# taz.de -- Mögliche Kandidaten für Grünen-Vorsitz: Zwei Linke und die Super… | |
> Vier Grüne werden als Nachfolger:innen für Lang und Nouripour | |
> gehandelt. Tarek Al-Wazir will nicht. Und die anderen? | |
Bild: Franziska Brantner (Grüne) bei der 187. Bundestagssitzung am 25. Septemb… | |
Stuttgart/Bochum/Berlin taz | Nach dem angekündigten Rücktritt der | |
Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour fallen immer wieder | |
vier Namen von möglichen Nachfolgekandidat:innen. Im Rennen sein | |
sollen demnach Franziska Brantner, parlamentarische Staatssekretärin im | |
Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz; der einstige | |
NRW-Landesvorsitzende Felix Banaszak, der Berliner Bundestagsabgeordneten | |
Andreas Audretsch; und der einstige hessische Wirtschaftsminister Tarek | |
Al-Wazir. | |
Al-Wazir jedoch [1][sagte der taz], dass er nicht Bundesvorsitzender werden | |
wolle: „Das ist nichts, worüber ich nachdenke.“ | |
Aber wer sind die anderen drei? | |
## Franziska Brantner: Superreala mit internationaler Erfahrung | |
Es war der 5. Februar 2020. Wenige Stunden vorher hatte sich FDP-Mann | |
[2][Thomas Kemmerich] mit Stimmen der AfD [3][zum Ministerpräsidenten von | |
Thüringen Wählen lassen]. Da knöpfte sich Franziska Brantner Wolfgang | |
Kubicki (FDP) bei einem Empfang im Bundestag vor laufenden Kameras vor: | |
„Wenn mein Ministerpräsident von der AfD gewählt worden wäre, dann würde | |
ich mich zugrunde schämen, da würde ich heulen“, wetterte die Grüne, | |
Kubicki konnte nur Floskeln entgegenhalten. | |
Es ist ein eher untypischer Auftritt für Franziska Brantner, heute 45, | |
Südwestgrüne vom Realoflügel, die sonst fast immer kontrolliert und | |
rational, aber durchaus energisch auftritt. Dabei zeigt der Ausbruch von | |
damals: Brantner kann auch emotional. Das könnte ihr helfen, auch das Herz | |
ihrer Grünen Partei zu erreichen, falls wahr wird, was das politische | |
Berlin gerade tuschelt: dass sie eine von zwei grünen Parteivorsitzenden | |
werden könnte. | |
2022 liebäugelte Brantner schon einmal mit dem Amt, ließ dann aber der | |
parteilinken Baden-Württembergerin Ricarda Lang den Vortritt und ging als | |
parlamentarische Staatssekretärin in das Wirtschaftsministerium von Robert | |
Habeck. Dort gilt sie als Aktivposten, die das unbedingte Vertrauen des | |
Ministers hat. | |
Sie nutzt ihre internationale Erfahrung als frühere EU-Abgeordnete, [4][um | |
Ceta, das Handelsabkommen mit Kanada, zu retten] und weltweit für die | |
Deutschland Rohstoffe zu sichern. Gleichzeitig kann sie auch kundige Fragen | |
bei Start-ups zu Informationssicherheit oder Quantencomputern stellen und | |
das in gleich drei Sprachen. Französisch und Englisch perfektionierte sie | |
im Studium in Paris und New York. Spanisch lernte sie dagegen, als ihr kurz | |
vor der Promotion alles zu viel wurde und sie ein paar Monate zum | |
Tangotanzen nach Buenos Aires in Argentinien ging, wie sie erzählt. | |
Brantner ist bei den Grünen bundesweit und kommunal gut vernetzt. Auf dem | |
letzten Bundesparteitag zog sie im Hintergrund die Fäden, damit ein | |
pragmatischer Parteitagsbeschluss zur Flüchtlingspolitik möglich wurde. Als | |
Superreala lässt sie keinen Zweifel dran, dass sie für klare Restriktionen | |
an der Grenze ist und ihre Partei endlich mit dem Ideal der offenen Grenzen | |
für nahezu alle brechen muss – und ist damit voll auf der Linie eines | |
anderen Realos: Ministerpräsident Winfried Kretschmann. | |
Bis 2013 war Brantner mit Boris Palmer liiert, die beiden haben zusammen | |
eine Tochter im Teenageralter. Deshalb hat sie sich bisher aller Kommentare | |
[5][zu Palmers Streit mit der eigenen Partei] enthalten. Inzwischen hat der | |
bisweilen aufsässige Tübinger Oberbürgermeister die Partei verlassen. Auch | |
das könnte Brantner die Entscheidung für eine Kandidatur erleichtern. | |
## Felix Banaszak: ein Parteilinker aus NRW | |
Als ein möglicher Kandidat der Parteilinken für den grünen | |
Bundesparteivorsitz wird Felix Banaszak gehandelt. Denn der Duisburger | |
Bundestagsabgeordnete hat das erreicht, wonach sich die Grünen gerade am | |
meisten sehnen: Erfolg. | |
Zusammen mit der heutigen stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Mona | |
Neubaur führte Banaszak die Grünen 2018 als Co-Landeschef. Gemeinsam fuhren | |
die beiden mit 18,2 Prozent das beste Landtagswahlergebnis ein, das die | |
Grünen an Rhein und Ruhr jemals erreicht haben. | |
Zuvor hatte der heute 34-Jährige bereits eine lange Parteikarriere | |
hingelegt: 2009, im Jahr seines Abiturs, wurde er Grünen-Mitglied. Schon | |
während seines mit einem Bachelor abgeschlossenen Studiums von Sozial- und | |
Kulturanthropologie und Politikwissenschaft in Berlin arbeitete Banaszak | |
für den späteren Berliner Justizsenator Dirk Behrendt. 2011 wurde er | |
Beisitzer, 2012 politischer Geschäftsführer der Grünen Jugend – und 2013 | |
dann deren Bundesvorsitzender. | |
Nach seiner Rückkehr nach NRW leitete er das Büro der Europaabgeordneten | |
Terry Reintke und Sven Giegold, wurde 2016 Sprecher des grünen | |
Kreisverbands seiner Heimatstadt Duisburg. Zwar scheiterte er bei der | |
Bundestagswahl 2017. Doch 2018 wählten die NRW-Grünen ihn zu ihrem | |
Landeschef – Banaszak blieb dies bis 2022. | |
Bereits 2021 war dem verheirateten Vater einer Tochter über Platz 6 der | |
Landesliste der Sprung ins Bundesparlament gelungen. Banaszak, der „in | |
Duisburg und Berlin“ lebt, ist damit auf allen Ebenen der Partei bestens | |
vernetzt. In der grünen Bundestagsfraktion betreut der Rennradfahrer, | |
dessen Unterlippenpiercing in den vergangenen Jahren verloren ging und der | |
immer öfter Jackett statt T-Shirt trägt, die Themen Industriepolitik und | |
Energiewirtschaft – und kämpft deshalb leidenschaftlich für die Umstellung | |
der Duisburger Stahlwerke von Thyssenkrupp auf klimaneutralen Wasserstoff. | |
Doch Banaszak denkt längst auch strategisch über die Grundlagen eines | |
grünen Erfolgs bei den nächsten Bundestagswahlen nach. Wie Vizekanzler | |
Robert Habeck, dessen Wirtschaftsministerium er für seine Fraktion im | |
Bundestagshaushaltsausschuss betreut, empfiehlt er seiner Partei, in die | |
„Merkel-Lücke“ zu stoßen, die CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit sein… | |
Rechtsruck für Wähler:innen der Union gerissen habe. | |
Merz wirke wie „wie die fleischgewordene Bonner Republik“, stehe für „die | |
Konzepte der 1990er Jahre“, schrieb Banaszak erst in der vergangenen Woche | |
in seinem Newsletter, den er mehrmals im Monat an Parteifreund:innen | |
und Journalist:innen verschickt. | |
Die Bundesrepublik brauche keine Verengung aller „Herausforderungen unserer | |
Zeit auf ein Thema – die Migration“, analysierte der Parteilinke darin. Das | |
Land müsse vielmehr „darüber sprechen, wie es in Zeiten grundlegender | |
geopolitischer und geostrategischer Verschiebungen wirtschaftliche | |
Resilienz schaffen und sich außen- wie sicherheitspolitisch robust | |
aufstellen“ könne. | |
Nötig sei außerdem eine „ökologisch ambitioniertere“, aber „sozial ger… | |
und ökonomisch pragmatisch ausgestaltete“ Klimapolitik, wirb Banaszak – und | |
macht seinen im Umfragetief steckenden Parteifreund:innen mit Blick auf | |
die im kommenden Jahr anstehende Bundestagswahl Mut: „Zu all diesen Fragen | |
sind Friedrich Merz und seine Union weitgehend blank“, findet er – und wenn | |
das so bleibe, „können und sollten wir die Leerstelle füllen, die die | |
Nach-Merkel-Union lässt“. | |
## Andreas Audretsch: ein Linker aus Neukölln | |
Im Gespräch für den Vorsitz ist laut Spiegel auch der Berliner | |
Grünen-Abgeordnete und Vize-Fraktionschef Andreas Audretsch. Er wird | |
ebenfalls dem linken Parteiflügel zugerechnet. | |
Audretsch ist wie Banaszak erst 34 Jahre alt. Und er stammt wie Franziska | |
Brantner aus Baden-Württemberg. In Stuttgart geboren, zog er schon als | |
Student nach eine Zwischenstation in Münster nach Berlin – genauer gesagt | |
in den Stadtteil Neukölln, wo er sich seit 2011 im Kreisverband der Grünen | |
engagierte. | |
Er arbeitet zunächst als Hörfunkjournalist, dann als Sprecher für | |
verschiedene Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. | |
Bei der Bundestagswahl 2021 kam er als Wahlkreiskandidat in Neukölln zwar | |
nur auf Platz 2, zog aber über die Landesliste ins Parlament ein. Dort | |
vertritt er seine Partei vor allem im Ausschuss für Arbeit und Soziales. | |
Seit 2022 ist er einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. | |
Er engagiert sich vor allem für [6][mehr Klimaschutz, etwa durch den Ausbau | |
der Solarindustrie], oder [7][soziale Gerechtigkeit, zum Beispiel durch die | |
Kindergrundsicherung]. | |
25 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://x.com/SabineamOrde/status/1838910346683175379 | |
[2] /Die-FDP-im-Thueringer-Wahlkampf/!6030259 | |
[3] /Die-FDP-und-Thueringen/!5658334 | |
[4] /Staatssekretaerin-Brantner-zu-Ceta/!5894002 | |
[5] /Boris-Palmer-bei-den-Freien-Waehlern/!5973960 | |
[6] /Gruener-Fraktionsvize-ueber-Solarindustrie/!5987293 | |
[7] /Gruenen-Fraktionsvize-zum-Haushaltsstreit/!5918143 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
Benno Stieber | |
Gereon Asmuth | |
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