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# taz.de -- Oldenburger Edith-Russ-Haus: Bürgermeister will Entnazifizierung
> Die Stifterin des Oldenburger Hauses für Medienkunst, Edith Ruß, war
> Nationalsozialistin, besagt eine neue Studie. Das hatte die Stadt lange
> ignoriert.
Bild: Hier soll sich etwas ändern: Ansicht der Oldenburger Vorzeige-Medienkuns…
Hamburg taz | Und sie bewegen sich doch: Das Oldenburger Haus für
Medienkunst soll einen neuen Namen bekommen – weil die Gründerin und Patin
entgegen wiederholter Beteuerungen eben doch Nazi war.
„Oberbürgermeister Jürgen Krogmann plädiert dafür, das Edith-Russ-Haus f�…
Medienkunst umzubenennen.“ [1][Das gab die Stadt Oldenburg am vergangenen
Donnerstag bekannt]. „Aus meiner Sicht“, zitiert die Mitteilung den
Sozialdemokraten, der als Dezernent auch die Kultur mitverantwortet, „ist
es für eine städtische Kultureinrichtung nicht mehr tragbar, den Namen
Edith Ruß im Titel zu verwenden.“
Das ist keine Lappalie. Das „Edith-Russ-Haus für Medienkunst“ öffnete im
Jahr 2000, zu einem Zeitpunkt also, da [2][manche:r Kritiker:in laut
darüber nachdachte], ob solche als flüchtig wahrgenommene Kunst noch an
einem physisch aufzusuchenden Ort ausgestellt werden darf – und nicht
vielmehr ins Netz gehört. Manchmal wird es mit dem international weniger
verbreiteten „ß“ geschrieben. International aber ist die Geltung, die es
der Stadt als Kunststandort beschert – eine vielleicht etwas spezifische
Geltung, aber immerhin. Vielleicht waren das allzu spezielle Sorgen,
vielleicht mochte auch einfach niemand einer geschenkten Kunsthalle ins
sprichwörtliche Maul schauen?
„Das Haus wurde durch eine Schenkung von Edith Ruß (1919–1993) ermöglicht,
die Journalistin, Pädagogin und private Kunstsammlerin war“, [3][so
formuliert es das Haus selbst]. Demnach wollte die Spenderin ihre
Heimatstadt bereichern durch eine Einrichtung, die einen „würdigen Übergang
in das Jahr 2000“ symbolisieren sollte, während seine eigene Gestaltung an
die Bauhaus-Architektur anknüpfen sollte – an ein Kapitel deutscher
Geschichte also, das gern als unschuldig verstanden wird, ehe dann diese
Nazis gekommen seien und diese schlimmen zwölf Jahre.
„Edith Russ trat am 1. Januar 1941 der NSDAP bei“: So steht es nun
prominent [4][in dem Gutachten], das die Oldenburger Historiker:innen
Mareike Witkowski und Joachim Tautz soeben im Auftrag der Stadt
fertiggestellt haben – [5][nachdem die taz auf die Systemverstrickungen der
früheren Lehrerin und Journalistin hingewiesen hatte]. Dass die
Parteimitgliedschaft eindeutig feststeht, ist bedeutsam, denn Ruß hatte sie
stets verneint, auch im Zuge ihres Entnazifizierungsverfahrens.
„Politische Ämter innerhalb der Partei oder anderer NS-Organisationen übte
sie nicht aus“, heißt es in dem Gutachten weiter. „Seit 1939 hat sie für
unterschiedliche Zeitungen gearbeitet, darunter auch solche, die von der
NSDAP herausgegeben wurden.“ In Ruß’ Artikeln „findet sich Gedankengut, …
sich als völkisch und nationalistisch einordnen lässt“, schreiben Witkowski
und Tautz. „Antisemitische oder rassistische Aussagen tätigt sie in ihren
Beiträgen nicht.“
Unter den Bedingungen des NS war rechtmäßig ausgeübter Journalismus immer
auch einer, der das System stützte (siehe Kasten). Die journalistische
Tätigkeit der Oldenburger Mäzenin, so die Historiker:innen, „lässt sich als
ein Beitrag zur Normalisierung und Stabilisierung des NS-Regimes
charakterisieren – wenn auch auf einer untergeordneten Ebene“.
Das ist eine ganz andere Aussage, als sie sich [6][in der Biografie Edith
Ruß’ findet, die etwa gleichzeitig mit der Eröffnung des Kunsthauses
herausgebracht worden war] – verfasst von der heutigen Leiterin des
Oldenburger Kulturbüros. Über die Nicht-Mitgliedschaft in der Nazipartei
hinaus wird Ruß darin attestiert, sie habe sich ihre Unabhängigkeit
bewahrt. Nun heißt es, dafür, dass sie je Selbstkritik geübt oder ihre
Vergangenheit aufgearbeitet habe, fänden sich „in den Quellen keine
Hinweise“.
Oldenburgs OB Krogmann teilte mit: „In Gesprächen mit Künstlerinnen und
Künstlern sowie Sponsoren und Kooperationspartnern ist eine spürbare
Distanz und der Wunsch nach einer Namensänderung für das Ausstellungshaus
deutlich geworden.“ Den Ratsgremien wolle er nun den Verzicht auf die
Nennung von Edith Ruß im Titel des Hauses vorschlagen.
Stadtsprecher Stephan Onnen betont gegenüber der taz besonders den
„Vertrauensbruch“, weil Ruß bis zuletzt an der Lüge festgehalten hatte,
kein NSDAP-Mitglied gewesen zu sein. Aber er erwähnt auch die zunehmende
Belastung für die Arbeit des Medienkunst-Hauses selbst durch den
Mäzeninnen-Namen.
„Uns ist es sehr wichtig, dass die Zeit von Edith Ruß im
Nationalsozialismus jetzt wissenschaftlich aufgearbeitet wurde“, sagte
Marcel Schwierin, Co-Leiter des Medienkunsthauses, am Donnerstag zur taz.
Man begrüße „nachdrücklich“ den Vorstoß des Oberbürgermeisters, „den…
von Edith Ruß aus dem Namen der Institution herauszunehmen“.
Vorgestellt wurde das Gutachten zunächst am 17. September im
Kulturausschuss, dann erhielten es die Fraktionen und Gruppen im Rat.
Stiftungsrechtliche Fragen sollen wiederum in der nächsten Sitzung des
Kulturausschusses erörtert werden, und irgendwann ist eine öffentliche
Veranstaltung zur Vorstellung und Diskussion des Gutachtens geplant.
1 Oct 2024
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[3] https://www.edith-russ-haus.de/ueber-uns/edith-russ-haus
[4] https://www.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/Dateien/30_Amt_fuer_K…
[5] /Edith-Russ-Haus-in-Oldenburg/!5994105
[6] https://www.isensee.de/product/ich-wollte-immer-das-geld-fuer-die-allgemein…
## AUTOREN
Alexander Diehl
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