# taz.de -- Jamaikanische Serie „Get Millie Black“: Eine queerfeindliche Ge… | |
> Die Miniserie „Get Millie Black“ erzählt von Homophobie, Rassismus und | |
> Klassengesellschaft in Jamaika – und sprengt das klassische Krimi-Genre. | |
Bild: Ehrgeizig und taff: Kommissarin Millie Jean Black (Tamara Lawrence) | |
„Wollen Sie unseren Fall [1][kolonisieren]?“, fragt die schwarze, | |
jamaikanische Kommissarin Millie Jean Black (Tamara Lawrence) empört den | |
weißen Ermittler Luke Holborn (Joe Dempsie) von Scotland Yard, der ihr | |
unvermittelt zur Seite gestellt wird. | |
Die taffe Detektivin ist auf der Suche nach einem entführten Mädchen in der | |
jamaikanischen Hauptstadt Kingston, als der weiße Hauptverdächtige, Sohn | |
reicher Eltern, plötzlich als Zeuge nach Großbritannien ausgeflogen werden | |
soll, um dort in einem Mafia-Prozess auszusagen. Rassismus und | |
postkoloniale Hierarchien spielen in der HBO- und Channel 4-Co-Produktion | |
„Get Millie Black“ eine zentrale Rolle. | |
Der rasant inszenierte Fünfteiler stammt aus der Feder des jamaikanischen | |
Schriftstellers [2][Marlon James], der 2015 für seinen Roman „Eine kurze | |
Geschichte von sieben Morden“ über ein Attentat auf Bob Marley den | |
Booker-Prize erhielt. Das andere große Thema in Marlon James Romanen ist | |
queere Sexualität. Der Autor ist schwul und lebt in den USA, weil er in | |
Jamaika, wo Homosexualität verboten ist, für seine sexuelle Orientierung | |
eine langjährige Haftstrafe befürchten müsste. | |
„Get Millie Black“ erzählt neben der mitreißenden Crime-Story auch viel | |
über homophobe Gewalt in Jamaika und vom angespannten Verhältnis der | |
titelgebenden Kommissarin zu ihrer Transschwester Hibiscus (Chyna McQueen). | |
Millie Black wurde als Jugendliche nach Großbritannien geschickt, das | |
queere Geschwisterkind Orville, das nun Hibiscus heißt, wurde fortwährend | |
von der autoritären Mutter verprügelt. | |
Millies Rückkehr nach Jamaika nach dem Tod ihrer Mutter ist auch eine | |
Konfrontation mit familiären Traumata. In England hatte Millie Black bei | |
Scotland Yard gearbeitet und kehrte auch deshalb nach Jamaika zurück, weil | |
sie den strukturellen Rassismus in der britischen Polizeibehörde nicht mehr | |
ertrug. | |
Dass es in dem Fall, den sie nun untersucht und in den sich plötzlich ein | |
Scotland-Yard-Ermittler einmischt, dann auch noch um Menschenhandel zu | |
gehen scheint, bei dem Einwohner Jamaikas nach England verkauft werden, | |
macht sie wütend. | |
## Drastische Sex- und Gewaltszenen | |
„Get Millie Black“ sprengt das klassische Krimi-Genre. Unter der spannenden | |
und rasanten Handlung inklusive drastischer Sex- und Gewaltszenen verbirgt | |
sich auch ein unter die Haut gehendes Sozialdrama, in dem es um queere | |
Identität und die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse geht. | |
„Get Millie Black“ zeigt ungeschminkt und anklagend die Brutalität einer | |
zutiefst queerfeindlichen jamaikanischen Gesellschaft. Erzählt wird auch | |
von der knallharten Klassengesellschaft Jamaikas mit heruntergekommenen | |
Innenstadtvierteln, Nachtclubs, Gangkriminalität und Obdachlosen. Dem | |
gegenüber stehen die schicken Viertel der zum Teil auch weißen Oberschicht. | |
Als Millie dort ermittelt, wird sie schnell von ihrer Vorgesetzten | |
zurückgepfiffen. Doch die Geschichte um vermisste Mädchen, Menschenhandel | |
und mafiöse Strukturen, die von der Elite Kingstons bis in Londoner | |
Polizeikreise reichen, eskaliert. | |
## Kämpferische antirassistische Serie | |
Ein Stück weit konterkariert die Serie auch die seit über einem Jahrzehnt | |
erfolgreiche BBC-Krimi-Serie „Death in Paradise“, die hierzulande auf | |
ZDFneo läuft. | |
Die stets weißen Ermittler in der auf einer fiktiven Karibikinsel | |
angesiedelten Serie werden darin von schwarzen, untergebenen Polizeibeamten | |
regelmäßig mit „Sir“ angesprochen, was in Großbritannien immer wieder zu | |
heftiger Kritik wegen des strukturellen Rassismus in der Darstellung dieser | |
postkolonialen Gesellschaft führte. | |
„Get Millie Black“ ist hingegen eine geradezu kämpferisch antirassistische | |
Serie. Absolut sehenswert. | |
4 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Florian Schmid | |
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