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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Selbstschutz statt Staatsgewalt
> Nach dem Antifa-Erfolg gegen Nazis beim CSD Leipzig erfährt auch die
> Polizei Lob. Doch das Naziproblem ist nicht polizeilich zu lösen.
Bild: Die Polizei, (k)ein Freund und Helfer?
Es ist ein Erfolg, der der Seele guttut: Die Antifa konnte am Wochenende
dank großer Mobilisierung Neonazis davon abhalten, den CSD in Leipzig
einzuschüchtern und anzugreifen. Die nur etwa 400 angereisten
Rechtsextremen – darunter 160 Jugendliche und vier Kinder – kamen nicht mal
aus dem Hauptbahnhof heraus. Überall waren Antifas, sodass die Polizei die
Neonazis noch auf dem Ankunftsgleis in die Maßnahme nahm. Auf dem CSD
konnte queeres Leben [1][nazifrei zelebriert werden]. Deutschland, aber
normal.
In den sozialen Medien hat auch die Polizei Lob erhalten. Die habe sich
endlich mal auf die richtige Seite gestellt, heißt es. Und natürlich kann
man der Polizei auch mal sagen, wenn sie was richtig macht. Ihr ein paar
Lorbeeren schenken, ein paar gute PR-Bilder, wie sie als antifaschistische
Verteidigerin von Bürger:innenrechten und Demokratie auftritt. Wer
weiß, vielleicht bleibt ja was kleben.
Aber gelegentlich neigen (vornehmlich eher bürgerliche) Teile des
progressiven Lagers zu einer Art linken Law-and-Order-Logik, die das
Naziproblem zu einem polizeilich zu lösenden Problem zu reduzieren droht.
Die Polizei, schließlich eingeschworen auf das Grundgesetz, müsse gegen die
Nazis entschieden vorgehen, heißt es dann. Verbote von Demos,
[2][Zeitungen] und [3][Parteien] – in Momenten akuter Gefährdung der
Demokratie möglicherweise tatsächlich notwendige Übel – sind derzeit als
easy fixes gegen den Faschismus hoch im Kurs.
## Sich nicht auf den Staat verlassen
Die Geschichte der politischen Linken lehrt dagegen, dass jeder nachhaltige
Antifaschismus von unten kommen muss. Das war schon in Leipzig der Fall. So
dürfte die sächsische Polizei die Nazis weniger aufgrund tiefer
demokratischer Überzeugungen festgesetzt haben als [4][aufgrund der vielen
Antifas, die seit dem Morgen im und um den Hauptbahnhof präsent waren]. Sie
waren es, die eine Situation erzeugt haben, die die Polizei zum Handeln
nötigte. Vor nicht einmal zwei Wochen [5][in Bautzen] war es anders – und
dieselbe Polizei handelte ausgesprochen nazifreundlich. Und aus Berlin
machen derweil mal wieder [6][viele Videos von Polizeigewalt auf einer
Palästinademo] die Runde.
Vielleicht spricht aus dem Wunsch, die Polizei auf der eigenen Seite zu
wissen, die Angst vor der gegenwärtigen Schwäche des progressiven Lagers.
Wo die gesellschaftliche Hegemonie bröckelt, will man stark sein, so stark
wie die Polizei. Doch jede Law-and-Order-Logik verteidigt letztlich nur
genau die Verhältnisse, die den Faschismus erst hervorbringen. Und wer
daran arbeitet, diese Verhältnisse zu ändern, bekommt es oft früher oder
später mit wem zu tun? Genau: Mit jener Polizei, die dann plötzlich gar
nicht mehr so progressiv auftritt.
Keine linke Organisation weiß das besser als die Rote Hilfe. Immerhin hat
sie Erfahrungen mit Polizeiregimen in drei Staatssystemen – von denen auch
die demokratischen keineswegs linkenfreundlich waren. Am 1. Oktober 1924
wurde die Rote Hilfe als KPD-nahe Organisation gegründet. [7][1933 wurde
sie von den Nazis verboten und blutig zerschlagen.] Nach einigen
Neugründungen in der BRD setzt sich die Rote Hilfe seit den 1980ern in
ihrer heutigen Form strömungsübergreifend gegen staatliche Strategien der
Vereinzelung und Einschüchterung ein.
## Solidarität statt Polizeigewalt
Nun, zum Hundersten, wird mit einem [8][zweitägigen Festival] (Freitag, 23.
8., bis Samstag, 24. 8.) in Kreuzberg kräftig gefeiert. An beiden Abenden
gibt’s ein Konzert im SO36 (Oranienstr. 190, jeweils ab 19 Uhr), am Samstag
ab 14 Uhr ein Straßenfest auf dem Rio-Reiser-Platz. Um 16 Uhr wird u. a.
mit Ex-RAFler Karl-Heinz Dellwo über „Haftbedingungen und Überleben in
deutschen Knästen“ diskutiert. [9][Im Aquarium (Admiralstraße 1-2)] ist am
Samstag ab 15 Uhr eine Ausstellung zu sehen, gezeigt wird auch der
Dokumentarfilm „[10][Solidarität verbindet – 100 Jahre Rote Hilfe]“.
Dass auf den Staat in Sachen Antifaschismus kein Verlass ist, zeigt auch
der neue [11][Leftvision]-Film [12][„Schulter an Schulter, wo der Staat
versagte“], der am Donnerstag (22. 8.) im Freiluftkino Friedrichshain
(Ernst-Zinna-Weg im Volkspark, 20:15 Uhr) Premiere feiert. Im Film sprechen
fünf Antifa-Aktivist:innen ausführlich über die als „Baseballschlägerjahr…
bekannt gewordenen 1990er-Jahre, in denen nur eine professionelle
antifaschistische Bewegung der aufblühenden Neonaziszene tatsächlich
entschlossen entgegentrat. Den Trailer [13][gibt es hier zu sehen], Tickets
(Normalpreis 9 Euro) [14][können hier gekauft werden].
Dass die organisierte Staatsgewalt auch heute kein Ally im Kampf gegen
Faschismus sein kann, macht derweil das [15][Beyond Borders Straßenfest] am
Samstag (23. 8., ab 11 Uhr) im Görlitzer Park deutlich. Denn auch an den
europäischen Außengrenzen ist die einzige Humanität die, die von unten
kommt: die zivile Seenotrettung. Um die geht es auf der
familienfreundlichen Veranstaltung mit Musik, Tombola, veganem Essen und
mehr. Die Loseinnahmen kommen „[16][Yoga & Sport With Refugees]“ auf Lesbos
und in Athen zugute.
In die Offensive gehen wollen dagegen die Bewohner:innen im
Friedrichshainer Nordkiez. Die Gegend rund um den Dorfplatz, das ist die
Kreuzung Rigaer Straße und Liebigstraße, ist zunehmend von kapitalistischer
Verdrängung bedroht. Die Mieter:innen im einstigen Besetzerkiez werden
immer weiter kriminalisiert. Auf der Kundgebung [17][„Reclaim Dorfplatz –
gegen Kriminalisierung und Verdrängung“] wird es Redebeiträge zu aktuellen
Fällen geben, anschließend wird der Film „[18][Varieté Utopolis – Oder
einige Meter Autobahn]“ von Matthias Coers gezeigt (Samstag, 24. 8.,
Dorfplatz, 20:30 Uhr).
20 Aug 2024
## LINKS
[1] /Christopher-Street-Day-in-Leipzig/!6030620
[2] /Aufhebung-des-Compact-Verbots/!6026955
[3] /Debatte-um-AfD-Verbot/!6014550
[4] /CSD-in-Leipzig/!6027902
[5] /CSD-in-Bautzen/!6029166
[6] /Palaestina-Demo-in-Berlin/!6028273
[7] https://rote-hilfe.de/ueber-uns/wer-ist-die-rote-hilfe
[8] https://asanb.noblogs.org/?event=100-jahre-rote-hilfe
[9] https://www.suedblock.org/wp/aquarium/?doing_wp_cron=1724137659.34552407264…
[10] https://rote-hilfe.de/kampagnen/100-jahre/film-solidaritaet-verbindet-100-…
[11] https://www.leftvision.de/
[12] https://stressfaktor.squat.net/node/306930
[13] https://www.youtube.com/watch?v=Q2jqqymfapI
[14] https://kinotickets.express/fh_freiluftkino/sale/tickets/1138
[15] https://asanb.noblogs.org/?event=beyond-borders-strassenfest
[16] https://yogasportwithrefugees.org/
[17] https://stressfaktor.squat.net/node/306781
[18] https://www.variete-utopolis.de/
## AUTOREN
Timm Kühn
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