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# taz.de -- Pawel Durow und Mark Zuckerberg: Da ist jede Menge Geld in der Luft
> Telegram-Gründer Pawel Durow ist vorerst frei. Doch es ruckelt weiterhin
> im Verhältnis von Start-up-Milliardären und traditioneller
> Kapitalfraktion.
Bild: Auch Elon Musks Privatjet muss irgendwann landen
Eine spannende Woche im Wolkenkuckucksheim der Internetmilliardäre liegt
hinter uns. Einer, [1][Pawel Durow,] [2][Exilrusse] und Gründer des
[3][Messengers Telegram], ist nach Vorwürfen der Duldung und Förderung
illegaler Aktivitäten auf seiner Plattform nur gegen eine Kaution von 5
Millionen Euro auf freiem Fuß. Fürs Erste muss er sich zweimal in der Woche
auf einer Polizeiwache melden. Der reichste Mann der Welt, [4][Elon Musk],
erklärt diese Zudringlichkeit der französischen Justiz zu einem Angriff auf
die Meinungsfreiheit.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beklagt sich derweil in einem Brief über
unlautere Einflussnahme der Biden-Administration auf Inhalte seiner
Plattform. Konkret geht es um Versuche, die Verbreitung von Berichten über
den Sohn des Präsidenten, Hunter Biden, einzuschränken u[5][nd in der
Hochphase der Pandemie Posts, die sich auf Covid beziehen, zu regulieren.]
Zuckerberg behauptet, jeden Eindruck von Einflussnahme auf Wahlen vermeiden
zu wollen. Sein Brief ist sicher nicht unabsichtlich an republikanische
Mitglieder des US-Abgeordnetenhauses gerichtet. Die verbreiten den knapp
zweiseitigen Wisch fleißig weiter, selbstverständlich ausschließlich im
Interesse der Meinungsfreiheit und nicht aus Wahlkampfkalkül. An der
Seitenlinie applaudiert auch hier: Elon Musk.
Dessen Unterstützung der Republikanischen Partei Trump’scher Prägung geht
inzwischen so weit, dass er mit Chris Young in dieser Woche einen gut
vernetzten republikanischen Berater und Lobbyisten engagierte. Young soll
[6][laut New York Times die politischen Ambitionen Musks koordinierter
voranbringen.]
Der Tesla-, SpaceX- und Twitter/X-Chef weiß genau, was für ihn in den
kommenden Jahren auf dem Spiel steht: jede Menge Geld. Er folgt deshalb dem
Vorbild seines alten Bekannten, des Paypal-Gründers und Facebook-Finanziers
Peter Thiel. Der gibt bereits seit mehr als 20 Jahren erhebliche Summen für
politischen Einfluss aus. Kampagnen und Kandidaturen, je weiter rechts,
umso lieber, finden immer wieder ihren Weg zu Thiel.
## Stabilität produzieren, Risiken vorbeugen, Profite fördern.
Denn ökonomische und politische Macht ziehen sich an, gehen ineinander
über, auch wenn sie bisweilen miteinander konkurrieren. Die politischen
Systeme und ihre Eliten wachsen über Jahrzehnte, teils Jahrhunderte eng
verwoben mit den Interessen der ökonomischen Sphäre. Die gegenseitigen
Einflüsse und Abhängigkeiten wirken meist automatisch, oft subtil.
Man kennt sich und weiß um die gemeinsame Aufgabe: Stabilität produzieren,
Risiken vorbeugen, Profite fördern. Die vergleichsweise junge Gruppe der
Start-up-Milliardäre ist dabei einerseits ein Unsicherheitsfaktor, der die
eingeübten Abläufe empfindlich stören kann. Anderseits sind sie aber auch
mächtige Verbündete der traditionellen Kapitalfraktion bei der Einhegung
politischer Projekte, die das ungestörte Profitwachstum gefährden.
Regulierungsversuche innerhalb der EU jedoch zielen gegenüber den digitalen
Plattformen vor allem auf deren rowdyhaftes Erscheinungsbild. Der Wunsch
nach staatlicher Kontrolle bewegt sich hier immer wieder im Grenzbereich
zwischen der vernünftigen Sanktion krimineller Inhalte und kritikwürdiger
Zensur. Nicht selten spielt bei behördlichen Eingriffen ein autoritärer
Überwachungsreflex mit.
Die unmittelbare Ökonomie der Plattformen spielt dabei nur insoweit eine
Rolle, als sie die Berechnungsgrundlage für die angedrohten Strafzahlungen
bei Regelverstößen darstellt. Die Verhaftung Durows lässt sich vor diesem
Hintergrund auch als eine Drohgebärde interpretieren. Sie greift weniger
das Geschäftsmodell seines Unternehmens an, sondern könnte einfach nur den
staatlichen Anspruch auf zum Beispiel Nutzerdaten, Inhalte von Chats und
dergleichen etwas handfester untermauern.
In den USA hingegen mit einer historisch gewachsenen, sehr viel liberaleren
Auslegung der Redefreiheit droht den digitalen Plattformen derzeit eine
anders gelagerte Gefahr. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung der
Antimonopolpolitik, sowohl durch demokratische als auch republikanische
Administrationen, haben unter Präsident Biden mit der Federal Trade
Commission (FTC) und dem Justizministerium zwei Bundesbehörden die Gangart
gegenüber Monopolen erheblich verschärft.
So sind zum Beispiel die wettbewerbsverzerrenden Machtpositionen von Amazon
und Google auf dem Werbemarkt und im Internethandel Ziel von Interventionen
sowohl der FTC-Chefin [7][Lina Khan] als auch des Bundesanwalts Jonathan
Kanter.
## Profite und Macht der Plattformen beschränken
Nach einem Wahlsieg der Demokraten im November könnten beide gegebenenfalls
ihre Arbeit fortsetzen. Noch unklar ist, ob die von Biden vorgeschlagene
empfindliche Besteuerung von Kapitalerträgen auch von einer
Harris-Administration weiterverfolgt würde. Alles in allem haben Musk,
Zuckerberg und Bezos also Milliarden Gründe, ihren politischen Einfluss
auszubauen.
Zumindest was die tiefe Feindschaft gegen Lina Khan angeht, finden sich
dabei Verbündete sogar über Parteigrenzen hinweg. Barry Diller,
milliardenschwerer Medienunternehmer und Großspender der Demokraten,
erklärte in einem Interview vor der Democratic National Convention, dass er
von Kamala Harris im Falle eines Wahlsiegs schon erwarten würde, dass Khan
gehen müsste.
In der Summe sehen sich die Techmilliardäre also auf beiden Seiten des
Atlantiks mit unterschiedlichen Entwicklungen konfrontiert, die Profite und
Macht der Plattformen beschränken können. Noch dazu mit der zumindest
impliziten Drohung, ab einem gewissen Grad der Unbotmäßigkeit persönlich
zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das wohlfeile Gerede von
Meinungsfreiheit und Demokratie wird so zu einem leicht durchschaubaren
Versuch zu vernebeln, dass es in Wirklichkeit nur ums Geld und die eigene
Unantastbarkeit geht. Die extreme Rechte scheint dabei, wie historisch
schon wiederholt unter Beweis gestellt, der natürliche Verbündete des
Kapitals zu sein.
Und Durow? Der kann sich jetzt überlegen, ob er den Rücken wenigstens in
Europa frei bekommt mit ein bisschen Entgegenkommen gegenüber den
französischen Ermittlungsbehörden. Seine Alternative ist die Rückkehr nach
Russland, wo selbst die Leben milliardenschwerer Oligarchen im Zweifel von
der Gnade Putins abhängen.
Der kann geduldig beobachten, ob und wann der Moment gekommen ist, da die
reichsten Männer des Planeten in seine Einflusssphäre gelangen, denn er
weiß: Die mit viel Geld erkaufte Freiheit über den Wolken ist zwar
grenzenlos, aber auch der teuerste Privatjet muss gelegentlich zum
Auftanken in der realen Welt landen.
30 Aug 2024
## LINKS
[1] /Telegram-Chef-festgenommen/!6029604
[2] /Festgenommener-Telegram-Gruender/!6032188
[3] /Festnahme-von-Telegram-Gruender-Durow/!6032185
[4] /X-Chef-Elon-Musk/!6028017
[5] https://www.youtube.com/watch?v=KTy2aQxMqhM
[6] https://www.nytimes.com/2024/08/28/us/politics/elon-musk-political-adviser.…
[7] /Wettbewerbsklagen-gegen-Facebook/!5783397
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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Telegram
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Mark Zuckerberg
Kolumne Autokorrektor
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Plattformökonomie
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Desinformation
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Grüne
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