# taz.de -- Wegen RAF-Äußerung: Kulturzentrum wirft Rote Hilfe raus | |
> Göttinger KAZ zieht Ausstellungszusage zum 100-jährigen Jubiläum zurück. | |
> Grund ist eine Stellungnahme zur Festnahme der RAF-Terroristin Klette. | |
Bild: Eckt notwendigerweise an: Plakat der Roten Hilfe | |
Göttingen taz | Kurz vor der geplanten Eröffnung hat das Göttinger | |
Kulturzentrum KAZ eine Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der linken | |
Solidaritätsorganisation Rote Hilfe abgesagt. In einer kurzen Mitteilung | |
begründeten die KAZ-Geschäftsführerinnen Suse Köwing und Anne Moldenhauer | |
die Entscheidung mit einer Stellungnahme von Anja Sommerfeld vom | |
Bundesvorstand der Roten Hilfe zur [1][Festnahme des früheren mutmaßlichen | |
RAF-Mitglieds Daniela Klette] am 27. Februar in Berlin. | |
Sommerfeld hatte die Festnahme als Ergebnis „einer jahrzehntelangen | |
[2][Verfolgungswut und dem staatlichen Rachebedürfnis (sic!) gegen | |
ehemalige Mitglieder der Stadtguerilla-Gruppen]“ bezeichnet. Sie befürchte, | |
dass in einem neuen RAF-Verfahren „sämtliche rechtsstaatliche Standards | |
außer Kraft gesetzt werden, um eine möglichst hohe Haftstrafe zu erreichen | |
und Reuebekundungen zu erpressen“. | |
Zu erwarten sei ein „politisch motivierter Gesinnungsprozess“. Schon in | |
früheren RAF-Prozessen seien allen Beschuldigten sämtliche Taten während | |
der Zeit ihrer Mitgliedschaft zur Last gelegt worden. | |
Nach den Worten von Köwing und Moldenhauer steht die in Sommerfelds | |
Einlassung zum Ausdruck kommende Haltung gegenüber gewalttätigen und | |
kriminellen Terroristen nicht im Einklang mit den Werten des KAZ: „Aus | |
diesem Grund haben wir uns gegen das Zeigen der Ausstellung in den Räumen | |
des KAZ entschieden, das ist keine nachträgliche Distanzierung zu den | |
Inhalten der Ausstellung über die 100-jährige Geschichte der Roten Hilfe.“ | |
## Absage stößt auf Unverständnis | |
Die Ausstellung und ein im Rahmenprogramm laufender Film sollen nach den | |
Worten von Mitorganisator Mohan Ramaswamy einen [3][Bogen von der | |
Anfangszeit der Roten Hilfe in der Weimarer Republik über die Illegalität | |
während der NS-Zeit und die Neugründung in den frühen 1970er-Jahren] bis | |
heute schlagen. | |
Die Organisation war am 1. Oktober 1924 offiziell gegründet worden. Ende | |
2023 waren knapp 15.000 Frauen und Männer Mitglieder des eingetragenen | |
Vereins. Die Rote Hilfe hat etwa 40 Orts- und Regionalgruppen, eine | |
Bundesgeschäftsstelle in Göttingen und einen Literaturvertrieb in Kiel. | |
Das [4][„Kommunikations- und Aktionszentrum“ KAZ] besteht seit 1976. Es | |
ging aus der alternativen Kulturbewegung hervor und wird von der Stadt | |
Göttingen gefördert, 2023 mit 151.000 Euro. Es erhält zudem einen Zuschuss | |
des Landschaftsverbandes Südniedersachsen und des Landkreises Göttingen. | |
Rund 50 KAZ-Gruppen nutzen das Zentrum vor allem für kulturelle | |
Aktivitäten. | |
Bei mehreren Organisationen stößt die Absage der Ausstellung auf | |
Unverständnis. Die Rote Hilfe sei als 100-jährige Hilfs- und | |
Solidaritätsorganisation sicherlich nicht fehlerfrei, eine historische | |
Ausstellung sei jedoch „eine Dokumentation und keine Propagandashow“, so | |
die autonome Gruppe redical [M]. Im Übrigen merke Rote Hilfe-Vorständlerin | |
Sommerfeld völlig zu Recht an, dass bei künftigen RAF-Prozessen wieder | |
politisches Strafrecht zum Zuge komme. | |
„Wir leben nicht mehr im Deutschen Herbst“, stellt die redical [M] fest. | |
Heute zögen sich die Spuren brennender Flüchtlingsunterkünfte und der | |
Mordserie des NSU durch das vereinigte Deutschland. „Wer sich gerade jetzt | |
auf vermeintlich ‚Linksextreme‘ stürzt und gleichzeitig wieder Unterkünfte | |
brennen, Menschen sterben und die AfD mit hohen Prozentzahlen in Landtage | |
einzieht, hat den Gong nicht gehört.“ | |
Der Göttinger Kreisverband der „Partei“ dachte zunächst „an einen | |
raffinierten Gag zur Eröffnung der Ausstellung, denn die Begründung konnte | |
eigentlich nur satirisch gemeint sein“. Anders sei nicht zu erklären, dass | |
man einer Organisation, deren Aufgabe die Unterstützung von linken | |
Aktivist:innen gegen Staatswillkür sei, vorwerfe, dass sie der | |
Festnahme und der zur erwartenden Behandlung Klettes Skepsis | |
entgegenbringe“. | |
„Partei“-Schatzmeister Marcel Orth sattelt noch drauf: „Wer bei der | |
Thematik RAF nicht sofort eine Hinrichtung der gefährlichen | |
Linksterrorist:innen fordert, macht sich im bürgerlichen Lager | |
grundsätzlich verdächtig“, meint er. „Wenn man dann auch noch Zweifel | |
hinsichtlich der rechtsstaatlichen Standards in den RAF-Verfahren hegt, ist | |
man quasi schon selbst Mitglied einer linken Zelle und plant insgeheim den | |
nächsten Anschlag.“ | |
Dabei sei eben die Kritik an den Justizbehörden und der Polizei | |
hinsichtlich des unterschiedlichen Umgangs mit linker und rechter Gewalt | |
das Kernthema sowohl der Roten Hilfe, als auch dieser Ausstellung. Die | |
Absage sei „eine verpasste Chance, zu zeigen, dass sich etwas geändert | |
hat“. Die „Partei“ rief dazu auf, Räume zur Verfügung zu stellen, damit… | |
Ausstellung doch noch stattfinden kann. | |
13 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Festnahme-von-Daniela-Klette/!5992289 | |
[2] /Aktuelle-Obsession-mit-der-RAF/!5994629 | |
[3] /100-Geburtstag-der-Roten-Hilfe/!5990120 | |
[4] https://www.kaz-goettingen.de/ | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Antifa | |
Rote Armee Fraktion / RAF | |
Rote Hilfe | |
Ausstellung | |
Göttingen | |
Rote Hilfe | |
Christopher Street Day (CSD) | |
Rote Armee Fraktion / RAF | |
Rote Armee Fraktion / RAF | |
Schwerpunkt Stadtland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jubiläum 100 Jahre Rote Hilfe: Linke Kampforganisation mit Zulauf | |
Die Rote Hilfe unterstützt linke Aktivist*innen vor Gericht. 100 Jahre | |
nach der Gründung freut sich der Verein über steigende Mitgliederzahlen. | |
Bewegungstermine in Berlin: Selbstschutz statt Staatsgewalt | |
Nach dem Antifa-Erfolg gegen Nazis beim CSD Leipzig erfährt auch die | |
Polizei Lob. Doch das Naziproblem ist nicht polizeilich zu lösen. | |
Nach Soli-Demo für RAF-Gefangene: Wunsch nach Strafe für Solidarität | |
Ihr Arbeitgeber will Ariane Müller bestrafen, weil sie eine Soli-Demo für | |
Daniela Klette organisiert hat. Dahinter steckt die Angst vor Schlagzeilen. | |
RAF-Festnahme: Last des Schweigens | |
Nach 30 Jahren Fahndung wird die frühere Linksterroristin Daniela Klette in | |
Berlin-Kreuzberg gefasst. Angehörige von Opfern hoffen nun auf Aufklärung. | |
100. Geburtstag der Roten Hilfe: Streitbare Solidarität | |
Die Rote Hilfe feiert 100 Jahre mit einer Gala in Hamburg. Zu besichtigen | |
war auch, wie eine Linke aussehen könnte, die zusammenhält. |