# taz.de -- Konflikt um Nachverdichtung: Ein paar Büsche reichen nicht | |
> In Pankow geht der Konflikt um die „Grünen Höfe“ weiter. | |
> NaturschützerInnen kritisieren ungenügende Ausgleichsmaßnahmen für den | |
> Verlust von Habitaten. | |
Bild: Die AnwohnerInnn fühlen sich beobachtet – zu Recht | |
Berlin taz | „1.000.000 €“ – diese Zahlen, auf große Pappen gemalt, h�… | |
am Mittwochmorgen an dem Bauzaun, der den baumbestandenen Hof an der | |
Pankower Ossietzkystraße von den umliegenden Gebäuden abschirmt. „Das ist | |
unser Eine-Million-Euro-Zaun“, sagt Grit Bürgow, die sich im Rahmen der | |
Bürgerinitiative „Grüner Kiez“ [1][gegen die Bebauung der Fläche durch d… | |
landeseigene Gesobau einsetzt]. | |
Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft hat den Zaun vor fast genau einem | |
Jahr errichtet, damit die AnwohnerInnen die geplanten Fällungen dutzender, | |
teilweise alter Bäume nicht unterlaufen können. Denn das Unternehmen will | |
hier zwischen die Bestandgebäude zwei Blöcke mit fast 100 Wohnungen bauen. | |
Der „Grüne Kiez“ kämpft seit Jahren nach Kräften für den Erhalt der Bä… | |
Wiesen und Spielgelegenheiten. | |
So horrend teuer ist der Zaun nicht etwa, weil er aus Edelmetall besteht, | |
sondern weil mehrere Wachschützer seit einem Jahr rund um die Uhr auf ihn | |
aufpassen. „Es gibt Videokameras, damit die Sicherheitsleute den Bereich | |
ständig im Auge haben“, sagt Initiativensprecherin Britta Krehl. „Das ist | |
belastend, wir fühlen uns überwacht.“ Ihre Mitstreiterin Julia Dimitroff | |
spricht von einem Verlust an Privatsphäre. „Anfangs hatten sie sogar Hunde | |
dabei“, berichtet sie. | |
## Karte aus dem Ärmel | |
Die taz hat [2][schon mehrfach] über [3][den Konflikt] berichtet, der 2019 | |
seinen Anfang nahm, als die Gesobau ihre Baupläne vorstellte. Nachdem die | |
BVV Pankow die AnwohnerInnen unterstützte und das Bezirksamt im Jahr 2021 | |
die Aufstellung eines „Klima-Bebauungsplans“ beschloss, der eine derart | |
massive Nachverdichtung verhindert hätte, zog das Unternehmen eine | |
unerwartete Karte aus dem Ärmel: Es beantragte beim Senat die Errichtung | |
einer Geflüchtetenunterkunft, für die Sonderbaurecht gilt. An Art und | |
Volumen der Gebäude änderte sich nichts. | |
Für die Initiative, die großen Rückhalt in Pankow genießt und sich | |
ausdrücklich gegen Versuche einer Vereinnahmung von rechts wehrt, ist das | |
eine trickreiche Instrumentalisierung. Bislang konnte sie die Fällungen mit | |
der Unterstützung von Naturschutzverbänden verhindern, die Beschwerden | |
wegen mangelhaften Artenschutzes eingelegt haben. Aktuell gilt ein | |
Rodungsstopp, den das Verwaltungsgericht im vergangenen Februar verfügt hat | |
– mit der Auflage an die Gesobau, Ersatzquartiere und Nistmöglichkeiten für | |
Vögel und Fledermäuse zu schaffen. | |
Laut Caroline Seige von den NaturFreunden Berlin und Antje Stavorinus von | |
der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) können aber die | |
mittlerweile auf der Vorderseite der Gebäuderiegel gepflanzten Büsche und | |
die an den Gebäuden und auf Pfosten angebrachten Fledermauskästen den | |
Habitatverlust in den beiden Hofanlagen bei Weitem nicht kompensieren. | |
Tatsächlich handelt es sich bei den Büschen bislang um kleine Pflänzchen | |
mit wenigen Zweigen. „Diese Heckenstrukturen hätten viel früher angelegt | |
werden müssen, denn viele Vogelarten benötigen dichtes Gebüsch zum Schutz“, | |
sagt Seige. | |
Die Verbände behalten sich deshalb eine Klage vor, sollte das Bezirksamt | |
die Maßnahmen als ausreichend bewerten. Sie haben auch eine eigene | |
ornithologische Expertise verfasst, nachdem ein von der Gesobau | |
beauftragter Gutachter nur wenige Vögel wie Spatzen und Krähen beobachtet | |
haben wollte. Tatsächlich habe man in den Höfen 25 Arten gezählt – darunter | |
Kleiber, Rotkehlchen oder Gartenrotschwanz –, deren Reviere | |
unwiderbringlich zerstört würden. | |
## Ein Exempel für Gaebler | |
Auf den Senat können die AnwohnerInnen jedenfalls nicht mehr setzen: | |
Bausenator Christian Gaebler (SPD) hat schon lange auf stur gestellt. Für | |
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, die die | |
PankowerInnen im Rahmen ihres Engagements für das „Bündnis Klimastadt | |
Berlin 2030“ unterstützt, will Gaebler am „Grünen Kiez“ ein Exempel | |
statuieren. Er habe den Fall auch immer wieder als Negativbeispiel | |
herangezogen, um für [4][sein „Schneller-Bauen-Gesetz“] zu werben. | |
Einer der letzten Strohhalme war die wiederholte Bitte an den Regierenden | |
Bürgermeister, sich der Sache anzunehmen. Von dem bekam die Initiative | |
kürzlich Post. Er wolle der Initiative seine „Anerkennung für das | |
bemerkenswerte Engagement“ aussprechen, schrieb Kai Wegner, es sei „ein | |
wertvoller Bestandteil des Zusammenlebens in Berlin“. Er habe „großes | |
Verständnis für das Anliegen“, das Land stehe jedoch vor der „historischen | |
Herausforderung“, Wohnraum zu schaffen. | |
Die Gesobau habe ihm „glaubhaft versichert, dass die geplanten | |
umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen dazu verhelfen werden, ein angenehmes | |
Wohnumfeld zu wahren und neue ökologische Qualitäten zu schaffen“, so | |
Wegner weiter. Er bitte deshalb um Verständnis, „dass ich Ihnen keine | |
Unterstützung in Aussicht stellen kann“. | |
25 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gruene-Hoefe-Pankow/!5992014 | |
[2] /Umstrittenes-Bauprojekt-in-Pankow/!5915742 | |
[3] /Neubauprojekt-der-Gesobau-in-Pankow/!5948103 | |
[4] /Senat-beschliesst-Gesetz-zum-Wohnungsbau/!6028375 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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