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# taz.de -- Stifterin mit Nazi-Vergangenheit: Oldenburg zieht Schlussstrich unt…
> Oldenburg will sein nach der NS-Propagandistin Edith Ruß benanntes Museum
> für Medienkunst umbenennen – wegen des „Image-Schadens“ durch die
> Debatte.
Bild: Bekommen bald einen neuen Schriftzug – aber absehbar nicht viel mehr: d…
Oldenburg taz | Das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst wird
umbenannt. Das wird der Rat der Stadt an diesem Montag auf Vorlage des
Oberbürgermeisters Jürgen Krogmann (SPD) mit den Stimmen von SPD und Grünen
beschließen. Der Grund dafür ist aber nicht, dass die Stifterin und
Namensgeberin Edith Ruß NSDAP-Mitglied war und als Journalistin im Zweiten
Weltkrieg Kriegspropaganda verbreitet hatte. Es geht der Stadt vielmehr um
den „Imageschaden“, der durch die öffentliche Debatte entstanden sei. Die
taz hatte im vergangenen Jahr auf die NS-Vergangenheit von Ruß
[1][aufmerksam gemacht].
„Wir müssen Schaden von der Stadt abwenden“, begründete Krogmann die
Entscheidung im Kulturausschuss. Der Betrieb des Hauses sei wegen der
negativen Wahrnehmung gefährdet und der Schritt deshalb „alternativlos“.
Die [2][Versäumnisse der Stadt] um die Aufklärung von Ruß’
NSDAP-Mitgliedschaft sind laut Krogmann „vergossene Milch“. Dass der Beleg
für ihre Mitgliedschaft in Form ihres Schriftleiterausweises schon seit
Jahren im Besitz der Stadt ist, hat die Verwaltung bis heute nicht
öffentlich eingeräumt. Ruß sei ohnehin nur „Mitläuferin“ gewesen, nimmt
Krogmann sie, wie der gesamte Ausschuss, in Schutz und beruft sich auf ein
[3][Gutachten], das die Stadt in Auftrag gegeben hatte.
Die Oldenburger Historikerin Mareike Witkowski, die zusammen mit Joachim
Tautz das Gutachten verfasst hat, erklärt, es gebe „keine Belege“, dass Ru…
überzeugte Nationalsozialistin war und sie habe sich nie rassistisch oder
antisemitisch geäußert. Wirklich?
## Gutachten auf schmaler Datenbasis
Schon die faktische Grundlage des Gutachtens – die Liste mit Ruß’ Artikeln
in der Oldenburgischen Staatszeitung – ist falsch. Es fehlen fast die
Hälfte der Artikel, die Ruß zuzuordnen sind, darunter knapp 30, die
eindeutig mit ihrem Namen gekennzeichnet sind. Viele sind mit einer
[4][einfachen Suche] nach „Ruß“ in der digitalen Sammlung der
Landesbibliothek auffindbar und stehen zum Teil [5][direkt neben] Artikeln,
die in dem Gutachten erwähnt werden. Dutzende Artikel, die mit „er“
gekennzeichnet sind, verbreiten bis Kriegsende hetzerische Propaganda zu
vermeintlichen „jüdischen Haß- und Vernichtungsplänen“. Die
Gutachter:innen ignorieren diese Artikel pauschal, obwohl es sich laut
ihrer eigenen Einschätzung um Ruß’ Kürzel handelt.
Die Stadt hält auf Nachfrage dennoch an der Behauptung fest, dass Ruß’
Artikel „vollständig erfasst, gesichtet und bewertet“ wurden und auch
Witkowski sagt, sie habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ gearbeitet.
Dass Ruß in der „Schriftleiterprüfung“, einem Gesinnungstest, der unter
anderem das Wissen um die genauen Worte „des Führers“ abfragte, ihre
Überzeugung vom Nationalsozialismus beweisen musste, um als
„Schriftleiterin“ zugelassen zu werden, findet im Gutachten keine
Erwähnung. Sie besteht mit „bestem Erfolg“ und ihr wird als einer der
wenigen staatlich zertifizierten Nationalsozialistinnen die Indoktrination
der „Volksgenossen“ anvertraut.
Zum Einmarsch der Wehrmacht in Paris [6][schrieb Ruß]: „Das deutsche
Schwert schlug zu und traf mitten in Frankreichs Herz. […] Ueber
Frankreichs Hauptstadt weht das Hakenkreuzbanner und die
Reichskriegsflagge, Symbole von Deutschlands Macht und Größe.“ Deutsche
Soldaten hätten „das Buch der Geschichte um ein neues unvergängliches
Ruhmesblatt bereichert“. Und: „Ueberwältigend scheint uns die Größe dies…
Stunde, die uns die Führung Adolf Hitlers bereitet hat.“ Es sei ein „Tag
des unbändigen Stolzes und der stolzesten Freude“.
„Volk und Vaterland“ [7][seien Ideen], die „in Fleisch und Blut“ einges…
werden müssten. Deutschland stehe in „einer großen Zeit“, erklärt Ruß in
einem [8][anderen Artikel]: „Wir glauben an ein hohes Ideal, an unsere
Zukunft, unser Volk und Reich.“
Ruß [9][schreibt 1944], dass die Menschen in den besetzten Gebieten durch
Erziehung für die deutschen Ziele gewonnen werden müssten, „soweit diese
Menschen deutschen Ursprungs sind“. Was mit den anderen passieren soll,
führt sie nicht weiter aus. Zu diesem Zeitpunkt ist der Massenmord an den
europäischen Juden längst bekannt.
Kurz vor Kriegsende [10][lobt Ruß] den Einsatz und „Willen zum Unbedingten“
der Männer, die freiwillig „in den Reihen des Deutschen Volkssturms
stehen“, zu dem „der Führer“ aufgerufen hat.
Auch was die nationalsozialistische „Rassenlehre“ angeht, ist Ruß [11][voll
auf Linie]: „Immer noch steht oben im Nordseegau ein prächtiger
Menschenschlag auf der Wacht, der in trotzigem Stolz sein germanisches
Erbteil hütet.“ Das „germanische Erbteil“ schließe Juden aus, räumt
Witkowski auf Nachfrage ein, sie sehe bei Ruß dennoch keinen Antisemitismus
oder Rassismus. Nicht einmal indirekt. In anderen Artikeln [12][schreibt
Ruß] von der „Negerrasse“ der Pygmäen, die sie in eine Reihe mit der
„bunten Tierwelt“ des „dunklen Afrika“ nennt, [13][und von dem] den
Deutschen „verwandten Blutschlag“ der Holländer.
Nachdem schon die von der Stadt herausgegebene Biographie wegen massiver
Fehler zurückgezogen wurde, steht es um das Gutachten wenig besser. Das
Edith-Russ-Haus wird umbenannt, aber eine gründliche Auseinandersetzung mit
dem Nationalsozialismus – oder gar ein Kurswechsel in der
Erinnerungspolitik der Stadt – sind nicht in Sicht.
23 Feb 2025
## LINKS
[1] /Edith-Russ-Haus-in-Oldenburg/!5994105
[2] /Oldenburg-ehrt-NS-Journalistin/!6006503
[3] https://www.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/Dateien/30_Amt_fuer_K…
[4] https://www.oldenburg.de/fileadmin/oldenburg/Benutzer/Dateien/30_Amt_fuer_K…
[5] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1980136
[6] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1989309
[7] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1980494
[8] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1989222
[9] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1962159
[10] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1980426
[11] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1979984
[12] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1987685
[13] https://digital.lb-oldenburg.de/lbolrz/periodical/pageview/1961491?query=%…
## AUTOREN
Aljoscha Hoepfner
## TAGS
Nazi-Propaganda
Schwerpunkt Rassismus
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