| # taz.de -- Jubiläum 100 Jahre Rote Hilfe: Linke Kampforganisation mit Zulauf | |
| > Die Rote Hilfe unterstützt linke Aktivist*innen vor Gericht. 100 | |
| > Jahre nach der Gründung freut sich der Verein über steigende | |
| > Mitgliederzahlen. | |
| Bild: Plakate mit dem Aufruf „Tretet ein in die Rote Hilfe“ bei einer Mai-F… | |
| BERLIN taz | Es war eine anpackende, praktische Antwort auf teils | |
| lebensbedrohliche Repressionen gegen linke, politisch aktive | |
| Arbeiter*innen, aus der heraus sich vor 100 Jahren die Rote Hilfe gründete. | |
| Damals, im Oktober 1924, entstand sie zunächst als Rote Hilfe Deutschland | |
| (RHD). | |
| Zuvor hatten sich 1921 bereits in Berlin und anderen Städten | |
| Rote-Hilfe-Komitees zusammengefunden. Ihr Ziel war es, linke, | |
| proletarische, politische Gefangene zu unterstützen, mit Rechtsbeistand | |
| einerseits und mit Essen, Kleidung und Paketen ins Gefängnis andererseits. | |
| Auch wurden Familienmitglieder von Häftlingen beraten und mit | |
| Lebenswichtigem versorgt und wurden deren Kinder betreut, um die Not der | |
| Angehörigen zu mildern. Untergetauchten bot die Organisation Unterschlupf. | |
| Die Rote Hilfe sah sich als Kampf- und Solidaritätsorganisation, die alle | |
| „Werktätigen“ schützt, hilft und verteidigt, die „im Klassenkampf Opfer… | |
| bürgerlichen Justiz oder des kapitalistischen Terrors“ wurden. In der | |
| Gründungszeit waren die meisten der Unterstützten Mitglieder der | |
| Kommunistischen Partei (KPD). Doch der Aufruf: „Bildet Rote Hilfe“ war | |
| schon von Beginn an parteiübergreifend gemeint und schloss Gefangene und | |
| Verfolgte etwa der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei oder Parteilose | |
| mit ein. Sie wurde zu einer der größten proletarischen Massenorganisationen | |
| der Weimarer Republik. | |
| ## Übernahme von Gerichtskosten | |
| Eine Massenorganisation ist sie heute im Jahr ihres 100. Geburtstags, der | |
| an diesem Wochenende in Berlin begangen wird, nicht mehr – aber eine | |
| Solidaritätsorganisation mit dem [1][Anspruch, dass sich | |
| Antifaschist*innen und Aktivist*innen auf sie verlassen können]. | |
| Unabhängig von einer eigenen Mitgliedschaft können sich Menschen, die | |
| aufgrund ihrer linken, politischen Tätigkeit angeklagt werden, an sie | |
| wenden. Die Rote Hilfe vermittelt Anwälte, unterstützt in Verfahren und | |
| übernimmt anfallende Kosten. Das können Verfahren wegen Sitzblockaden sein, | |
| es kann das Verteilen von Flugblättern betreffen oder Widerstand gegen | |
| Polizeibeamte bis zum Angriff auf Faschist*innen. | |
| „Wir befinden uns in einer Zeit des voranschreitenden Rechtsrucks und | |
| Repressionen“, sagt Henning von Stoltzenberg von der Roten Hilfe der taz. | |
| Das Konzept kommt an in einer insgesamt kriselnden radikalen Linken. | |
| Bundesweit gibt es einen starken Zulauf an Mitgliedern, manchmal auch | |
| regelrechte Eintrittswellen, wie etwa nach G20 in Hamburg oder [2][2018, | |
| als ein Verbot des Vereins im Raum] stand. „Immer dann, wenn uns von | |
| staatlicher Seite öffentlich gedroht wird sehen wir, dass viele neu | |
| eintreten“, sagt von Stoltzenberg. | |
| Die Rote Hilfe habe sich zur „mit Abstand größten linksextremistischen | |
| Organisation der Stadt“ entwickelt, so steht es im Berliner | |
| Verfassungsschutzbericht. Die angegebenen 2.500 Vereinsmitglieder werden | |
| allesamt der linksextremen Szene zugerechnet, die damit trotz des | |
| tatsächlichen Rückgangs autonomer oder anarchistischer Aktivist*innen | |
| in ihrer angegeben Stärke etwa konstant bleibt. „Der sogenannte | |
| Verfassungsschutz, also der Inlandsgeheimdienst, der hinkt mit seinen | |
| Zahlen immer etwas hinterher“, sagt Henning von Stoltzenberg. Bundesweit | |
| zählt die Organisation heute etwa 15.000 Mitglieder, doppelt so viel wie | |
| noch vor zehn Jahren. | |
| ## Verteidigung von Grundrechten | |
| Von Stoltzenberg verwehrt sich dagegen, dass die Rote Hilfe als | |
| extremistisch dargestellt wird. „Wir sind diejenigen, die die Grundrechte | |
| und die Pressefreiheit vertreten“, sagt er. Das zeige sich auch daran, wie | |
| breit das Spektrum an Mitgliedern sei. „Von der Antifa über die | |
| Klimabewegung, Gewerkschaften, politische Parteien und feministische | |
| Gruppen sind wir sehr breit aufgestellt“, sagt er, „strömungsübergreifend… | |
| nennt die Organisation das. Das war Mitte der 1970er Jahre nach | |
| Wiedergründung noch anders: Damals bewegte man sich vor allem im Umfeld von | |
| Stadtguerilla und RAF. Bei der [3][Gala zur 100-Jahr-Feier im Februar in | |
| Hamburg] fand sich die Humanistische Union genauso selbstverständlich ein | |
| wie die DKP. | |
| Im Fokus der Vereinsarbeit steht momentan die Repression gegen die Antifa | |
| Ost, also jene, die sich auch militant gegen Neonazis zur Wehr setzen, | |
| gegen die Klimabewegung und migrantische Organisationen. „Aktuell fordern | |
| wir, dass Maja T. schnellstmöglich aus der Haft in Ungarn entlassen wird“, | |
| sagt von Stoltzenberg. T. war im Juni nach Ungarn ausgeliefert worden und | |
| soll sich dort einem Verfahren wegen Angriffen auf Teilnehmer des | |
| faschistischen „Tag der Ehre“ verantworten. | |
| Ein wichtiges Thema für die Rote Hilfe ist die „kurdische | |
| Freiheitsbewegung“. Aktuell sitzen zehn kurdische Politiker „als sogenannte | |
| Terroristen“ in Gefängnissen, sagt von Stoltzenberg. „Wir betreuen Fälle, | |
| in denen Kurd*innen nach Deutschland ausgeliefert werden, damit ihnen | |
| hier der Prozess gemacht wird, meist wegen Verstoß gegen den Paragraf 129b, | |
| also der Bildung einer terroristischen Organisation im Ausland“, sagt er. | |
| Das geschehe „im Sinne der türkischen Regierung“. | |
| ## Mitglieder unter Druck | |
| Schon in den Anfangsjahren waren die Komitees und Gruppen staatlicher | |
| Repression ausgesetzt. Bei Durchsuchungen gefundene Materialien konnten | |
| ihre Besitzer belasten. Unter Druck geraten Mitglieder weiterhin: 2007 gab | |
| die damals 27-jährige, [4][frisch zur Juso-Chefin gewählte Franziska | |
| Drohsel ihre Mitgliedschaft im Verein Rote Hilfe auf]. Konservative | |
| Abgeordnete hatten ihren Rücktritt gefordert. Die Jusos sollten „mit | |
| politischen Positionen und nicht mit Vereinsmitgliedschaften“ in der | |
| Debatte sein, sagte sie damals der taz. Sie teile jedoch weiter das | |
| Grundanliegen des Vereins. | |
| Und das geht in seinen Ideen einer solidarischen Hilfe für Betroffene von | |
| politischer Repression über eine Rechtsschutzversicherung für | |
| Aktivist*innen hinaus: „Die Rote Hilfe ist keine karitative | |
| Einrichtung“, soll die Frauenrechtlerin und Rote-Hilfe-Leiterin Clara | |
| Zetkin gesagt haben, um deren kämpferischen Anspruch zu betonen. | |
| 23 Aug 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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