# taz.de -- Berliner Verwaltungsreform: Jetzt bloß keine halben Sachen | |
> Senat oder Bezirk? Wenn es bei der angestrebten klaren Aufgabenzuordnung | |
> nicht die nötigen Finanzmittel gibt, kann die Reform nicht klappen. | |
Bild: Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU) nennt die Verwaltungsreform „me… | |
Berlin taz | „Mein Lieblingsthema“ hat Regierungschef Kai Wegner (CDU) | |
[1][am Dienstag die Verwaltungsreform genannt]. Oder genauer: die | |
angestrebte Verwaltungsreform. Denn ob aus dem Großprojekt dieses Mal | |
tatsächlich etwas wird, nach über zwei Jahrzehnten vergeblicher, weil | |
vielleicht auch nicht mit letzter Konsequenz betriebener Anläufe, ist | |
offen. | |
Dass Wegner die Reform will, steht außer Frage. Das hat weniger damit zu | |
tun, sie nachher als großen politischen Erfolg feiern zu können. Das wäre | |
die Reform zwar. Aber anders als eine für alle sichtbare neue Brücke, | |
zehntausende mehr Wohnungen oder beitragsfreie Angebote lässt sich damit | |
kein Wahlkampf machen – eine effizienter arbeitende Verwaltung ist für die | |
Wähler eben nur mittelbar spürbar. | |
Eine gelingende Reform ist für den Regierungschef vielmehr aber die Basis, | |
andere Ziele zu erreichen. Gerade beim Wohnungsbau – und damit einem | |
messbaren und sichtbaren Feld – rufen Verbände und Investoren seit langem | |
nach klaren Zuständigkeiten. Das muss gar nichts, wie etwa vom | |
Naturschutzbund Deutschland beim Schneller-Bauen-Gesetz kritisiert, mit | |
eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten zu tun haben. Allein wenn sich | |
Bezirke und Senatsverwaltungen oder Senatsverwaltungen untereinander nicht | |
länger streiten, wer für ein Thema zuständig ist oder nicht, ist viel Zeit | |
gewonnen, sind Blockaden aufgelöst, die viele sinnvolle Vorhaben | |
blockieren. | |
Dass es diesen seit Jahrzehnten währenden Streit überhaupt gibt, hat viel | |
damit zu tun, dass Berlin seit seiner Gründung als Stadtstadt die Quadratur | |
des Kreises versucht. Die Stadt ist zugleich Bundesland, seine Bezirke sind | |
aber keine eigenständigen Gemeinden. Und so hat etwa die für fast 400.000 | |
Menschen zuständige Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Pankow – rein | |
rechtlich kein Parlament, sondern Teil der Verwaltung – weniger Macht als | |
etwa der Gemeinderat des brandenburgischen Kleinmachnow mit sein bloß | |
20.000 Einwohnern gleich hinter der südwestlichen Landesgrenze. Es gibt | |
kein direkten Steuern, der Haushalt besteht aus einer von der | |
Senatsfinanzverwaltung zugebilligten Summe. | |
## Quadratur des Kreises | |
Dass es die Bezirksämter und die BVV überhaupt gibt, rührt in dem Wunsch, | |
die Dinge der 4-Millionen-Stadt nicht zentral und damit vorwiegend aus | |
Berlin-Mitte zu entscheiden. Doch wie viel Macht wo? Und wann ist das | |
sogenannte gesamtstädtische Interesse berührt? Das sind die zentralen | |
Fragen, um die es letztlich auch in den aktuellen Gesprächen über die | |
Verwaltungsreform geht. | |
Wie groß derzeit die Chance ist, dass es klappen könnte, zeigt, mit welcher | |
Nervosität ganz verschiedene Organisationen in der Stadt die laufenden | |
Gespräche verfolgen. Ein [2][breites Bündnis aus 20 Initiativen vom | |
Paritätischen Wohlfahrtverband über den Migrationsrat bis hin zur | |
Industrie- und Hande]lskammer veröffentlichte vergangene Woche einen | |
„dringenden Appell“, die Reform nicht scheitern zu lassen, nachdem so etwas | |
[3][in der CDU-SPD-Koalition] zu drohen geschienen hatte. | |
Ein ganz zentraler Punkt: Zuständigkeiten und Aufgaben zuzuschreiben hilft | |
wenig weiter, solange das nur im Gesetz oder künftig vielleicht sogar in | |
der Landesverfassung steht. Die jeweilige Ebene muss auch sicher sein, | |
dafür das nötige Geld und das erforderliche Personal zu bekommen. Der unter | |
den Verhandlern dazu übliche Begriff ist „Konnexität“ – als die | |
ausdrückliche Verbindung zwischen Auftrag und Mitteln. Eigentlich müsste | |
das unstrittig sein – man schickt ja, um mal einen Vergleich zu benutzen, | |
niemanden ohne Geld zum Bierholen. | |
Im Dezember, so hat es Wegner am Dienstag nach der Senatssitzung gesagt, | |
will die schwarz-rote Regierung das angestrebte neue | |
Landesorganisationsgesetz ausdiskutiert und als Entwurf beschlossen haben, | |
danach soll das Abgeordnetenhaus daraus ein Gesetz machen. Aus dem | |
Lieblingsthema des Regierungschefs würde so ein vorgezogenes | |
Weihnachtsgeschenk – nicht nur für Wegner, sondern für alle Berliner. | |
27 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Senatsverwaltungen-und-Bezirke/!6035522 | |
[2] https://www.paritaet-berlin.de/aktuelles/detail/berliner-verwaltungsreform-… | |
[3] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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