# taz.de -- CDU-Politiker über Bosnien: „Endlich aufhören zu lügen“ | |
> Im Umgang mit Extremisten auf dem Balkan haben sich Deutschland und die | |
> EU aus dem Spiel genommen, kritisiert der CDU-Abgeordnete Michael Brand. | |
Bild: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Sarajevo-Besuch am 10.… | |
taz: Herr Brand, mit dem Krieg in der Ukraine rückt auch der Balkanstaat | |
Bosnien und Herzegowina wieder ins Rampenlicht. Denn nicht nur bei der Nato | |
sieht man den wachsenden Einfluss von Russlands Präsidenten Wladimir Putin | |
auf dem Balkan mit Sorge. Wie schätzen Sie die Lage ein? | |
Michael Brand: Bosnien und Herzegowina ist seit Monaten im Fokus, weil die | |
Gefahr eines neuen Krieges schon vor dem Überfall Putins auf die Ukraine | |
sehr virulent war. Die Achse von der serbischen Teilrepublik in Bosnien | |
über Serbien hin zu Russland ist eine kriegsfähige Achse. Hinzu kommen noch | |
die bosnisch-kroatischen Nationalisten. | |
Der Führer der bosnischen Serben Milorad Dodik und der kroatische | |
Nationalistenführer Dragan Čović werden weiterhin von der EU-Mission und | |
westlichen Diplomaten in Bosnien geradezu hofiert, obwohl beide sich ganz | |
offen auf die Seite Putins stellen. Wie kommentieren Sie das? | |
Wir müssen endlich damit aufhören, uns selbst in die Tasche zu lügen, als | |
könnte man mit Extremisten den Frieden sichern. Extremisten muss man | |
entschlossen gegenübertreten, und zwar, bevor es zu spät ist. Deutschland | |
und die EU haben sich mit falschen Analysen und falschem Engagement | |
weitgehend selbst aus dem Spiel genommen. | |
Dodik verhöhnt offen Deutschland und nennt Ihren Kollegen, [1][den | |
Bundestagsabgeordneten Adis Ahmetović (SPD)] einen Hitlerjungen. Immerhin | |
wurde jetzt angekündigt, mit einem symbolischen Truppenkontingent wieder in | |
Bosnien aktiv zu werden. Was ist davon zu halten? | |
Die Beleidigungen Dodiks sollte man einfach ignorieren. Die Ankündigung, | |
die europäische Eufor-Truppe zu stärken, bleibt ohne Wirkung, weil in | |
wenigen Monaten das Mandat ausläuft und eine Verlängerung am Veto Russlands | |
im UN-Sicherheitsrat scheitern wird. Diese Woche hat der | |
Nato-Generalsekretär ausdrücklich den Schutz von Bosnien durch die Nato | |
erwähnt. Die Nato hat seit dem Dayton-Vertrag das Recht dazu. Der Friede | |
muss militärisch durch die Nato abgesichert werden, zuallererst in Brčko | |
(er strategisch wichtigste Ort in Bosnien und Herzegowina; Anm. der Red.), | |
wenn wir den nächsten Krieg in Europa wirksam verhindern wollen. | |
Am 8. April hat der kroatische Präsident Zoran Milanović in Mostar | |
bosnisch-kroatische Kriegsveteranen ausgezeichnet, obwohl deren Kommandeure | |
in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilt worden sind. In Berlin aber | |
gibt es keinerlei Kritik an diesem nationalistischen Kurs Kroatiens … | |
Der kroatische Präsident ist ein erratischer und extremistischer Politiker, | |
der sich vom ehemaligen Kommunisten zum Ultranationalisten gewandelt hat. | |
Er hat nicht so viel Macht. Wichtiger ist der kroatische Ministerpräsident | |
Andrej Plenković, der bisher proeuropäisch agiert hat. Er steht aber unter | |
dem Druck von extremistischen Nationalisten. Im Völkerrecht und in Europa | |
gilt die Unverletzlichkeit von Grenzen. Kroatien darf die Verfassung und | |
die Staatlichkeit eines Nachbarlandes nicht weiter aktiv gefährden, weder | |
von außen noch von innen, sondern muss im Gegenteil den eigenen | |
Extremisten die Grenzen aufzeigen. | |
[2][Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock] hat bei ihrem Besuch vor | |
wenigen Wochen in Sarajevo verbal Stellung gegen die Nationalisten bezogen. | |
Sie haben in Ihrer Rede am 6. April im Bundestag gesagt, es fehle in Berlin | |
an einer tiefgreifenderen Analyse und einer Strategie. Wie meinen Sie das? | |
Frau Baerbock erweckt öffentlich den Eindruck, als würde sie auf dem Balkan | |
eine konsequent rechtsstaatliche und europäische Politik verfolgen, was sie | |
aber nicht tut. Offenkundig hat die deutsche Außenministerin keine eigenen | |
Konzepte und verlässt sich auf den Apparat des Ministeriums. Baerbock muss | |
das Thema endlich selbst in die Hand nehmen und sich dabei eng mit | |
denjenigen abstimmen, die europäische rechtsstaatliche Lösungen für Bosnien | |
auf den Tisch gelegt haben. Denn nur mit Akteuren der Zivilgesellschaft | |
finden wir den Ausweg aus dem bosnischen Dilemma und erreichen | |
Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Frieden. | |
15 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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