswert gestalten. „Aber es braucht
auch die Mitarbeiter in der Verwaltung“, sagte Schmidt und spielte damit
auf die Schwachstellen der umstrittenen Verwaltungsreform an, die die
[1][Aufgabenverteilung zwischen Bezirken und Land Berlin] neu ordnen will.
## Soziale Arbeit und öffentlicher Dienst
Auf dem Podium saßen neben Schmidt Vertreter*innen
zivilgesellschaftlicher Initiativen, des Berliner Hauptpersonalrats und
sozialer Träger. Für letztere sprach Anne Jeglinski, Leiterin der
Geschäftsstelle Bezirke, Innovation und Wirkung beim Paritätischen
Wohlfahrtsverband.
Mit Blick auf neue Rahmenbedingungen für die soziale Arbeit warnte
Jeglinski vor einem „Klima der Entsolidarisierung“, das es zu verhindern
gelte, und forderte, Armut wieder mehr zu politisieren. Ein großes Problem
liege in der Strukturierung der freiwilligen sozialen Leistungen, also den
staatlichen und kommunalen Leistungen, deren Landesmittel jederzeit gekürzt
werden könnten.
Zudem seien Zuwendungsbescheide häufig auf nur ein Jahr begrenzt und bei
den Zuschüssen herrsche eine generelle Ungewissheit. „Neue Projekte und
Fördervorhaben werden zu spät oder gar nicht bewilligt. Es gehen unbesetzte
Stellen und Mitarbeitende verloren“, sagte Jeglinski. Es brauche eine
vorausschauende Anpassung der Zuwendungen, eine Sachkostenpauschale und
längere Zeiträume bei der Zuwendungsförderung.
Daniela Ortmann, die Vorsitzende des Hauptpersonalrats Berlin,
problematisierte die Personalausstattung im öffentlichen Dienst, die sich
durch das Haushaltsdefizit weiter zu verschlechtern droht: „Wie soll man
den Bürgern da noch verkaufen, dass der Staat für sie da ist?“
Für die vielen gesetzlichen Aufgaben gebe es schlichtweg nicht genügend
Beschäftigte. Das betreffe nicht zuletzt den sozialen Bereich, etwa die
Jugendämter, so Ortmann. Insgesamt sei die Bezahlung in vielen Bereichen
des öffentlichen Dienstes zu schlecht, Arbeitsverhältnisse seien nicht
hinreichend geschützt, auch sehe es bei den Karrierechancen mau aus.
## Baustellen ohne Ende
Ähnlich vernichtend fiel die Bestandsaufnahme aus für das, was für Menschen
mit Behinderungen in den vergangenen Jahren erreicht worden ist. „Wie lange
dauert es, den U-Bahnhof Möckernbrücke barrierefrei zu machen?“, fragte
Dominik Peter vom Berliner Behindertenverband in die Runde.
Bereits 2003 hatte die BVG mit den Planungen für einen Aufzug begonnen.
Nach langem Hin und Her und einem kompletten Neustart nach Problemen mit
der Denkmalschutzbehörde und dem Bezirk soll der Bahnhof jetzt bis 2027
barrierefrei werden. Das sind 24 Jahre. „Das ist nicht mehr vermittelbar
und behinderte Menschen verlieren die Lust, sich zu engagieren“, so Peter.
Nicht besser stehe es um eine weitere Baustelle in den Bezirken, den
kommunalen Wohnungsbau, befand Linke-Politikerin Katrin Lompscher. Die
Ex-Senatorin für Stadtentwicklung bemängelte die Eigenkapitalausstattung,
fehlendes Personal und eine generelle Geldknappheit bei den landeseigenen
Wohnungsunternehmen. „Sowohl in der Regierung als auch in der Opposition
ist es nicht leicht, die Voraussetzungen für eine soziale Stadtentwicklung
zu schaffen“, sagte Lompscher. Es brauche Eigenkapital bei den
Wohnungsgesellschaften und die Verwaltung müsse funktionstüchtig gemacht
werden, damit die Unternehmen ihre Aufträge umsetzen können.
Das [2][„Schneller-Bauen-Gesetz“] des Senats nannte sie sichtlich
unbegeistert ein „Kindersprachengesetz“. Stattdessen müsse Berlin sich
besser organisieren, eine kollegiale Atmosphäre schaffen und sich mit den
systemischen Ursachen des Wohnproblems befassen. Dass der private
Wohnungsbau schwächelt, sei auch eine Chance, so Lompscher. Denn: „Der
kommunale Wohnungsbau könnte dadurch richtig loslegen.“
Letztlich ging es der Linken aber nicht allein um Elendsbeschreibung.
Vielmehr sollen aus den Ergebnissen der sogenannten Zukunftsworkshops
Schlussfolgerungen für Vorschläge gezogen werden.
14 Sep 2024
## LINKS
[1] /Grundsatzdebatte-zu-Land-und-Bezirken/!6015704
[2] /Senat-beschliesst-Gesetz-zum-Wohnungsbau/!6028375
## AUTOREN
Martha Blumenthaler
## TAGS
Verwaltung
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Schwarz-rote Koalition in Berlin
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