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# taz.de -- Ausgleichsmaßnahmen im Baurecht: Niedersachsen schummelt bem Natur…
> Wer beim Bauen in die Natur eingreift, soll anderswo Ausgleich schaffen –
> so steht es im Gesetz. Manche Behörden nehmen es damit nicht so genau.
Bild: Erfolgreich renaturiert und mittlerweile Naturschutzgebiet: Leineaue bei …
Hannover taz | Die Samtgemeinde Hattorf am Harz ist nur so ein Beispiel.
Gelegen am südwestlichen Rand des Harzes, im Landkreis Göttingen, vier
Dörfer, nicht einmal 7.100 Einwohner, ringsum Felder.
In solchen Gemeinden ist man oft froh, wenn es überhaupt noch Wachstum
gibt. So soll es auch in den 90ern gewesen sein als die damalige
Ratsversammlung, traditionell SPD-dominiert, mal wieder über Änderungen der
Bebauungspläne in verschiedenen Teilen der Gemeinde zu befinden hatte.
Nun gab es auch damals schon im Bundesnaturschutzgesetz und im Baugesetz
Bestimmungen, die vorschreiben, dass man Eingriffe in die Natur und
Landschaft kompensieren muss. Der Grundgedanke: Wer Flächen versiegelt,
[1][Naturräume und Landschaften verändert], muss irgendwie für Ersatz
sorgen.
Das bedeutet nicht unbedingt, dass hier gleich riesige Naturschutzflächen
angelegt werden müssen. Die Ausgleichsmaßnahmen orientieren sich an der
Tiefe des Eingriffs.
Oft wird zum Beispiel die Aufwertung von Flächen durch Anpflanzungen
vorgeschrieben, eine Baumreihe hier, eine Streuobstwiese dort, die
Renaturierung eines Stück Bachlaufs, Feldgehölze und Hecken am Rande von
Ackerflächen oder landwirtschaftlich genutzten Wegen.
## Flächen verplant, die gar nicht zur Verfügung stehen
Diese kleinen Rückzugsorte für Pflanzen, Insekten, Vögel und kleinere
Säugetiere dienen häufig als wertvolle „Trittsteinbiotope“, erleichtern d…
Wanderschaft zwischen größeren Biotopen und Naturräumen, verhindern so,
dass Populationen isoliert und abgeschnitten werden.
Festgelegt werden diese Maßnahmen schon mit dem Bebauungsplan, die Gemeinde
ist dann dafür verantwortlich, sie zu realisieren. In manchen Fällen kann
sie die Kosten dafür auf die Bauherren umlegen.
An diesen Regelungen gab es allerdings von Anfang an Kritik, vor allem von
Naturschützern. Da ist zum einen die Frage, [2][wie man welchen Eingriff
kompensiert] – ein Feld, mit dem sich meist spezialisierte Planungsbüros
beschäftigen.
Dann mangelt es an Koordination: Manche Flächen werden doppelt und dreifach
verplant, manche sind am Ende gar nicht verfügbar, sie müssen von den
Gemeinden ja erst einmal angekauft werden.
Außerdem fehlt es an Abstimmungen zwischen verschiedenen Gemeinden und es
gibt so gut wie keine Kontrolle darüber, ob die Maßnahme überhaupt
umgesetzt wurde und ob sie erfolgreich war.
## Nur ein Bruchteil der Maßnahmen umgesetzt
In der Samtgemeinde Hattorf hat sich irgendwann einmal die
Klimaschutzmanagerin dieses Themas angenommen. Sie prüfte die verfügbaren
Daten im Geodaten-Portal und kam zu dem Ergebnis: Von den Maßnahmen, die
von der Gemeinde in den Grünordnungsplänen festgelegt wurden, ist nur ein
Bruchteil umgesetzt worden.
Die Ausgleichsmaßnahmen beziehen sich auf drei Bebauungspläne aus den
Jahren 1994, 1995 und 1999. 14,22 Hektar Land sollten in diesem Zuge
ökologisch aufgewertet werden. Umgesetzt wurden einzelne Maßnahmen auf
insgesamt 1,27 Hektar Land – darunter die Anpflanzung einer Baumreihe und
von Feldgehölzen, wobei letztere sofort wieder vertrocknet sind.
Besagte Klimaschutzmanagerin hätte da gern nachgebessert. Aber das wollte
ihr Dienstherr wohl nicht. Mittlerweile hat sie gekündigt und verfolgt die
Sache als Privatperson hartnäckig weiter, setzt Naturschutzverbände auf das
Thema an, geht dem Landkreis mit Auskunftsersuchen nach dem
Umweltinformationsgesetz auf die Nerven.
Auch in die sogenannte [3][Rote Mappe des Niedersächsischen Heimatbundes]
hat sie das Thema schon gehievt. Darin sammelt der Heimatbund jedes Jahr
Problemfälle und Fragen, die von der Landesregierung dann in der Weißen
Mappe beantwortet werden.
In der Antwort heißt es allerdings nur, man werde den Landkreis bitten, den
Sachverhalt zu prüfen und gegebenenfalls kommunalaufsichtlich tätig zu
werden.
## Landesweites Kataster lässt weiter auf sich warten
Auch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hat sie
im Verdacht, Kompensationsmaßnahmen nicht vollständig umgesetzt zu haben.
Ihre Anfragen dazu blieben bisher unbeantwortet.
„Das ist ein Riesenproblem“, sagt Holger Buschmann, der Landesvorsitzende
des Nabu auf Anfrage der taz. Er kenne zwar diesen speziellen Fall in
Hattorf nicht, aber die mangelhafte Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen sei
schon sehr lange ein Thema.
Das habe auch bei den Verhandlungen um den Niedersächsischen Weg eine große
Rolle gespielt. Der Niedersächsische Weg ist eine Vereinbarung zwischen
Landesregierung, Vertretern der Landwirtschaft und Umweltschützern für mehr
Natur- und Artenschutz aus dem Jahr 2020.
Der Nabu und andere haben damals darauf gedrängt, dass ein landesweites
Kataster geschaffen wird, in dem alle Ausgleichsmaßnahmen erfasst werden.
Andere Bundesländer wie Baden-Würtemberg und Rheinland-Pfalz haben das
schon.
Nur so, sagt Buschmann, hätte man überhaupt erst einmal eine Chance darauf,
sich einen Überblick zu verschaffen und die Umsetzung zumindest ansatzweise
kontrollieren zu können. An der Umsetzung wird im Umweltministerium aber
immer noch gearbeitet.
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /Naturschutz-in-Deutschland/!6014497
[2] /Gesunde-Boeden-Gewaesser-Waelder/!6097323
[3] https://niedersaechsischer-heimatbund.de/publikationen/rote-mappe-weisse-ma…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Baurecht
Naturschutz
Naturschutzbund
Niedersachsen
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