| # taz.de -- Kult-Krimiserie „Liebling Kreuzberg“: Hier wird nicht gemordet | |
| > Die Kult-Serie „Liebling Kreuzberg“ zeigt das raue Westberlin kurz vor | |
| > der Wende. Kiezanwalt Liebling muss sich dort mit Kleinganoven | |
| > rumschlagen. | |
| Bild: Manfred Krug im der Serie Liebling Kreuzberg, Folge „Der Beschützer“ | |
| Sie werden’s schon vergangene Woche gemerkt haben: Die | |
| Saure-Gurken-Wochenendkrimi-Phase, aka. „Sommer“, hat dieses Jahr früher | |
| angefangen, [1][der EM sei Dank]. Aber gute Nachrichten, Leute: Zumindest | |
| an diesem Wochenende haben die Sender das ganz große Besteck ausgepackt. | |
| Will sagen: Es gibt vergleichsweise wirklich guten Ersatz aus der Konserve | |
| („Ein Fisch namens Wanda“, „Unbroken“, nur mal als Zuruf). | |
| Allen voran: „Liebling Kreuzberg“ – zwei Folgen hat der RBB ins Programm | |
| gepackt. Und zwar ganz frühe: erste Staffel, Folge 3 und 4, „Der | |
| Beschützer“ und „Doppeleinsatz“. Das meint auch: Ein Hauptdarsteller ist | |
| [2][ganz klar Westberlin], 1986. Zwischen der Kanzlei am Landwehrkanal, dem | |
| Grunewald, wo seine Ex-Frau mit Tochter wohnt, Leuschnerdamm weiter östlich | |
| in Kreuzberg. Und immer wieder die Mauer, und wenn’s nur ist, um dran | |
| vorbeizufahren. „Deutsche Wertarbeit“, sagt Robert Liebling einmal, und | |
| klopft auf die Wand voller Graffiti, unterwegs zu einem Klienten. | |
| Wahrscheinlich muss man „Liebling Kreuzberg“ mittlerweile erklären. | |
| Mittendrin Liebling, gespielt vom unschlagbaren Manfred Krug, neun Jahre | |
| nach seiner Ausreise [3][aus der DDR], ist Kiez-Anwalt mit Hang zu | |
| Wackelpudding (lieber den roten), knittrigem Anzug und ebenso | |
| rumpelig-sanftem Auftreten. | |
| ## Kleinganoven statt Mörder | |
| Statt typischer Mordfälle gibt’s eine betrügende Buchhalterin, einen | |
| Kleinganoven, der aus Versehen zwei Polizisten mit vorgehaltener Pistole zu | |
| Hause an sein Sofa kettet. Und einen Todesfall: in „Der Beschützer“, zwei | |
| Minuten vor Schluss. Die Story: Einer hat einen anderen angeblich mit einer | |
| Eisenstange verprügelt. Die Männer heißen Ismail und Orhan, im gängigen | |
| Alltagsrassismus zusammengeschrumpft auf Vornamen oder „die Orientalen“. | |
| Immerhin sagt Liebling auch: „Was wissen wir schon vom islamischen | |
| Ehrenkodex“. | |
| Es liegt auch an Jurek Beckers Dialogen, dass „Liebling Kreuzberg“ bis | |
| heute eine derartige Wucht entfalten kann. Krug sagte einmal – es muss wohl | |
| in einer Doku über Becker gewesen sein, lange her, aber immer hängen | |
| geblieben, also ungefähr – dass Jurek Becker Filmdialoge so einzigartig | |
| schreiben könne, dass er als Schauspieler nie das Gefühl habe, beim | |
| Sprechen knistere ihm Papier zwischen den Zähnen. | |
| Schon für die dritte Folge – also „Der Beschützer“ – gab’s 1987 den | |
| Grimme-Preis in Gold für Regisseur Heinz Schirk, Jurek Becker und Manfred | |
| Krug. Auch das zeigt noch einmal deutlich, wie krass diese Serie war. | |
| Obendrein spielt gefühlt das halbe Stammensemble von „Drei Damen vom Grill“ | |
| mit, jene andere große 1980er-Westberlinserie mit Brigitte Grothum als | |
| Lieblings Ex-Frau, Manfred Lehmann als Kleinganove mit dem | |
| 1-a-Kleinganovennamen Rudi Dreibaum. Ab Staffel 2 komponierte kein | |
| Geringerer als Klaus Doldinger die Musik und ab 1994 schrieb Ulrich | |
| Plenzdorf das Drehbuch. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen | |
| lassen. | |
| Und im Grunde ist das Ganze sowieso eine einzige Liebesgeschichte: zwischen | |
| Jurek Becker, der die Serie erfunden hat und die Drehbücher schrieb, und | |
| Manfred Krug. (Empfehlung dazu: das [4][Postkartenbuch] „Neuigkeiten an | |
| Manfred Krug und Otti“. | |
| Okay, eine herrliche Fußballguckszene gibt’s auch, Liebling im Bademantel | |
| auf dem Sofa, dann klingelt sein Nachbar, braucht juristischen Rat. „Wer | |
| spielt denn?“, fragt der. – Liebling: „Frag nicht so dämlich, interessie… | |
| dich doch sowieso nicht.“ | |
| 29 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anne Haeming | |
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