# taz.de -- Neubauprojekt der Gesobau in Pankow: Baubeginn unter falscher Flagge | |
> Weil die Gesobau mit einem Projekt in der Pankower Ossietzkystraße am | |
> Bezirk scheiterte, griff sie zu einem Trick. Ab Herbst könnte der Bau | |
> beginnen. | |
Bild: Darf nicht weichen, finden die AnwohnerInnen: Baum in den „grünen Höf… | |
BERLIN taz | Das umstrittene Bauvorhaben der landeseigenen Gesobau in zwei | |
Höfen an der Pankower Ossietzkystraße soll offenbar noch in diesem Herbst | |
begonnen werden. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen auf [1][zwei] [2][Anfragen] des | |
Linken-Abgeordneten Steffen Zillich hervor. Darin heißt es, es laufe | |
aktuell eine „Angebotsanfrage“ der Wohnungsbaugesellschaft für die | |
Generalübernahme des Projekts. Das heißt, dass die Planung und die | |
Baumaßnahmen für die beiden Gebäude mit 99 Wohnungen an ein Unternehmen | |
vergeben werden. „Die Bezuschlagung soll im 3. Quartal 2023 erfolgen“, | |
teilt die Verwaltung von Senator Christian Gaebler (SPD) mit. | |
Umstritten ist das Projekt, weil der Senat [3][die Baugenehmigung dafür am | |
Bezirksamt vorbei erteilt hat] – durch die Nutzung einer temporären | |
Sonderbestimmung des Baugesetzbuchs zu Sammelunterkünften für Geflüchtete. | |
Empört sind insbesondere viele AnwohnerInnen. Nicht nur, weil die Häuser | |
mitten in die weiträumigen, baumbestandenen Höfe gesetzt werden sollen, | |
sondern auch wegen der Vorgeschichte: Die Gesobau hatte schon 2019 einen | |
fast identischen Bauantrag gestellt, damals aber für reguläre Wohngebäude. | |
Das Bezirksamt hatte dies unter Verweis auf die auch in Pankow ausgerufene | |
Klimanotlage und die Notwendigkeit des Erhalts unversiegelter Flächen | |
abgelehnt. | |
Dem lag auch eine Beteiligung der Bevölkerung zugrunde. Aus der Sicht | |
vieler Anwohnenden sind die „grünen Höfe“ ein notwendiges Element der in | |
den 1950ern vom Nationalen Aufbauwerk der DDR errichteten Siedlung, das den | |
notwendigen Ausgleich für die relativ kleinen Wohnungen schafft. Umso | |
größer war die Zustimmung für den „Klima-Bebauungsplan“ des Bezirksamts | |
2021, der höchstens eine kleinteiligere Bebauung ermöglicht hätte. | |
Mit der Umgehung der Bezirks- durch die Landesebene ist dieser B-Plan | |
Makulatur. Widerspruch ist gegen die Baugenehmigung nicht möglich, | |
allerdings sind beim Verwaltungsgericht zwei Klagen von Eigentümern aus | |
angrenzenden privaten Gebäuden anhängig. | |
Seit dem vergangenen Jahr schon laufen AnwohnerInnen gegen die Entscheidung | |
Sturm. Die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow lädt fast jeden Sonntag zu | |
Protest- und Kulturveranstaltungen ein. Unterstützt werden sie von vielen | |
prominenten PankowerInnen aus der Kulturszene. Kein Interesse haben sie | |
dagegen an einer Unterstützung durch die AfD oder andere rechte | |
Gruppierungen, wie Julia Dimitroff von der Initiative betont: „Es gab da | |
schon False-Flag-Actions, bei denen angeblich in unserem Namen Flyer | |
verteilt wurden, auf denen Stimmung gegen die Geflüchteten gemacht wurde.“ | |
## BürgerInnen erkennen Kalkül | |
Dimitroff sagt, sie könne sich gut erinnern, dass die AfD vor einigen | |
Jahren in der BVV für die ursprünglich geplante Bebauung gestimmt habe. | |
„Erst als es Flüchtlingsunterkünfte werden sollten, waren sie – zack! – | |
dagegen.“ Sie sieht ein Kalkül von Gaebler und seinem Vorgänger Andreas | |
Geisel darin, dass durch die Umwidmung Kritik am Bauvorhaben diskreditiert | |
wird: Auch Teile der Linken etwa hätten sich mit einer Unterstützung des | |
Protests schwergetan. „Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn | |
dann die AfD rumgeht und einsackt. Das ist zynisch, dumm und gefährlich.“ | |
Dass der Linke Zillich die Anfragen gestellt hat (unter dem Titel | |
„Zerstörung der grünen Innenhöfe an der Kavalierstraße. Gesobau brüskiert | |
Bürgerschaft und bezirkliche Planungen mit Senatshilfe“), zeigt, dass es | |
durchaus politische Unterstützung aus dem demokratischen Spektrum gibt. | |
Zillich ist derzeit im Urlaub, auf taz-Anfrage kommentierte | |
Fraktionssprecher Thomas Barthel den Vorgang so: „Wir finden es | |
problematisch, wie die Entscheidung des Bezirks gegen eine Nachverdichtung | |
ausgehebelt wurde. Indem sich der Senat damit auch über die Beteiligung der | |
Bevölkerung hinwegsetzt, erweist er der Integration Geflüchteter einen | |
Bärendienst.“ | |
Auch die Bürgerinitiative prüft derzeit mit dem BUND die Möglichkeit einer | |
Verbandsklage, unter Verweis auf den ökologischen Schaden, den eine | |
Bebauung anrichten würde. Sollte der Rechtsweg nicht fruchten, müssten sich | |
die Menschen an der Ossietzky- und Kavalierstraße auf Sägen und Bagger | |
einstellen: Ab Oktober erlaubt das Bundesnaturschutzgesetz wieder | |
Baumfällungen, dann könnten als erstes 36 (laut Gesobau) oder 50 (nach | |
Zählung der Initiative) der rund 170 Bäume auf dem Gelände verschwinden. | |
## Nach Nutzung Abriss? | |
Was mit den Gebäuden geschieht, wenn die Nutzung als Geflüchtetenunterkunft | |
endet – und damit die aktuell geltende Grundlage für die Baugenehmigung | |
erlischt –, beschreibt die Senatsverwaltung im Übrigen so: „Grundsätzlich | |
ist die Rückbauverpflichtung ein Teil des Sonderbaurechts. Diese greift | |
dann, wenn eine unzulässige Anschlussnutzung nach Auslaufen des | |
Sonderbaurechts realisiert wird.“ | |
Was das konkret bedeutet, ist offen. Dass ein massiv (und nicht etwa aus | |
Containern oder ähnlichen Modulen) errichtetes Wohngebäude einfach wieder | |
abgerissen wird, erscheint kaum vorstellbar. Der Mietvertrag mit dem | |
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten beträgt 5 Jahre, eine Verlängerung | |
ist möglich. Im Anschluss hätte die Gesobau ein Wohngebäude, das sie zu | |
regulären Konditionen vermieten kann – ganz wie anfangs geplant. | |
2 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-16… | |
[2] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-16… | |
[3] /Umstrittenes-Bauprojekt-in-Pankow/!5921140 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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