| # taz.de -- Neuer Wien-„Tatort“: Prittstift, Glückskeks oder Tipp-Ex – w… | |
| > Im Wiener Tatort „Der Elektriker“ stirbt ein alter Grantler in der | |
| > Badewanne eines Pflegeheims. Alle, die da durch die Gänge huschen, sind | |
| > verdächtig. | |
| Bild: (v. li.): Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Horst Windisch (Michael Edl… | |
| Ein „Tatort“, in dem „BKS“ gesagt wird, kann nur aus Österreich kommen… | |
| der Abkürzung wird das bezeichnet, was früher Serbokroatisch hieß, die | |
| [1][Sprache, die in Bosnien, Kroatien und Serbien] gesprochen wird. Im | |
| ganzen neuen Wien-„Tatort“ „Der Elektriker“ ist zwar nur ein einziges M… | |
| BKS zu hören, das Opfer und der Hauptverdächtige haben aber | |
| Jugo-Hintergrund. | |
| Im Vordergrund steht [2][ein Pflegeheim] mit relativ munteren Insassen. Da | |
| wäre der pensionierte Oberkellner Herr Fritz, immer noch ganz Gentleman und | |
| immer noch der stille Zuhörer, dem kein Klatsch und kein Tratsch, kein | |
| Abgrund und keine Zuneigung entgeht. Da ist die mysteriöse Sandra, die | |
| wegen ALS im Rollstuhl sitzt und den Ermittler Moritz Eisner aus besseren | |
| Tagen zu kennen scheint. Und da sind die wegen Unterbesetzung mit den | |
| betreuungsintensiven Patient*innen völlig überforderten | |
| Heimangestellten Horst und Patricia. | |
| So gut wie jeder, der hier durch die Gänge rennt, schleicht oder geschoben | |
| wird, kommt infrage, irgendwas mit dem Tod des schwierigen Patienten Daniel | |
| Filipović zu tun zu haben. Der wird in einer Schlinge hängend tot in der | |
| Badewanne gefunden, war einerseits sehr krank und andererseits auch ein | |
| unausstehlicher Typ, über den im Heim niemand ein gutes Wort verliert und | |
| dessen Tod selbst seine Tochter nicht sonderlich zu bedauern scheint. | |
| Im Laufe des „Tatorts“ kommen Dinge ans Licht, die auf [3][den | |
| Jugoslawienkrieg der 1990er Jahre] hindeuten. Aber ist das die richtige | |
| Fährte, nur weil der Fußpfleger Ivica vorbestraft ist und eine große Wunde | |
| unter dem Auge hat? Es tauchen weitere verdächtige Dinge auf: ein | |
| Phasenprüfer, eine vegane Bäckerei, eine leere Schatulle. | |
| Obwohl, so viel sei verraten, die Lösung des Falls durchaus interessant und | |
| nicht vorhersehbar ist, wird das eingespielte österreichische Ermittlerduo | |
| Moritz Eisner (gespielt von Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (gespielt | |
| von Adele Neuhauser) von Regie (Harald Sicheritz) und Drehbuch (Roland | |
| Halblesreiter, Petra Ladinigg) auf keine allzu überraschenden Wege geführt | |
| und erlebt dabei auch keine allzu überraschenden Wendungen: Natürlich | |
| setzen sie sich zum Kartenspielen ins Pflegeheim an einen Tisch mit | |
| Patienten, natürlich endet eine Verfolgungsjagd in einem Viertel mit Puffs | |
| und Autowerkstätten, natürlich ist der Fußpfleger auch Judoka. | |
| Lustig ist, dass die Ermittler die möglichen Verbindungen und Tathergänge | |
| nicht rekonstruieren, wie es seit Jahren üblich ist: vor einer Wand mit | |
| Fotos, die mit zig Pfeilen verbunden sind. Nein, Eisner/Fellner machen es | |
| klassisch: ein Modell des Pflegeheims wird auf den Bürotisch gestellt, in | |
| dem das verdächtige Personal mit Prittstift, Tipp-Ex, Tesa, Tintenfass, | |
| Heftklammerentferner und Glückskeks dargestellt wird. | |
| Die lustigste Szene dieses „Tatorts“ ist die, als im Pflegeheim der | |
| Feueralarm angeht, weil wieder einer auf seinem Zimmer geraucht hat. In | |
| einer beiläufigen Szene sieht man, wie die Alten ihre Hörgeräte aus dem Ohr | |
| nehmen, unachtsam weglegen und damit dem ohrenbetäubenden Lärm ein | |
| Schnippchen schlagen. | |
| Im Wien-„Tatort“ geht es so zu, wie man als Nicht-Wiener Wien empfindet: | |
| Alles hat ein bisschen Patina, alles läuft etwas langsamer und | |
| bodenständiger, alles ist ein bisschen Klischee, aber es ist eh alles egal, | |
| weil wenn die Wiener Wienerisch sprechen, dann klingt noch die letzte | |
| Banalität, so wie beim Italienischen, immer umwerfend charmant. | |
| 14 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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