| # taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Zwischen Höcke und Wagenknecht | |
| > In drei Wochen wählt Thüringen. Die CDU will an die Macht – ohne AfD und | |
| > Linke. Aber mit wem dann? Unterwegs in einem komplizierten Wahlkampf. | |
| Bild: Zu Christian Tischner kommen Menschen mit ihren Sorgen: ein kaputter Bür… | |
| Christian Tischner will am 1. September Björn Höcke besiegen. Zweimal hat | |
| der Christdemokrat das Direktmandat für den Thüringer Landtag in seiner | |
| Heimatstadt Greiz gewonnen, zuletzt lag er fünf Prozentpunkte vor der AfD. | |
| Greiz, eine alte Residenzstadt mit hübschem historischem Kern, liegt im | |
| Südosten Thüringens. AfD-Spitzenkandidat Höcke, der von Hessen nach | |
| Thüringen kam, wohnt mit seiner Familie im Eichsfeld am anderen Ende des | |
| Bundeslandes. Dort ist er schon zweimal als Direktkandidat angetreten. Und | |
| zweimal unterlag er der CDU, die in der katholischen Region besonders | |
| verwurzelt ist. Deshalb versucht er es jetzt in Greiz II, Tischners | |
| Wahlkreis. Experten gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. | |
| Tischner, 42, ist Vizechef und bildungspolitischer Sprecher der | |
| CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Am Samstagmorgen, kurz vor neun, parkt | |
| er seinen Minivan vor dem Rewe-Markt, holt einen Stehtisch aus dem | |
| Kofferraum, legt Broschüren, Flyer, Blöcke und Kulis darauf, auch | |
| Brausewürfel und kleine Becher mit scharfem Senf. | |
| Der Supermarkt liegt in einem Neubaugebiet von Greiz, alte Plattenbauten | |
| umgeben ihn. Früher arbeiteten viele, die hier leben, im Uranbergbau oder | |
| in der Textilindustrie, bis diese nach der Wende dichtmachten. Heute könnte | |
| vor allem hier die AfD vorne liegen. | |
| „Darf ich Ihnen etwas mitgeben?“, fragt Tischner die Leute, die aus dem | |
| Supermarkt kommen. Oder: „Etwas scharfen Senf zum Grillen heute Abend?“ Auf | |
| den Senfdeckeln ist ein runder Aufkleber mit Tischners Bild. „Der von | |
| hier!“ steht daneben. „Ich bin der von hier, der sich um das kümmert, was | |
| die Leute bewegt“, sagt Tischner. „Und das bestätigen sie mir auch.“ Er | |
| habe sechs Millionen organisiert für Gewerbegebiete in Greiz organisiert, | |
| 200.000 Euro für die Schwimmhalle, 100.000 Euro für das Dach der Turnhalle | |
| in Kleinreinsdorf, 300 Sportvereinsmitglieder seien da engagiert. | |
| Am Stand klagt ein Mann über den Zustand eines Bürgersteigs, eine Frau über | |
| die fehlenden Gynäkologin im Ort, eine Mutter über den Lehrermangel. Die, | |
| die weggucken oder mit ihren Einkaufswagen möglichst abseits von seinem | |
| Tisch zum Parkplatz gehen, die lässt Tischner ziehen. | |
| Am 1. September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Viel steht auf | |
| dem Spiel, nicht nur für die CDU in Thüringen. Auch für Parteichef | |
| Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat werden will. Für die Zukunft der CDU | |
| als Volkspartei. Und für die Demokratie. | |
| Die AfD könnte erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft werden, seit | |
| Monaten führt sie stabil und mit großem Abstand die Umfragen an – zuletzt | |
| lag sie bei 30 Prozent. Wenn sie ein Drittel der Sitze holt, kann sie im | |
| Landtag wichtige Entscheidungen blockieren. In Thüringen ist die AfD unter | |
| Höckes Führung besonders radikal, der Verfassungsschutz hat den | |
| Landesverband vor drei Jahren als rechtsextrem eingestuft. | |
| Die CDU will zurück an die Macht, unbedingt. Lange schien es so, als seien | |
| die Christdemokraten in Thüringen die natürliche Regierungspartei, 24 Jahre | |
| führten sie das Land, manchmal mit Wahlergebnissen von über 50 Prozent. Bis | |
| Rot-Rot-Grün es 2014 schaffte, ein Bündnis ohne die CDU zu bilden, und den | |
| Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten machte, manche Konservative | |
| halten das bis heute für einen Betriebsunfall. | |
| Zehn Jahre ist Ramelow nun im Amt, mit dieser kleinen Unterbrechung Anfang | |
| 2020, als Thomas Kemmerich von der FDP mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP | |
| kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Das löste in Thüringen | |
| ein politisches Erdbeben aus – mit Erschütterungen weit über das kleine | |
| Bundesland hinaus. Das Bild, wie die damalige Fraktionsvorsitzende der | |
| Linken, Susanne Hennig-Wellsow, Kemmerich ihren Blumenstrauß vor die Füße | |
| wirft, wurde zur Ikone. | |
| Die CDU liegt in den Umfragen mit gut 20 Prozent auf Platz zwei, was die | |
| Frage aufwirft, mit wem sie eigentlich eine Regierung bilden will. Rein | |
| rechnerisch ginge das mit der AfD. Aber eine Koalition mit der extrem | |
| rechten Partei hat die CDU ebenso ausgeschlossen wie eine Zusammenarbeit | |
| mit den Linken, die in den Umfragen auf Platz vier abgestürzt ist. Womit | |
| man beim BSW, dem Bündnis Sahra Wagenknecht, wäre, das knapp hinter der CDU | |
| liegt. Der SPD werden 6 bis 7 Prozent prognostiziert, nach jetzigem Stand | |
| würden Grüne und FDP aus dem Landtag fliegen. | |
| Die CDU könnte sich also mit dem neu gegründeten BSW zusammentun, dessen | |
| Parteichefin aus Berlin jetzt gerne neue Anforderungen für eine | |
| Regierungsbeteiligung formuliert, die alle nichts mit Thüringen zu tun | |
| haben, aber der CDU das Leben schwer machen. Erst sagte sie, das BSW würde | |
| nur mit solchen Parteien auch in den Ländern koalieren, die sich mit Blick | |
| auf die Ukraine für Diplomatie aussprechen. Jetzt fordert sie ein | |
| Bekenntnis gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in | |
| Deutschland, die die Bundesregierung zugesagt hat. Wahrscheinlich bräuchte | |
| ein Bündnis aus CDU und BSW auch noch die Sozialdemokraten. | |
| Was aber ist, wenn das nicht klappt? Wenn CDU und BSW nicht zusammenfinden? | |
| Wenn das BSW vorne liegt und die CDU nur auf Platz 3? Wenn die CDU-Basis | |
| gegen ein Bündnis mit „den Kommunisten“, wie sie manche Christdemokraten | |
| nennen, rebelliert? Oder wenn es einfach nicht reicht? Würde sich dann die | |
| CDU vielleicht doch auf das gefährliche Spiel mit der AfD einlassen? | |
| ## Offizielle Abgrenzung von der AfD | |
| Die Beschlusslage der Bundes-CDU ist eindeutig, sie hat diese in einem | |
| Papier zusammengefasst. „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und | |
| ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit | |
| der Alternative für Deutschland ab“, heißt es darin, so hat es ein | |
| Bundesparteitag 2018 beschlossen. Im Jahr darauf, nach dem rechtsextremen | |
| Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, hat der | |
| Bundesvorstand die Unvereinbarkeit von CDU und AfD noch einmal | |
| unterstrichen. | |
| Mario Voigt war am 5. Februar 2020 dabei, als die CDU-Fraktion trotz aller | |
| Warnungen im dritten Wahlgang für Kemmerich gestimmt hat. Aus den | |
| Erschütterungen in der Thüringer CDU, die darauf folgten, ist er als Sieger | |
| hervorgegangen. Er ist Landes- und Fraktionschef, nach der Wahl will er | |
| Ministerpräsident werden. Voigt, 47, wird eine gehörige Portion Ehrgeiz | |
| nachgesagt. Im April hat er sich einem Fernsehduell mit Höcke gestellt, ein | |
| riskantes Unterfangen, das scharf kritisiert worden ist. Voigt ist dadurch | |
| bekannter geworden. Am vergangenen Freitag sitzt er in seinem Büro im | |
| Thüringer Landtag in Erfurt. „Wir haben eine Koalition mit der AfD auf | |
| Landesebene ausgeschlossen, und das gilt“, sagt er. Und dass man aus der | |
| Kemmerich-Wahl gelernt habe. „Ich stelle mich nur zur Wahl, wenn ich | |
| ausschließen kann, dass Thüringen und seine demokratischen Institutionen | |
| beschädigt werden.“ Was wohl heißen soll, dass es dafür eine sichere | |
| Mehrheit ohne AfD geben muss. | |
| Auch Christian Tischner ist in der Frage AfD entschieden. „Es wird keine | |
| Koalition mit der AfD geben, auf keinen Fall“, sagt er. „Als CDU Thüringen | |
| sind wir da ganz klar.“ Es gebe zwar „zwei oder fünf Irrlichter“, aber d… | |
| gebe es in jeder Partei. An seinem Stand vor dem Supermarkt steht jetzt ein | |
| Mann, der sagt: „Ich wähle nur die SPD“ und dass der Höcke und die AfD do… | |
| Gelumpe seien. „Es gibt ja zwei Stimmen“, setzt Tischner an und erklärt, | |
| dass es bei der Erststimme auf ein Duell zwischen Höcke und ihm | |
| hinauslaufe. Man könne ja auch mit der Zweitstimme die SPD und mit der | |
| Erststimme den Kandidaten einer anderen Partei wählen. Dann reicht er | |
| seinen Flyer herüber, auf der letzten Seite werden die beiden Stimmen noch | |
| einmal erklärt. | |
| Dort ist auch die Kandidatin abgebildet, die im zweiten Greizer Wahlkreis | |
| für die CDU antritt, die ehemalige Landrätin Martina Schweinsburg. Sie | |
| könnte eine von denen sein, die Tischner in Sachen AfD für ein „Irrlicht“ | |
| hält, auch wenn er das niemals so sagen würde. Schweinsburg, 64, war 34 | |
| Jahre lang Landrätin in Greiz, bei der letzten Wahl durfte sie wegen ihres | |
| Alters nicht mehr antreten. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie | |
| die Ausgrenzung der AfD für falsch hält. Mit Zitaten wie „Man muss mit | |
| allen reden“ oder „Wir sollten keine Türen vorzeitig zuschlagen“ hat sie… | |
| immer wieder in die Schlagzeilen geschafft. „Ich betrachte die | |
| Unvereinbarkeitsbeschlüsse lediglich als Empfehlung“, sagte sie jüngst der | |
| Zeit. Schweinsburg hat gute Chancen, im September in den Landtag | |
| einzuziehen, Voigt hat sie gerade in sein Kompetenzteam berufen. | |
| ## Michael Brychcy hält nicht viel von Abgrenzung | |
| In der neuen CDU-Fraktion könnte sie in Michael Brychcy einen Verbündeten | |
| finden. Brychcy, 63, war 35 Jahre Bürgermeister von Waltershausen, einer | |
| Kleinstadt in der Nähe von Gotha, und lange Präsident des Thüringer | |
| Gemeinde- und Städtebundes. Er ist ein Mann, der gerne betont, dass er | |
| sagt, was er denkt. Brychcy könnte jetzt in Rente gehen, stattdessen | |
| kandidiert er für Landtag. „Ich möchte, dass jemand im Landtag sitzt, der | |
| 35 Jahre an der Basis gearbeitet hat und die Leute wirklich kennt“, sagt er | |
| zur Begründung. „Und ich möchte der AfD das Direktmandat wieder abnehmen.“ | |
| Deshalb steht er am Samstagnachmittag im Waldschwimmbad in Schönau vor dem | |
| Walde an einem Stehtisch. Der Himmel ist blau, die Sonne knallt, vor | |
| Brychcy rutschen Kinder jauchzend ins Wasser. Brychcy trägt ein weißes Hemd | |
| und eine rostrote Cordhose, er ist nicht zum Schwimmen hier. Das Bad feiert | |
| seinen 70. Geburtstag, viele Gäste aus der Region sind da, Brychcy steht | |
| vor dem Bierwagen, schüttelt Hände, klopft auf Schultern, hält ein | |
| Schwätzchen hier und da. | |
| Michael Brychcy macht Wahlkampf für sich, nicht für seine Partei. „Wenn die | |
| Leute mich wollen, dann wählen sie mich direkt und dann gehe ich da rein | |
| und sonst eben nicht.“ | |
| Brychcy sagt gern Sätze wie: „Es gibt kein grünes und kein gelbes und kein | |
| rotes und kein schwarzes Schlagloch, es gibt ein Schlagloch und die Leute | |
| erwarten, dass wir es wegmachen.“ Korrekterweise müsste man hier wohl ein | |
| blaues Schlagloch hinzufügen, denn wie Martina Schweinsburg hält Brychcy | |
| nicht viel von der Diskussion über Brandmauern und der Abgrenzung zur AfD | |
| und tut das auch gerne öffentlich kund. Damit hat er es in die | |
| überregionalen Medien geschafft. | |
| Mit den AfD-Abgeordenten im Stadtrat habe es nie Probleme gegeben, erzählt | |
| Brychcy jetzt. „Wir haben die ordentlich behandelt, die haben uns | |
| ordentlich behandelt und alles mitgemacht, auch den Haushalt | |
| mitbeschlossen. Ich sag mal, wenn ein Fremder zu mir in den Stadtrat | |
| gekommen wäre, der hätte gar nicht mitgekriegt, wer von der AfD ist.“ | |
| Als die CDU-Bundeszentrale jüngst ein Papier mit Empfehlungen zum Umgang | |
| mit der extrem rechten Partei in den Kommunen verschickt hat, habe er das | |
| gelöscht. Auch von dem Unvereinbarkeitsbeschluss hält er nicht viel. „Das | |
| interessiert mich persönlich überhaupt nicht“, sagt Brychcy. „Wenn Herr | |
| Merz in Berlin rumläuft und sagt, in Thüringen dürfen wir nicht mit der AfD | |
| reden, dann soll Herr Merz bitte doch mal herkommen und eine Woche hier | |
| verbringen, damit er sieht, wie wir hier leben.“ | |
| Was bedeutet es, wenn Abgeordnete wie Martina Schweinsburg und Michael | |
| Brychcy künftig für die CDU im Landtag sitzen? Ganz neu ist das nicht. Es | |
| gab bereits zwei CDU-Abgeordnete, die einer Zusammenarbeit mit der AfD | |
| nicht gänzlich abgeneigt sind und das auch offen postulierten. Beide sind | |
| über 60 und treten nicht wieder an. | |
| In der letzten Legislatur hat die CDU im Landtag mehrfach mit den Stimmen | |
| der AfD Gesetze auf den Weg gebracht, so hat sie die Grunderwerbsteuer | |
| gesenkt und den Bau von Windkraftanlagen im Wald erschwert. Schon vor zwei | |
| Jahren stimmten die beiden Fraktionen gemeinsam gegen das Gendern im | |
| Landtag. Das geht, weil der rot-rot-grünen Landesregierung eine eigene | |
| Mehrheit fehlt. Die CDU hat das Bündnis deshalb eine Weile toleriert, auch | |
| wenn das nicht so heißen durfte, man sprach verdruckst von einem | |
| „Stabililitätsmechanismus“. Doch die CDU wollte – auch mit Blick auf die | |
| nächste Wahl – Profil gewinnen, was als Mehrheitsbeschaffer eines linken | |
| Bündnis nicht einfach ist. Die Abstimmungen mit Rot-Rot-Grün wurden | |
| weniger, ab und an votierten die Christdemokraten allen | |
| Bundesparteitagsbeschlüssen zum Trotz mit der AfD. | |
| ## CDU und AfD arbeiten bereits oft zusammen | |
| Auch in den Kommunen hat die den Linken nahestehende | |
| Rosa-Luxemburg-Stiftung zahlreiche Fälle von Zusammenarbeit mit der AfD | |
| dokumentiert. Ein Beispiel ist Sonneberg, wo AfD-Mann Robert Sesselmann nun | |
| seit einem guten Jahr Landrat ist. Schon vor dessen Wahl wurden dort | |
| mehrere Fälle von Zusammenarbeit mit der AfD bekannt. Beispiel: eine | |
| AfD-Resolution gegen Windkraftanlagen im Sonneberger Land. Die hat die | |
| CDU/FDP-Fraktion verschärft und ihr dann gemeinsam mit den extrem Rechten | |
| zugestimmt. | |
| Geradezu bizarr ist der Fall von Frank Böwe, der im Wartburgkreis für die | |
| CDU im Stadtrat und für die AfD im Kreistag sitzt. Weil der Mann parteilos | |
| ist, hat die CDU keine Sanktionsmöglichkeiten, aber die Christdemokraten | |
| vor Ort hätten die erneute CDU-Kandidatur verhindern können. Versuche, auf | |
| sie einzuwirken, scheiterten. Man verbitte sich eine Einmischung von außen. | |
| So berichtet es einer, der beteiligt war. | |
| Wie viele in der Thüringer CDU so ticken, ist schwer zu sagen. Und auch, | |
| wie sie sich verhalten, wenn es hart auf hart kommen wird. Laut einer neuen | |
| Forsa-Umfrage halten 68 Prozent der ostdeutschen CDU-Mitglieder eine | |
| Zusammenarbeit mit der AfD von Fall zu Fall für denkbar, wobei dort nicht | |
| zwischen Landesebene und Kommunen unterschieden wird. | |
| ## Die Angst vor Lenin auf dem Nachttisch | |
| „Ramelow ist gefährlicher als die AfD“, hat jüngst Bernhard Vogel, frühe… | |
| Ministerpräsident der Thüringer CDU, in einem Interview gesagt. Klar, der | |
| Mann ist alt und das muss man bei der Bewertung dieser Aussage vielleicht | |
| berücksichtigen. Und doch zeigt sie eben auch das eingeübte Weltbild der | |
| CDU: Der Feind steht links. | |
| Inzwischen ist später Nachmittag, Brychcy war bei verschiedenen | |
| Veranstaltungen in seinem Wahlkreis, jetzt sitzt er in der Nähe des | |
| Bürgerhauses in Emleben auf einer schattigen Bank. Drinnen wird der | |
| 20-jährige Geburtstag des Hauses gefeiert, wenn das Programm vorbei ist, | |
| will Brychcy da sein, um Gespräche zu führen. Zu den | |
| Koalitionsmöglichkeiten nach der Landtagswahl will er eigentlich nichts | |
| sagen, und dann macht es doch. Er sagt, dass mit Höcke grundsätzlich gar | |
| nichts gehe, schon allein weil der Mann ein Narzisst sei. Dass nach den | |
| Umfragen die Wahrscheinlichkeit, dass die CDU mit dem BSW „da was macht“, | |
| relativ hoch sei. „Das Thema AfD ist CDU-mäßig ausgeschlossen. Ich sehe ein | |
| paar Dinge anders, muss ich sagen. Aber da will ich jetzt auch nicht quer | |
| hauen. Gleichwohl ich von dem Thema BSW auch nicht zu 100 Prozent überzeugt | |
| bin.“ | |
| Mit dem BSW habe er Bauchschmerzen, sagt Brychcy. Und das gelte für viele | |
| in der CDU. „Frau Wagenknecht, Erzkommunistin, hat doch wahrscheinlich ein | |
| Bild von Lenin auf ihrem Nachttisch stehen“, sagt er. „Die erzählt jetzt | |
| was vom Freund Russland und so weiter. Dabei hat der den Krieg angefangen.“ | |
| Da sei ihm Ramelow lieber. Aber mit den Linken sei eine Koalition eben auch | |
| ausgeschlossen. „Das ist so eine festgefahrene Kiste hier in Thüringen.“ | |
| Thomas Biebricher, Politikprofessor aus Frankfurt, ist Experte für | |
| Konservatismus. Er hat europaweit die Entwicklung von Mitte-rechts-Parteien | |
| beobachtet, die häufig ein Niedergang ist, auch weil sie versuchen, | |
| Rechtspopulisten nachzueifern. Aus seiner Sicht hat sich die Thüringer CDU | |
| in eine fast aussichtslose Situation manövriert. „Wenn sie mit der AfD | |
| gemeinsame Sache macht, dann ist das der schlimmste anzunehmende Unfall für | |
| die CDU insgesamt“, sagt Biebricher. Aber auch ein Bündnis mit dem BSW bei | |
| gleichzeitigem Ausschluss einer Zusammenarbeit mit den Linken sei | |
| problematisch, weil dies einfach schwer nachvollziehbar sei. „So kann das | |
| Bild entstehen, dass die CDU, um an die Macht zu kommen, zu vielem bereit | |
| ist, samt einem Verrat an christdemokratischen Werten. Das könnte intern zu | |
| massiven Verwerfungen führen und nach außen viel Glaubwürdigkeit kosten.“ | |
| Christian Tischner, der Mann, der in Greiz Höcke schlagen will, war früher | |
| Lehrer am Gymnasium für Politik und Geschichte. Während seines Studiums hat | |
| er sich mit der NPD beschäftigt, die damals im sächsischen Landtag saß. Für | |
| eine Hausarbeit hat er von der Tribüne die Reden der Rechtsextremisten | |
| verfolgt. Hat er damals etwas für den heutigen Umgang mit der AfD gelernt? | |
| „Dass die Neue Rechte gefährlich ist und langfristig denkt“, antwortet | |
| Tischner. | |
| Zur langfristigen Strategie der Neuen Rechten gehört das Ziel, die CDU zu | |
| zerstören, die für die Grenze zwischen demokratischen Konservativen und | |
| undemokratischen Extremisten steht. AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah hat | |
| das während des Europawahlkampfs offen gesagt. | |
| Und Benedit Kaiser, einer der neurechten Strategen, hat das jüngst auf X | |
| noch einmal für Thüringen aufgeschrieben: „1. 2024 Ramelow in Rente senden; | |
| Linkspartei pulverisieren. 2. Selbst 30% erreichen; CDU in eine fragile | |
| Linkskoalition mit SPD & Wolf-BSW zwingen. 3. CDU-Widersprüche bespielen; | |
| auf Implosion hinarbeiten; bei der nächsten Wahl CDU pulverisieren.“ | |
| 15 Aug 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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