# taz.de -- Italo-Krimi „Rocco Schiavone“: Der Stinkstiefel | |
> Der italienische Ermittler Rocco Schiavone hat nicht wirklich Bock auf | |
> seinen Job, er arbeitet trotzdem. Sein Lebensstil erinnert an alte | |
> Machthaber. | |
Bild: Ermittler Rocco Schiavone hat kriminelle Freunde und arbeitet auch mal in… | |
Der aktuelle Wochenendkrimi lenkt und drängt zum Thema Ironie. 2016 | |
formulierte der italienische Abgeordnete Maurizio Gasparri eine | |
parlamentarische Anfrage zu der TV-Serie „Rocco Schiavone“ und betrieb | |
deren Absetzung, denn die Titelfigur gebe ein schlechtes Vorbild ab. | |
Schiavone raucht unablässig, gern auch mal einen Joint. Den Stoff zweigt er | |
aus polizeilichen Beständen ab. Schiavone besitzt eine | |
Straßenkötermentalität, zählt Kriminelle zu seinen engsten Freunden, nimmt | |
die Dienste von Prostituierten in Anspruch und vermittelt sie bisweilen an | |
andere. Er verhält sich also ein bisschen wie die Kerle, die | |
[1][gerüchteweise von Silvio Berlusconi] zu freizügigen Privatpartys | |
eingeladen wurden. | |
Unter dem populistischen Regierungschef Berlusconi war der Abgeordnete | |
Gasparri bis 2005 Kommunikationsminister. Berlusconi besitzt mehrere | |
kommerzielle Fernsehsender. „Rocco Schiavone“ läuft im | |
öffentlich-rechtlichen Sender Rai. | |
Das deutsche Erste zeigt nun Rocco Schiavone unter dem Titel „Der Kommissar | |
und die Alpen“. Die zweite Lektion in Sachen Ironie. Es gehört zu den | |
Running Gags der Serie, dass Schiavone fälschlich mit „Commissario“ | |
angesprochen wird. Er beharrt darauf, er sei „Vice Questore“. Aber | |
zugegeben: „Der stellvertretende Kriminaldirektor und die Alpen“ hätte arg | |
klumpig geklungen. | |
## Differenzierung zwischen den Flüchen | |
„Das gute Leben“ ist der zweite Film der zweiten Staffel. Schiavone | |
versieht widerwillig seinen Dienst im felsumschlungenen Aosta. Die | |
Geschichte seiner Strafversetzung erzählt die Folge „Ein Tag im Juli“, die | |
in der ARD-Mediathek nachgeholt werden kann. Sie liefert zugleich die | |
Erklärung für Schiavones chronischen Verdruss, der allerdings in der | |
deutschen Synchronfassung überzogen wirkt. | |
Der Hauptdarsteller Marco Giallini wird von Klaus-Dieter Klebsch | |
gesprochen, der auch dem [2][Ekelpaket Dr. House aus der gleichnamigen | |
Serie] die Stimme lieh. Nicht unpassend, aber Giallini selbst artikuliert | |
denn doch ein bisschen differenzierter zwischen all den Flüchen und | |
Injurien, die er ständig von sich gibt. Dieses Stinkstiefelverhalten | |
ermüdet beim Zuschauen mit der Zeit, wie auch die permanent herausgestellte | |
Dumpfheit einiger Untergebener, die erzähltechnisch nur karge Ernte | |
einbringt. | |
Muss man Maurizio Gasparri am Ende recht geben? I wo! Gasparri nahm die | |
Fiktion nicht als solche, kritisierte sie auch nicht handwerklich, sondern | |
ideologisch und, das ist freilich eine Unterstellung, vielleicht nicht frei | |
von politischen Motiven. | |
14 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://Berlusconi%20steigt%20ein | |
[2] /Rollenvorbild-Soap-Opera/!5137467/ | |
## AUTOREN | |
Harald Keller | |
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