# taz.de -- Rücktritt des Grünen-Vorstands: Partei ist wichtiger als Macht | |
> Am Mittwoch ist der Parteivorstand der Grünen zurückgetreten. Wird es mit | |
> Personal aus der zweiten Reihe besser? | |
Bild: Die Grünen-Spitze zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wa… | |
Omid Nouripour ist Fan von Eintracht Frankfurt und erzählt das jedem, der | |
es nicht hören will. Versuchen wir es [1][am Tag, an dem er und Ricarda | |
Lang ihren Rücktritt vom Grünen-Vorsitz angekündigt haben], also mit einer | |
Fußball-Metapher: Im Frühjahr 2016 entließ die Eintracht nach sieben | |
sieglosen Spielen ihren Trainer Armin Veh, es übernahm Niko Kovač und der | |
Schuss saß. Am Saisonende stand der Klassenerhalt und zwei Jahre später der | |
Gewinn des DFB-Pokals. Meistens aber führen Verzweiflungstaten im | |
Abstiegskampf in die andere Richtung. 2001 schmissen die Hessen Felix | |
Magath raus, mit dem Nachfolger ging es trotzdem in Liga 2. | |
Wenig spricht dafür, dass es für die Grünen durch ihren Personalwechsel | |
anders läuft. Natürlich gab es am Parteivorstand fundierte Kritikpunkte: | |
Die Kampagne zur Europawahl war langweilig. Wofür Nouripour inhaltlich | |
steht, weiß niemand. Und Lang hat zwar ein klares sozialpolitisches Profil, | |
vermochte es aber auch nicht, damit gegen das Klischee der | |
Gutverdienerpartei durchzudringen. | |
Einwände dieser Kategorie ließen sich aber genauso gegen das übrige grüne | |
Spitzenpersonal finden. Manchmal scheitert das reibungslose Regieren der | |
Ampel an nörgelnden Grünen-Abgeordneten. Haben die Fraktionschefinnen ihren | |
Laden nicht im Griff? In der Bevölkerung hängt den Grünen weiterhin | |
[2][Habecks Heizungsgesetz] nach. Ist der Vizekanzler eine Bürde? Man | |
könnte das Personaltableau reihum auf solche Makel abklopfen, helfen würde | |
es auch nicht. Das Problem der Grünen sind nicht primär die Köpfe, und | |
Wähler*innen werden nicht zurückkehren, nur weil in der Parteizentrale | |
künftig jemand anderes aus der zweiten Reihe sitzt. | |
## Deutschland muss transformiert werden | |
Das [3][größte Problem für grüne Politik sind die Umstände]: Das Land muss | |
transformiert werden. Die Menschen haben vor lauter Krisen aber keine Lust | |
darauf, verändert zu werden. Bewegen lassen sie sich höchstens, wenn die | |
Härten gut abgefedert werden. Dafür braucht es aber Geld aus neuen Steuern | |
oder Krediten, die es in dieser Koalition nicht geben wird. | |
„Jetzt ist nicht die Zeit, am eigenen Stuhl zu kleben“, sagte Lang am | |
Mittwoch. Der Rücktritt als Symbol, das [4][die Kehrtwende einleiten] soll, | |
könnte aber schnell verpuffen. Viel mächtiger wäre der radikalere Schritt: | |
Die Grünen verlassen die Regierung. Sie senden damit die Botschaft, dass | |
der Partei als Ganzes die Sache wichtiger ist als die Macht. Und sie | |
stellen ihr Angebot, mit dem sie in der Ampel nicht durchkommen, ein Jahr | |
früher als geplant neu zur Abstimmung. Dadurch könnte viel eher ein | |
Momentum entstehen als durch den Personalwechsel. | |
Ein Risiko im aktuellen politischen Klima? Natürlich. Ein | |
[5][Koalitionsbruch] könnte auch schiefgehen, bei Neuwahlen könnten die | |
Grünen weiter schrumpfen. Die Union regiert hinterher mit der SPD und | |
Friedrich Merz lässt von der Schuldenbremse trotzdem nicht ab. Aber dass | |
die Grünen all das bei regulären Wahlen in einem Jahr abwenden und ihren | |
Abwärtstrend stoppen, ohne ans Grundproblem zu gehen – das ist auch eine | |
gewagte Wette. | |
25 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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