| # taz.de -- Experte über Suche nach Atommüllendlager: „Politik hält bis 20… | |
| > Eine sichere Ruhestätte für hochstrahlenden Abfall soll erst in 50 Jahren | |
| > gefunden sein. Das wird nicht nur teuer, mahnt Andreas Fox vom | |
| > Suchgremium. | |
| Bild: Wohin nur mit dem ganzen strahlenden Atommüll? Ihn in Fässer zu packen,… | |
| taz: Herr Fox, ursprünglich sollte im Jahr 2031 der Standort feststehen, an | |
| dem in Deutschland ein Endlager für hochradioaktiven Müll gebaut wird. | |
| Jetzt ergab ein Gutachten des Öko-Instituts: Dies [1][wird „frühestens im | |
| Jahr 2074“ der Fall sein]. Sind Sie überrascht? | |
| Andreas Fox: Nein, vielen Experten war schon länger klar, dass 2031 nicht | |
| zu halten sein wird. Der Termin stammt noch aus dem ersten | |
| Standortauswahlgesetz, das 2014 in Kraft getreten war. Danach hat dann die | |
| „Endlager-Kommission“ zwei Jahre lang Kriterien aufgestellt, nach denen bei | |
| der Suche vorgegangen werden soll. [2][2021 wurde schließlich die Suche mit | |
| einer weißen Landkarte begonnen], nach der zunächst das ganze Land | |
| einbezogen war. | |
| taz: Ein Ausschlussverfahren, das immer weniger Flächen im Fokus hat. Wo | |
| stehen wir aktuell? | |
| Fox: Derzeit gilt noch [3][etwas mehr als die Hälfte Deutschlands als | |
| möglicherweise] geeignet. Der nächste große Schritt ist, dies auf fünf, | |
| sechs, vielleicht zehn Regionen einzugrenzen. Die müssen dann genauer | |
| untersucht werden. | |
| taz: Aber warum dauert das so lange? | |
| Fox: Es ist erstens ein wissenschaftsbasiertes Suchverfahren. Wissenschaft | |
| braucht Zeit, um belastbare Ergebnisse vorzulegen. Zweitens soll das | |
| Verfahren größtmögliche Transparenz besitzen, [4][Bürger haben Mit- und | |
| Einspruchsrechte]. Drittens müssen Ergebnisse geprüft und am Ende Gesetze | |
| beschlossen werden. Auch das braucht Zeit. | |
| taz: Die Schweiz ist wesentlich weiter bei der Standortsuche, in | |
| [5][Finnland wird bereits ein Endlager gebaut]. Warum geht es dort | |
| schneller? | |
| Fox: Einerseits gibt es in diesen beiden Ländern weniger geologische | |
| Formationen, die zur Auswahl stehen. Andererseits haben Politik und [6][die | |
| Atomkonzerne in Deutschland viel zu lange am Salzstock Gorleben als | |
| Endlager festgehalten]. Die verlorenen 30 Jahre fehlen jetzt. | |
| taz: Die Atomkonzerne haben für den Rückbau der AKWs und für die Lagerung | |
| des Atommülls 24 Milliarden Euro in den „Fonds zur Entsorgung | |
| kerntechnischer Anlagen“ eingezahlt. Wenn die Suche jetzt länger dauert: | |
| Wird dieses Geld ausreichen? | |
| Fox: Das ist schwer vorstellbar, zumal bisherige Projekte stets teurer | |
| wurden als zunächst geplant. Im Schacht Konrad entsteht nahe Salzgitter ein | |
| Endlager für schwach radioaktiven Müll, beispielsweise für Bauteile | |
| zurückgebauter AKWs. Ursprünglich wurde mit 900 Millionen Euro kalkuliert, | |
| mittlerweile kostet der Bau 6,4 Milliarden. | |
| Für den [7][Rückbau des AKW in Greifswald] waren ursprünglich 3,2 | |
| Milliarden Euro veranschlagt, mittlerweile wird mit 6,5 Milliarden | |
| gerechnet. Dazu kommen 16 Zwischenlager, die altern: Einige von ihnen | |
| verlieren bereits in den 2030er Jahren ihre Betriebsgenehmigung, müssen | |
| nachgerüstet oder neu gebaut werden, was viel Geld kostet. Völlig klar ist, | |
| dass auch ihr Betrieb teurer wird, wenn wir länger auf ein Endlager warten | |
| müssen. Und natürlich kostet der Suchprozess selbst mehr Geld, wenn er | |
| länger dauert. Die Atomkonzerne haben sich freigekauft, die finanziellen | |
| Risiken trägt der Steuerzahler, also wir. | |
| taz: Im Herbst muss die Bundesregierung ihr neues Nationales | |
| Entsorgungsprogramm zum Atommüll vorlegen. Was ist zu erwarten? | |
| Fox: Dieses Entsorgungsprogramm basiert auf EU-Recht: Es soll | |
| sicherstellen, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten nicht immer nur neuen | |
| Atommüll produzieren, sondern sich auch mit dessen Entsorgung befassen. Wir | |
| erwarten deutliche Konkretisierungen, beispielsweise zum Inventar des | |
| Atommülls. | |
| taz: Es ist noch nicht einmal klar, welcher hochradioaktive Strahlenschrott | |
| eingelagert werden muss? | |
| Fox: Wir kennen die Menge: 27.000 Kubikmeter in etwa 1.900 | |
| Castor-Behältern. Aber wir wissen nicht, welche Qualität vorliegt. In | |
| Deutschland liefen sehr unterschiedliche Reaktortypen, die unterschiedliche | |
| Brennelemente einsetzten – und unterschiedlichen Müll produzierten. | |
| taz: Warum ist es wichtig, solche Unterschiede zu kennen? | |
| Fox: Das Design der Endlagerbehälter ist abhängig einerseits von der Art | |
| des Atommülls, andererseits aber auch vom Wirtsgestein: [8][Kristallines | |
| Gestein reagiert anders auf Hitze und Radioaktivität als beispielsweise | |
| Salzgestein]. Auch die langfristigen chemisch-physikalischen Prozesse | |
| hängen von der Art der Abfälle ab. | |
| taz: Lässt sich der Suchprozess beschleunigen? | |
| Fox: Das „Planungsteam Forum Endlagersuche“ organisiert derzeit ein Forum, | |
| das im November genau zu dieser Frage Antworten finden soll. Und das ist | |
| dringend notwendig: Ich fürchte, dass Politik und Gesellschaft einen | |
| Suchprozess bis 2074 nicht durchhalten. Die Verlockung ist groß, irgendwann | |
| den Müll gegen ein paar Milliarden in der Wüste oder in Sibirien zu | |
| verbuddeln. | |
| 23 Aug 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verspaetung-bei-Suche-fuer-Atommuell-Loesung/!6025403 | |
| [2] /Lagerstaette-fuer-Atommuell/!5901381 | |
| [3] https://www.bge.de/de/endlagersuche/zwischenbericht-teilgebiete/ | |
| [4] /Ausgestrahlt-Sprecher-ueber-Endlagersuche/!5945318 | |
| [5] /Endlager-in-Finnland/!5907143 | |
| [6] /Bergwerk-Gorleben-wird-zugeschuettet/!5950231 | |
| [7] /Rueckbau-von-Kernkraftwerken/!5921848 | |
| [8] /Hochradioaktiver-Atommuell/!5907144 | |
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| Nick Reimer | |
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