| # taz.de -- Oldenburgs Verehrung von Nazi-Größen: Neustart einer zähen Debat… | |
| > Bernhard Winter, Edith Russ und Erna Schlüter waren regimetreue | |
| > Kulturgrößen im NS. Die Stadt Oldenburg hält sie trotzdem in Ehren. Das | |
| > könnte nun enden. | |
| Bild: Unter der Folie steckt Nazi-Kunst: Verpacktes Gemälde des Künstlers Ber… | |
| Oldenburg taz | Die höchste Auszeichnung, die eine Stadt ihren Bürgerinnen | |
| und Bürgern verleihen kann, ist die Ehrenbürgerwürde. Ausgezeichnet werden | |
| Persönlichkeiten, so schreibt es die niedersächsische Stadt Oldenburg auf | |
| ihrer [1][Website], „die sich in herausragender Weise um das Wohl oder das | |
| Ansehen ihres Ortes verdient gemacht haben“. | |
| Leo Trepp, ehemaliger Rabbiner der jüdischen Gemeinde Oldenburg, der 1938 | |
| nur knapp dem KZ entkam, ist einer von fünf Ehrenbürgern in Oldenburg. Es | |
| waren mal sieben, aber Hitlers Steigbügelhalter [2][Paul von Hindenburg] | |
| und Oldenburgs Heimatdichter [3][August Hinrichs] wurde diese Würde bereits | |
| entzogen. Zu den verbliebenen Ehrenbürgern der Stadt gehört der Heimatmaler | |
| Bernhard Winter – ein Antisemit und Nationalsozialist. | |
| Winter war Anfang des 20. Jahrhunderts der bedeutendste Maler im | |
| Oldenburger Land und positionierte sich politisch eindeutig. Bereits 1913, | |
| sieben Jahre bevor die [4][NSDAP] gegründet wurde, ließ Winter in einem | |
| Aufsatz über die „Feste, Sitten und Gebräuche unserer Heimat“ keinen | |
| Zweifel an seiner Gesinnung: Er schrieb von „Völkern unentarteter Rasse“, | |
| dem „gesunden Rasseinstinkt“, einer „Verderbnis“, die eintrete, wenn | |
| „rassenungleiche Völker zusammentreffen“ und vom „Einfluss des jüdischen | |
| Volkes“. | |
| Damit meinte er, wie er um 1920 in einem anderen Aufsatz ausführte, die | |
| „zersetzende Tätigkeit“ der Juden, die „mit List und Gewalt Nichtjuden z… | |
| Unfähigkeit klaren Denkens dressierten“ und angeblich „die natürliche | |
| volkliche Widerstandskraft“ brechen wollten. | |
| Seine Werke hätten stets „alle Benebelung durch Fremdtum“ durchbrochen und | |
| „edles Volkstum“ gestützt, rühmte sich Winter. Er war überzeugter | |
| Nationalsozialist, wurde vom NS-Regime mit Ehrungen überhäuft und malte | |
| noch bis 1945 Propagandabilder. 1941 erhielt Winter „im Auftrage des | |
| Führers“ die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, 1943 den | |
| Gaukulturpreis Weser-Ems und 1944 stand er auf der „Gottbegnadeten-Liste“ | |
| des Propagandaministeriums. 1961, drei Jahre vor seinem Tod, wurde Winter | |
| dann die Ehrenbürgerwürde Oldenburgs verliehen. | |
| Die Stadt widmet auf ihrer Internet-Seite allen Ehrenbürgern ein kurzes | |
| Portrait. Über den 1871 geborenen Winter steht dort, dass er vor allem | |
| Motive aus dem bäuerlichen Leben gemalt und sich um seine Heimat verdient | |
| gemacht habe. Winter habe das Freilichtmuseum in Bad Zwischenahn geschaffen | |
| und den Heimatverein „Ollnborger Kring“ mitbegründet. 1956 verlieh ihm der | |
| damalige Bundespräsident Theodor Heuß (FDP) das Bundesverdienstkreuz 1. | |
| Klasse. | |
| In Winters Ehrenbürger-Urkunde steht: „Seine besondere Liebe galt der | |
| Kultur, den Sitten und Gebräuchen seiner engeren Heimat, die er in | |
| mühevoller Arbeit erforschte und in seinen Bildern darstellte.“ Zu seiner | |
| Geisteshaltung und seinem Wirken im [5][Nationalsozialismus] findet sich | |
| hier kein Wort. | |
| Auf eine taz-Anfrage, warum Winter noch Ehrenbürger sei und wieso seine | |
| Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes mit keinem Wort erwähnt | |
| werde, wollte der Pressesprecher der Stadt Oldenburg zunächst nicht | |
| antworten. Später erklärte er dann aber doch, dass der [6][Text auf der | |
| Seite der Stadt] überarbeitet werde. Zuständig sei das für | |
| Erinnerungskultur verantwortliche Kulturbüro. Das ist nun fünf Monate her | |
| und noch immer bleibt Winters Rolle im Nationalsozialismus auf der Seite | |
| der Stadt unerwähnt. | |
| Dabei schließt Oldenburg – die Stadt, in der 1932 die NSDAP ihre erste | |
| absolute Mehrheit erlangte – derzeit einige Erinnerungslücken: Das | |
| städtische Edith-Russ-Haus, eine Kunstgalerie, hat ein Gutachten zur | |
| Vergangenheit seiner Namensgeberin angekündigt, nachdem [7][die taz über | |
| Russ’ Tätigkeit als NS-Propagandistin berichtet hatte]. Russ war von 1943 | |
| bis 1945 Feuilleton-Chefin der Oldenburger NSDAP-Zeitung, Verfechterin der | |
| „ewigen Werte deutscher Kunst“ und rief zum „Heldentod an der Front“ au… | |
| Russ wird seit dem vergangenen Jahr zusammen mit der Künstlerin Emma | |
| Ritter, deren Rolle im Nationalsozialismus umstritten ist, und der | |
| Oldenburger Opernsängerin Erna Schlüter [8][auf einem städtisch geförderten | |
| Wandgemälde geehrt]. Schlüter sang zu Ehren Hitlers, Goebbels und der | |
| Machtergreifung und wurde von Hitler persönlich zur Kammersängerin ernannt. | |
| Die beauftragten Künstlerinnen wussten nichts von der Vergangenheit der | |
| Frauen und fordern nun die Übermalung der Porträts. | |
| Auch der scheidende Intendant des Oldenburgischen Staatstheaters Christian | |
| Firmbach hat unlängst angekündigt, sich mit Schlüter zu befassen. Im | |
| Staatstheater ist ein Foyer nach ihr benannt. Ende Februar hat die | |
| August-Hinrichs-Bühne, eine Amateurbühne des Staatstheaters, | |
| bekanntgegeben, dass sie nach jahrzehntelangem Druck ihren Namen wechseln | |
| und sich künftig Niederdeutsche Bühne am Oldenburgischen Staatstheater | |
| nennen werde. | |
| 1939 hatte Gauleiter Carl Röver den Theaterverein, der ausschließlich | |
| niederdeutsche Stücke auf die Bühne bringt, zu Ehren des Heimatdichters | |
| August Hinrichs umbenannt. Hinrichs war Leiter der Reichsschrifttumskammer | |
| im Gau Weser-Ems, schrieb diverse NS-Propaganda-Stücke und profitierte vom | |
| NS-Regime. Ausschlaggebend für den Namenswechsel war letztlich ein | |
| öffentlicher Aufruf mehrerer Schauspieler*innen. | |
| ## Kulturausschuss will reden | |
| Die Leiterin des Oldenburger Kulturbüros, Paula von Sydow, beteiligt sich | |
| bisher nicht an der Aufarbeitung der NS-Geschichte der Stadt. Sie hat eine | |
| verharmlosende Biografie über Edith Russ geschrieben und blockt alle Fragen | |
| dazu ab. Auf der [9][Website des Edith-Russ-Hauses] fehlt jeder Hinweis auf | |
| die NS-Karriere der Namensgeberin. In einem Lebenslauf auf der | |
| Internet-Seite der Stadt bleibt Russ’ Mitarbeit beim NSDAP-Blatt unerwähnt. | |
| Die Grünen-Fraktion im Stadtrat erklärte, dass sie die gleiche Position | |
| vertrete wie in der Debatte über Straßennamen vor zehn Jahren. Damals wurde | |
| in Oldenburg darüber gestritten, ob Straßen nach August Hinrichs und Paul | |
| von Hindenburg benannt bleiben dürften. Am Ende wurde den beiden Männern | |
| zwar die Ehrenbürgerschaft der Stadt aberkannt, die Straßen heißen aber | |
| weiter nach ihnen. „Auch Bernhard Winter sollte kein Oldenburger | |
| Ehrenbürger sein und eine nachträgliche Aberkennung erscheint uns notwendig | |
| und richtig“, schreibt die Grünen-Fraktion. | |
| Sie will das Thema im Kulturausschuss auf die Tagesordnung setzen. Bei der | |
| nächsten Sitzung am 9. April dürften auch Edith Russ und Erna Schlüter | |
| Thema sein. Damit geht die 2015 weitgehend im Sande verlaufene | |
| Vergangenheitsdebatte in Oldenburg in eine nächste Runde. | |
| 3 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Aljoscha Hoepfner | |
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