Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuer Wien-„Tatort“: Ein authentischer Rap-Krimi
> Ein Rapper haut mitten im Song ab, wenig später liegt er tot in einer
> Blutlache. Der neue Wien-„Tatort“ ist ein ganz famoser Start nach der
> Pause.
Bild: Der gut aussehende Ted Candy ist ein Megastar
Da staunt Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) nicht schlecht. Was, 250.000
Follower hat dieser gewisse Ted Candy? „Ich hab 26 Follower“, sagt Eisner
zur Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und dachte sich, dass das schon
viele wären … Aber wer ist bitteschön Ted Candy?
Beide Ermittler kennen noch nicht mal den Namen des toten Rappers. Das ist
nicht schlimm. Wir alle leben halt in Parallelwelten. Also tauchen wir in
diesem neuen Wiener „Tatort“ mal in eine solche hinab. Das ist, um es
vorwegzunehmen, ein ganz famoser Start nach der viel zu langen Sommerpause.
Der gut aussehende Ted Candy (Aleksandar Simonovski aka [1][Jugo Ürdens] –
ein österreichischer Rapper und Musikproduzent) ist ein Megastar. Eben
stand er noch auf der Bühne eines Clubs und rappt: „Akman, du bist eine
Lunte. Ohne mich bist du nichts. Ich hab dich gemacht.“ Doch mit dem
smarten jungen Mann stimmt was nicht – ist er krank? Hat er einfach zu viel
intus? Er haut einfach mitten im Song ab und schnappt sich sein Motorrad.
Wenig später liegt er tot in einer Blutlache, erschlagen. Es war wohl kein
Raubmord, die Geldbörse ist noch da, das Smartphone natürlich ist weg.
Moritz und Bibi nehmen die Ermittlungen auf, ganz im Stile eines
Whodunit-Krimis. Die Mutter des Toten ist natürlich am Boden zerstört, aber
noch oder schon wieder zugedröhnt. Sie war am Abend zuvor beim Konzert des
Sohnes. „Alle haben ihn geliebt“, gibt sie zu Protokoll. Naja, das kann ja
gar nicht stimmen.
Es gibt mehrere Verdächtige. Seine Mutter wird alles erben, auch die neue
Eigentumswohnung, in der sie mit ihrem Sohn zusammenlebte. Da ist ein
Clubmitarbeiter, der wohl mehr als Freundschaft für den toten Rapper
empfindet, eine später auftauchende Videoaufnahmen legt das nahe. Da ist
ein Nachwuchs-Rapper – er beschimpft Ted Candy als „Schwuchtel“.
Und da ist natürlich der schon besungenen Akman Onur (Murat Seven), ein
Rapper mit – das Klischee lässt grüßen – krimineller Vergangenheit, bei
dessen Label einst Ted Candy unter Vertrag stand. Akman hat sich übrigens
revanchiert, natürlich rappend: „Ich hab dich groß gemacht, ab morgen lebst
du jeden Tag in Todesangst.“ Tja, wenn das keine Drohung ist? Aber wie man
so sagt im Rapper-Slag: Die beiden haben einen Beef.
Ist das echt oder inszeniert?, will Bibi wissen, und lernt, dass das
meiste, die ganzen Drohungen, die vielen Kraftausdrücke, einfach nur Kalkül
sind. So ein Battle gehört halt zur Show, erklärt die junge Kollegin Meret
Schande (Christina Scherrer) den älteren Semestern. Das ist so, als ob sich
Rapper eine Maske aufsetzen. „Real“ ist hier gar nichts. Auf dicke Hose
machen ist aber gut fürs dicke Portemonnaie.
Okay, die Story ist ganz schön überladen. Doch man kann gut folgen, das
Tempo ist hoch. Es gibt keine Logiklücken. Dafür genretypischen Wendungen.
Es geht um einen Labelwechsel, also viel Geld, und niederste Instinkte, und
ein bisschen um die Liebe. Und dann kommt die Vergangenheit ins Spiel – man
kennt sich halt von früher. Das hat fatale Folgen.
Die vielfach ausgezeichnete Regisseurin [2][Mirjam Ungers] macht hier alles
richtig und hat es geschafft, keinen Lehrfilm über das Rapper-Milieu zu
drehen. Denn klar ist ja: Das ist eine Generationsfrage. Wenn Moritz und
Bibi keinen blassen Schimmer von Rap haben, weiß die junge Kollegin sehr
wohl, wer Ted Candy ist bzw. war. Sie vermittelt ihren Kollegen fehlendes
Wissen (die beiden sind durchaus lernfähig) – und damit dem sicher
teilweise unwissenden Publikum.
Das ist klasse gemacht und eben nicht belehrend. Ein großes Plus: durch die
Mitwirkung von Jugo Ürdens und anderen echten Rapper:innen, durch Drehs an
Originalschauplätzen in der Szene, bekommt der „Tatort“ etwas
authentisches.
Und es gibt eine unerwartete wie kurze Traumsequenz. Bibi geht der Fall wie
immer an die Nieren, da träumt sie halt schlecht: Sie und Moritz und all
die anderen Kolleg:innen bieten sich auf einer Brücke einen Battle, also
einen Wettstreit (wie man es altmodisch nennen würde) mit Ted Candy und all
den anderen Typen der Rap-Szene. Sie singen und rapppen und tänzeln und
gestikulieren, was das Zeug hält. Das ist schon witzig und ironisch gemeint
und halbwegs gut gemacht – Jugo Ürdens hat den Song geschrieben und den
Schauspieler:innen die Dance-Moves beigebracht. Aber es wäre auch ohne
diese Szene gegangen.
Wien-„Tatort“: „Deine Mutter“, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr; One, 21.45 Uhr,
anschließend in der ARD-Mediathek
15 Sep 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Yugo_(Musiker)
[2] https://www.mirjamunger.com/
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Sonntagskrimi
Wien
Rapper
Rapperin
Social-Auswahl
Tatort
Schwerpunkt Rassismus
Wochenendkrimi
Serien-Guide
Krimis
Serien-Guide
Wochenendkrimi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neuer Wien-„Tatort“: Mordermittlung im ideologisch ungeklärten Milieu
Ein toter Demonstrant, eine radikale Bewegung – und eine fragwürdige
Polizei: Der neue „Tatort“ ist brisant – aber zu vorsichtig.
Jamaikanische Serie „Get Millie Black“: Eine queerfeindliche Gesellschaft
Die Miniserie „Get Millie Black“ erzählt von Homophobie, Rassismus und
Klassengesellschaft in Jamaika – und sprengt das klassische Krimi-Genre.
Finnischer Vierteiler „Operation Omerta“: Hit aus Helsinki
Hochdramatische Chose aus dem nicht minder hohen Norden: Beim
vielschichtigen Actionthriller „Operation Omerta“ kommt keine Langeweile
auf.
„Informant – Angst über der Stadt“: Der Gegner heißt Angst
In der Serie sollen Ermittler einen islamistischen Anschlag in der Elphi
verhindern. Doch rassistische Stereotype erschweren die Ermittlungen.
Kult-Krimiserie „Liebling Kreuzberg“: Hier wird nicht gemordet
Die Kult-Serie „Liebling Kreuzberg“ zeigt das raue Westberlin kurz vor der
Wende. Kiezanwalt Liebling muss sich dort mit Kleinganoven rumschlagen.
Wochenendkrimi in der Einöde: Das Grauen im einsamen Luxemburg
„Gutland“ bietet Einsichten in die luxemburgische Einöde. Und spielt dabei
mit dem Bruch zwischen romantisiertem Landleben und dunklen Machenschaften.
Italo-Krimi „Rocco Schiavone“: Der Stinkstiefel
Der italienische Ermittler Rocco Schiavone hat nicht wirklich Bock auf
seinen Job, er arbeitet trotzdem. Sein Lebensstil erinnert an alte
Machthaber.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.