# taz.de -- Podcasterinnen über rechte Romantik: „Mehrere Arten von schlimm�… | |
> Trump, christlicher Nationalismus und die Rollenangebote in Romance | |
> Novels: Der medienkritische Podcast „Feminist Shelf Control“ gastiert in | |
> Hamburg. | |
Bild: Ritterliche Männer, sehnsüchtige Frauen: ein Griff ins Romance-Regal | |
taz: Rebekka Endler, Annika Brockschmidt, schlimme Bücher lesen und darüber | |
lachen: Das ist, worum es geht, bei [1][„Feminist Shelf Control“]. Oder? | |
Annika Brockschmidt: Ich würde sagen, so fing es an. | |
Rebekka Endler: Genau. | |
Brockschmidt: Und dann haben wir es ausgebaut. | |
Endler: Bücher sind die Einstiegsdroge gewesen. Mittlerweile | |
berücksichtigen wir ja auch Dokumentationen, Filme, schlimme Popkultur. | |
Weil Bücher zu lesen auch einfach lange dauert. | |
taz: Lässt sich das positiv definieren? Was muss ein kulturelles Produkt | |
mitbringen, um für so eine Behandlung infrage zu kommen? | |
Endler: Ich glaube, wir müssen zwischen zwei verschiedenen Arten von | |
schrecklich oder schlimm unterscheiden. Das eine ist, womit wir quasi | |
angefangen haben: die [2][„MAGA Hat Romance“] … | |
… ein reales Untergenre der Romance Novel mit, nun ja, trumpistischer | |
Ausrichtung. | |
Endler: Das sich an ein Publikum richtet, das sich nicht überschneiden | |
dürfte mit den Leuten, die uns hören. Also, wäre das ein Venn-Diagramm, | |
gäbe es nichts in der Mitte. Wir werden auch niemanden davon abhalten, | |
diese Bücher zu lesen – das ist einfach so kurios, weil es so abseitig ist. | |
Aber dann auch wieder durchaus ernst zu nehmen. | |
taz: Inwiefern? | |
Endler: Als Fenster, als Einstiegspunkt zu diesen Themen in der | |
Schnittmenge einerseits zwischen Faschismus und rechten Ideologien und | |
andererseits Romance-Novel-Tropen. Das ist die eine Art von Sachen. Ich | |
glaube, die andere sind die Bücher … also, als wir beispielsweise [3][„Alte | |
weise Männer“] besprochen haben, bekamen wir sehr viel Feedback, auch von | |
Leuten, die das Buch bei ihren Eltern gesehen haben oder es selbst | |
geschenkt bekommen haben. Da gab es teilweise eine Schnittmenge, und wir | |
haben gerade deswegen gedacht, dass es wichtig ist, da genauer | |
hinzuschauen. | |
Brockschmidt: Vielleicht können wir mittlerweile sogar sagen, dass es noch | |
eine dritte Kategorie gibt: Dinge, die wir freiwillig ohnehin konsumieren, | |
die aber zudem interessante Fragen aufwerfen über Feminismus und | |
patriarchale Strukturen und Popkultur im Allgemeinen. Sehr großes Feedback | |
kam etwa, als wir neulich die Netflix-Doku über die | |
Dallas-Cowboys-Cheerleader uns angeguckt haben, „America’s Sweethearts“. | |
Das baut einerseits auf auf tatsächlich schlimme Dinge, wie wir sie schon | |
besprochen haben; die helfen zu verstehen, was in der US-amerikanischen | |
Rechten gerade so vor sich geht. Die auch einen Blick in Subkulturen | |
liefern, die man sonst vielleicht nicht so auf dem Schirm hat. Aber | |
gleichzeitig war das auch einfach oben in den Netflix-Charts und irgendwie | |
hat es jeder geguckt, auch wir. | |
Endler: Ich habe ja immerhin mal versucht, Cheerleaderin zu werden. | |
Brockschmidt: Ja, das stimmt. Rebekka könnte da persönliche Einblicke geben | |
… Insofern ist das die dritte Kategorie: Sachen, die wir spannend finden. | |
Da würde ich dann auch so was einordnen wie … | |
Endler: … den [4][Barbie-Film] … | |
Brockschmidt: … ja, oder … jetzt fällt mir nur der schlimme deutsche Titel | |
ein: „Flammengeküsst“. Wie hieß das nochmal auf Englisch? | |
Endler: Das mit den Drachen? | |
Brockschmidt: Ja, den horny Drachenreitern? | |
Endler: „Fourth Wing“, das kommt jetzt als Serie, bei Amazon Prime. | |
Brockschmidt: Ich wundere mich ein bisschen, dass das nicht Apple gekauft | |
hat. | |
taz: Es gibt da sicher ein ständiges Wettrennen zwischen Prime und Apple um | |
die horny Drachen-Stoffe … | |
Endler: Die hören „Feminist Shelf Control“, welche Bücher wir besprechen, | |
und entwickeln daraus die Serien. | |
Brockschmidt: Nochmal zu dieser dritten Kategorie: Sachen, die wir auch | |
selbst ganz gerne lesen oder die uns zumindest unterhalten, berücksichtigen | |
wir ungefähr seit einem Jahr. Da möchten wir auch versuchen zu erklären, | |
was hat es auf sich mit dem Herabschauen seitens des feingeistigen, oft | |
männlich geprägten Feuilletons auf Romance novels, auf populäre | |
Geschichten, die ja vor allem von Frauen konsumiert werden – und mit denen | |
sich wahnsinnig viel Geld verdienen lässt. Warum werden die so von oben | |
herab behandelt? | |
taz: Ist bei „Feminist Shelf Control“ auch so etwas wie Psychohygiene im | |
Spiel? Ist es auch eine Art Gegenmaßnahme zu Ihrer sonstigen Arbeit, | |
nämlich der seriösen Beschäftigung mit schlimmen Formen von Männlichkeit, | |
dem rechten politischen Rand, Populismus und all solchen Hässlichkeiten? | |
Musste da einfach etwas raus, um das alles ertragen zu können? | |
Brockschmidt: Das war, glaube ich, sogar unsere origin story, oder? | |
Endler: Ich glaube, dass es dazu taugt, haben wir erst später gemerkt. Aber | |
die Kurzantwort: Doch, es ist auf jeden Fall Psychohygiene. Ich, für meinen | |
Teil, lerne aber auch ganz viel dazu. | |
Brockschmidt: Bei fast jedem Thema, ohne dass wir das groß aufteilen | |
müssen, wer macht jetzt was, ist es eigentlich immer so, dass die eine von | |
uns sagt: Hier kommt der Aspekt noch dazu. Insofern bringt es mich dazu, | |
mich mit Aspekten zu beschäftigen, mit denen ich mich nicht auskenne, über | |
die ich vielleicht noch gar nicht nachgedacht habe. | |
taz: Und wie kam es zum Schritt vom erfolgreichen Podcast auf die | |
Live-Bühne? | |
Endler: Also, die Wahrheit ist, dass es nach einem Jahr oder so einfach | |
Anfragen gab. Und die andere Wahrheit ist, dass Annika und ich uns äußerst | |
flamboyante Bühnenoutfits zugelegt hatten – und beide gemerkt haben: Also, | |
wenn ich bei der Gleichstellungsbeauftragten in Hilden zu Gast bin in | |
irgendeiner Stadthalle mit grauem Teppichboden: Da kann ich diese Klamotten | |
unmöglich tragen, da komme ich mir deplatziert vor. Also mussten wir dafür | |
einen Anlass schaffen. | |
taz: Unterscheiden sich Podcast und Bühnenshow? | |
Endler: Ich würde sagen, der Podcast ist sehr viel intimer. Wir beide | |
mutieren schon ein bisschen zur Rampensau, und dann macht man halt einen | |
Witz, weil man das Publikum auch gut unterhalten möchte. Das ist, wenn wir | |
zu zweit in unserem Stüberl sitzen, zwar auch im Kopf, aber nicht so weit | |
oben auf der Liste. Aber ich würde sagen, es ist ein Ying-und-Yang, wenn | |
wir beides machen können. Es kommen wahnsinnig nette Leute, da ist es sehr | |
nett, die Leute dann auch mal kennenzulernen. | |
Brockschmidt: Was die dann auch alles mitbringen! Von Essen über | |
Freundschaftsarmbänder bis zu Flyern zu reproduktiven Rechten. Inhaltlich | |
ist es ja immer nochmal was anderes, aber ich glaube, es macht uns beiden | |
wahnsinnig Spaß. Und gleichzeitig sind wir froh drüber, dass wir sowohl den | |
Podcast haben, der ja auch gerne mal viel länger ist als eine Show. Aber | |
dann auch die Möglichkeit, Feedback zu geben. | |
taz: Hatten Sie je Sorge, dass es da konfrontativ werden könnte, weil sich | |
plötzlich, weiß nicht, der Männerrechteverein Wipperfürth einfindet, auf | |
Krawall gebürstet? | |
Brockschmidt: Ich glaube, die kommen eher zu unseren jeweiligen | |
Einzelveranstaltungen. Bisher war es wirklich extrem friedlich – was nicht | |
bei allen regulären Veranstaltungen der Fall ist. | |
Endler: Den Mann will ich erst mal sehen, der so viel Geld ausgibt, um | |
jetzt zu unserer Tour zu kommen und uns dann anzupöbeln. Ganz ehrlich, dann | |
soll er ruhig kommen – wenn er sich eine Eintrittskarte kauft. | |
21 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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