| # taz.de -- Serbische Verbrechen im Bosnien-Krieg: Schwieriges Gedenken in Prij… | |
| > Vor 30 Jahren begingen Serben in der serbisch-bosnischen Stadt | |
| > Gräueltaten an Kroaten und Muslimen. Jetzt wird darüber gestritten, wie | |
| > an 102 ermordete Kinder erinnert wird | |
| Bild: Gedenken an dei Opfer in Prijedor am 31.5 | |
| Prijedor taz | Noch am Vorabend der Demonstration waren die Organisatoren | |
| der Aktion in der westbosnischen, zum serbischen Teilstaat Republika Srpska | |
| gehörenden Stadt Prijedor höchst angespannt. Denn die neue Stadtverwaltung, | |
| die seit den letzten Wahlen im vergangenen Jahr von der Partei [1][des | |
| serbischen Extremisten Milorad Dodik] gestellt wird, hatte scharfe | |
| Restriktionen erlassen. Die ursprüngliche Route war nicht erlaubt worden, | |
| Polizei patrouillierte schon am Vorabend durch die Stadt. Es schien, als | |
| sollte die Demonstration der weißen Bänder am Dienstag am besten gar nicht | |
| stattfinden. | |
| Die weißen Bänder sind ein Symbol für die Ereignisse vor 30 Jahren. Damals | |
| hatte das serbische Militär die 80.000 Einwohner zählende Stadt kampflos | |
| übernommen. Der eingerichtete serbische Krisenstab hatte angeordnet, dass | |
| alle Nichtserben, die fast die Hälfte der Bevölkerung stellten, zur | |
| Erkennung weiße Armbinden tragen mussten. Schon damals wurde diese Maßnahme | |
| gegen Bosniaken (Muslime) und Kroaten (Katholiken) mit dem Tragen von | |
| Judensternen während der Nazizeit verglichen. | |
| Danach begann der Terror: Vor allem Angehörige der Oberschicht dieser | |
| Bevölkerungsgruppen wurden festgenommen: Politiker, Anwälte, Ärzte, Lehrer, | |
| Richter waren Opfer dieses „Elitozids“. Sie waren die ersten, die in die | |
| Konzentrationslager Omarska, Keraterm und Trnopolje gebracht wurden. Der | |
| Großteil der Bevölkerung musste fliehen, über 3.100 Menschen wurden | |
| ermordet. | |
| Im Büro der Organisation Quart, in der vor allem Schwule und Lesben aus | |
| allen Bevölkerungsgruppen organisiert sind und die sich jedoch zu einem | |
| Zentrum der Opposition insgesamt entwickelt hat, erklärte der bekannte | |
| Oppositionelle und einer der Organisatoren der Demonstration Edin Ramulić, | |
| er wisse nicht, ob er am nächsten Tag festgenommen werden würde. Ramulić | |
| war seinerzeit selbst im Konzentrationslager Trnopolje interniert gewesen. | |
| ## Kein Kommentar | |
| Doch es kam anders. Langsam versammelten sich die Demonstranten, meist | |
| ältere Leute, selbst Betroffene, Überlebende, an der Brücke, die zu der | |
| wieder aufgebauten muslimischen Altstadt führt. Von dort aus wollten sie | |
| ins Stadtzentrum marschieren. Es war nur ein Spaziergang genehmigt worden, | |
| doch nach und nach formierte sich ein echter Demonstrationszug. | |
| Es wurden Banner gezeigt, auf denen die Bilder von allen damals Ermordeten | |
| aufgedruckt waren. Die Demonstranten zogen ruhig zum Hauptplatz der Stadt, | |
| dem Trg Majora Karlice. Umstehende Serben wollten keinen Kommentar abgeben. | |
| „Ich weiß etwas darüber, will mich dazu aber nicht äußern“, sagte | |
| schließlich doch eine Frau, wurde aber von Umstehenden zurückgepfiffen. Die | |
| Polizei hielt sich im Hintergrund. | |
| Angekommen auf dem Hauptplatz der Stadt ergriffen einige Redner das Wort | |
| und forderten [2][ein Mahnmal für die 102, im Jahr 1992, getöteten Kinder]. | |
| Die Stadt will jedoch nur eine Gedenkstätte errichten, die auch die | |
| Erinnerung an die über 1.000 vor allem serbischen Kinder mit einschließt, | |
| die während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis und Ustaschen getötet | |
| worden waren. | |
| Das ist den Angehörigen der Opfer von 1992 zu wenig, so würden die Kinder | |
| von 1992 nicht angemessen gewürdigt. Als allerdings der Premierminister des | |
| anderen Teilstaates, der bosniakisch-kroatischen Föderation, Fadil Novalić, | |
| das Wort ergreifen wollte, ging er im Pfeifkonzert der vor allem | |
| muslimischen Demonstranten unter. Ihm werden korrupte Machenschaften in | |
| Zusammenhang mit der Beschaffung von Beatmungsmaschinen während der | |
| Coronapandemie vorgeworfen. | |
| „Wir wollen keine korrupten Unterstützer unserer Demonstration, wir sind | |
| gegen Korruption aller Seiten in Bosnien und Herzegowina“, sagt der | |
| Aktivist Sudbin Musić. Als 18-Jähriger war er 1992 ins Lager gekommen, | |
| danach zusammen mit seiner Mutter und Schwester nach Deutschland geflüchtet | |
| und vor 20 Jahren in das Dorf Čarakovo zurückgekehrt. Er hat mittlerweile | |
| resigniert. „Wir sind alle müde geworden. Das Schlimmste ist, dass die | |
| serbische Mehrheitsgesellschaft immer noch leugnet, was geschehen ist.“ | |
| 1 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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