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# taz.de -- Ökonom über Bundeshaushalt: „Nicht was wir bräuchten“
> Die Haushaltseinigung der Ampel könnte der Wirtschaft schaden, kritisiert
> Ökonom Jens Südekum. Sogar die Bahnpreise könnten deshalb steigen.
Bild: Könnten durch die Haushaltstricks der Ampel noch teurer werden: Fahrten …
taz: Herr Südekum, mit Mühe hat sich die Regierung auf den Entwurf für den
Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Allerdings fehlen immer noch [1][zwölf
Milliarden Euro]. Werden die Haushaltspolitiker der Koalition im Bundestag
dieses Loch schließen können?
Jens Südekum: Dort stößt der Haushaltsplan des Kabinetts
verständlicherweise auf Unzufriedenheit. Denn der Fehlbetrag liegt mit 2,5
Prozent des Etatvolumens höher als normal. Andererseits soll man das nicht
überdramatisieren. Einige Bundesländer arbeiten mit höheren Fehlbeträgen.
Außerdem gibt es das Kontrollkonto. Aus den guten Jahren schlummern dort 49
Milliarden Euro.
taz: Welches Kontrollkonto meinen Sie?
Südekum: In den Jahren der Haushaltsüberschüsse vor der Coronapandemie hat
der Bund [2][die Schuldenbremse übererfüllt]. Diese Beträge wurden einem
Kontrollkonto gutgeschrieben. Mit diesem Guthaben ließen sich einige
Milliarden Euro verrechnen, wenn die Haushaltslücke am Jahresende 2025
etwas größer ausfallen sollte als geplant. Allerdings stellte das wieder
einen Präzedenzfall mit gewissen juristischen Risiken dar.
taz: Nun läuft eine Diskussion darüber, dass die Regierung dieses und
nächstes Jahr [3][kein zusätzliches Geld mehr aufbringen könne, um die
Ukraine mit Waffen zu unterstützen]. Deutsche Sparsamkeit, ein Vorteil für
den russischen Angriffskrieg?
Südekum: Diese Debatte hat mit der jüngsten Einigung über den Haushalt
nichts zu tun. Finanzminister Christian Lindner (FDP) teilte dem
Verteidigungsministerium schon früher mit, dass zunächst keine weiteren
Haushaltsmittel vorhanden seien. Allerdings haben sich die Staatengruppe
der G7 und die EU verständigt, der Ukraine 50 Milliarden Euro zur Verfügung
zu stellen, indem sie die Zinserträge des eingefrorenen Auslandsvermögens
der russischen Zentralbank nutzen. Das ist ein guter Plan, der auch auf dem
Weg zu sein scheint.
taz: Außerdem wird kritisiert, dass die Regierung der Bahn AG statt
Baukostenzuschüssen Eigenkapital und Darlehen geben will, weil diese
Finanzierung nicht unter die Schuldenbremse falle. Dadurch könnten die
Fahrpreise steigen, lautet die Befürchtung. Wie sehen Sie das?
Südekum: Diese Sorge ist berechtigt. Lindner hat sich auf den letzten
Metern damit durchgesetzt, der Infrastruktur-Tochter der Bahn AG 4,5
Milliarden Euro in der Form von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.
Dafür muss das Unternehmen dem Bund eine Rendite überweisen. Eine
Möglichkeit, diese zu erwirtschaften, besteht darin, die Trassenpreise
anzuheben, was auch zu höheren Preisen für Fahrkarten und Fracht führen
kann.
taz: Der geplante Bundeshaushalt ist an vielen Stellen knapp. Reduziert das
die Möglichkeiten, angemessen auf die wirtschaftliche Stagnation zu
reagieren?
Südekum: Einerseits handelt es sich nicht um ein echtes Sparbudget. Im
Vergleich zu diesem Jahr sollen die Ausgaben nur von 489 auf rund 480
Milliarden Euro sinken. Andererseits ist das auch kein Haushalt, wie wir
ihn bräuchten. Alleine um die Inflation auszugleichen müssten die Ausgaben
um die 500 Milliarden Euro betragen. Der Etat wird also restriktiv wirken,
er gibt keinen konjunkturellen Impuls. Und die großen Investitionsbedarfe
des Landes – Infrastruktur, Klima, Bildung – sind nicht annähernd
abgebildet.
taz: Trägt die Ampel dazu bei, dass die schlechte Laune in der Wirtschaft
zunimmt und aus der Stagnation eine Krise wird?
Südekum: In vielen Punkten arbeitet die Ampelregierung geräuschlos und gut
zusammen. So beschleunigt sie Genehmigungsverfahren und erleichtert älteren
Beschäftigten länger zu arbeiten. Aber die permanenten Streitigkeiten in
allen Finanzfragen bleiben niemandem verborgen. Im Ausland fragen sich
viele, was mit den Deutschen los ist, die sonst für ihren Pragmatismus
bekannt sind. Und das alles nur wegen der Schuldenbremse, einer Regel, die
es in der heutigen Form nach der nächsten Bundestagswahl wohl nicht mehr
geben wird. Diese Finanzdebatte beschädigt auch die Wirtschaft. Unternehmen
können zum Beispiel nicht sicher sein, ob Förderprogramme kurzfristig
wieder gestoppt werden, weil plötzlich kein Geld mehr da ist.
18 Aug 2024
## LINKS
[1] /Einigung-im-Haushaltsstreit/!6030618
[2] /Schuldenbremse-bremst-Klimaschutz/!6027116
[3] /West-Raketen-gegen-Russland/!6030653
## AUTOREN
Hannes Koch
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Haushalt
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