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# taz.de -- Mario Voigt über Wahl in Thüringen: „Warum diese Koalitionspuzz…
> Der CDU-Mann Mario Voigt will Ministerpräsident von Thüringen werden.
> Ohne das BSW geht das kaum. Ein Gespräch über Wagenknecht und „Höcke ist
> doof“.
Bild: Er ist Transatlantiker und gegen das Bürgergeld: CDU-Spitzenkandidat Mar…
taz: Herr Voigt, macht Sahra Wagenknecht auf die letzten Meter Ihren Plan
zunichte, in Thüringen Ministerpräsident zu werden?
Mario Voigt: Nein, warum? Sahra Wagenknecht kandidiert doch gar nicht.
taz: Wagenknecht formuliert aber Forderungen des BSW für Koalitionen auf
Landesebene, die nicht zu den Positionen der CDU im Bund passen: Erst
sagte sie mit Blick auf die Ukraine, [1][dass das BSW nur mit Parteien
koalieren kann, die bundespolitisch klar Position für Diplomatie beziehen].
Jetzt kommt eine Ablehnung der Stationierung von neuen
US-Mittelstreckenwaffen hinzu. Da kann die CDU doch nicht einschwenken,
oder?
Voigt: Die Fragen der Weltpolitik entscheiden sich nicht im Thüringer
Landtag. Die Position der CDU ist in diesen Fragen klar, das wird auch Frau
Wagenknecht nicht mit ihren ständigen Kommentaren von der Seitenlinie
ändern. Ich selbst sage seit zwei Jahren, dass diplomatische Initiativen
deutlich hörbarer sein müssen. Zur Wahrheit aber gehört: Die Ukraine muss
sich verteidigen können, und wer einen langfristigen Frieden will, darf
nicht zulassen, dass Putin gewinnt. Wer glaubt, nun aus der Ferne
Bedingungen stellen zu können, dem geht es nicht um Thüringen, dem geht es
nur um sich und das eigene Ego.
taz: Haben Sie [2][Katja Wolf, die Spitzenkandidatin des BSW in Thüringen],
schon mal gefragt, ob sie diese Vorgaben von Sahra Wagenknecht teilt – oder
sich daran gebunden fühlt?
Voigt: Das muss sie selbst entscheiden.
taz: Unterscheiden Sie zwischen Wagenknecht und Wolf?
Voigt: Die sind sich ja nicht mal in ihren inhaltlichen Positionen einig.
Katja Wolf bewegt sich vorsichtiger und ist eher auf Thüringen
konzentriert.
taz: Um eine Koalition bilden zu können, brauchen Sie den Umfragen zufolge
mindestens entweder die AfD, die mit etwa 30 Prozent klar vor Ihrer CDU mit
rund 21 Prozent liegt; oder das BSW, das Ihnen auf den Fersen ist; oder die
Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Laut einem Beschluss des
CDU-Bundesparteitags dürfen Sie weder mit der AfD noch mit der Linken
zusammenarbeiten, also bleibt nur das BSW. Ist das Ihre Koalitionsoption?
Voigt: Wir wissen noch nicht einmal, wie viele oder welche Parteien im
Landtag vertreten sein werden. Klar ist: Mit der AfD und der Linken wird es
keine Zusammenarbeit geben. Wir kämpfen dafür, dass die CDU stärkste Kraft
wird und die neue Regierung maßgeblich inhaltlich bestimmen kann.
taz: Wenn Sie nicht sagen, ob Sie bereit sind, mit dem BSW zu koalieren,
wissen die Bürger nicht, was sie bekommen, wenn sie die CDU wählen.
Voigt: Ich sage allen Wählern, sie sollen mit beiden Stimmen CDU wählen.
Beim BSW wissen sie gar nicht, was sie danach bekommen. Die sprechen auch
darüber, Links-Grün weiter zu unterstützen.
taz: Sie schließen eine Zusammenarbeit also nicht aus.
Voigt: Warum sind diese Koalitionspuzzles immer wichtiger als die
Bedürfnisse und Themen der Thüringer? Ich habe mit vielen Menschen
gesprochen, die genervt sind, dass die tatsächlichen Probleme ignoriert und
stattdessen nur Koalitionsoptionen diskutiert werden.
taz: Was passiert, wenn das BSW hinter der AfD auf Platz zwei landet?
Könnten Sie sich vorstellen, Katja Wolf zur Ministerpräsidentin zu wählen,
um Höcke zu verhindern?
Voigt: In einer aktuellen Umfrage wünschen sich fast 40 Prozent der
Thüringer, dass die CDU die Regierung führt. Das ist erst mal ein
Vertrauensbeweis. Und viele Thüringer trauen mir zu, das Land zu führen –
gerade im Verhältnis zu Björn Höcke.
taz: Gut, aber bei den 40 Prozent geht es um die CDU als Partei. Im
direkten Vergleich zwischen Ministerpräsident Bodo Ramelow und Ihnen
vertrauen mehr auf Ramelow.
Voigt: 47 zu 30 Prozent für den Amtsinhaber, das ist kein gutes Ergebnis
für ihn. Ich bin zufrieden, dass wir demnach in allen wesentlichen
Themenfeldern, die die Thüringer bewegen – Bildung, Wirtschaft, selbst
Asylfragen –, eine hohe Kompetenzzuschreibung haben. Wenn es um Thüringer
Themen geht, sagen die Leute: Die CDU soll es machen.
taz: Warum verharrt die CDU dann bei um die 20 Prozent?
Voigt: Bei den einzigen realen Wahlen, die in Thüringen stattgefunden
haben, nämlich den Kommunalwahlen, ist die CDU stärkste Kraft geworden: Gut
27 Prozent im Durchschnitt, die AfD lag nur bei knapp 26.
taz: Die Europawahl war auch real – und da sah es für die CDU in Thüringen
eher düster aus.
Voigt: Wir haben zusammen so viele Stimmen geholt wie alle Ampelparteien
plus die Linke. Wenn Sie das als düster bezeichnen wollen … Wir waren nach
der AfD stärkste Kraft. Bei der Kommunalwahl lagen wir vorn. CDU oder AfD:
Das ist das Duell, das es im Land gibt.
taz: Könnte es in Ihrer Fraktion zur Diskussion kommen, ob es mit der AfD
nicht doch besser wäre als mit dem BSW?
Voigt: Eine Koalition mit der AfD kann ich ausschließen.
taz: Aber Sie haben Kandidaten wie Martina Schweinsburg und Michael
Brychcy, die eine Zusammenarbeit nicht ausschließen – und die Sie sogar in
Ihr Expertenteam berufen haben.
Voigt: Wir haben eine Koalition mit der AfD auf Landesebene ausgeschlossen,
und das gilt.
taz: Warum muss in Ihrem Wahlspot am Ende ein kleiner Junge sagen: „Höcke
ist doof“? Trauen Sie sich das selber nicht?
Voigt: Sagen wir doch. Ich sage, dass Höcke eine Gefahr für dieses Land
ist. Ein Chancentod. Jemand, der Arbeitsplätze in Thüringen kosten würde,
der vor allen Dingen für den inneren Zusammenhalt meiner Heimat gefährlich
ist und für den Abstieg Thüringens steht.
taz: Nehmen wir mal an, dass nach der Wahl die AfD als stärkste Kraft eine
schnelle Wahl des Ministerpräsidenten forciert. Kann sich dann das Drama
von 2020 wiederholen, als Thomas Kemmerich von der FDP mit den Stimmen von
AfD, FDP und CDU gewählt wurde?
Voigt: Nein, wir haben gelernt.
taz: Sie treten nur an, wenn Sie eine sichere Mehrheit ohne AfD haben?
Voigt: Ich stelle mich nur zur Wahl, wenn ich ausschließen kann, dass
Thüringen und seine demokratischen Institutionen beschädigt werden.
taz: Rechtsextreme Gewalt ist eine Gefahr für die Demokratie.
Opferberatungsstellen wie Ezra oder Mobit und Demokratieprojekte bekommen
Geld vom Land. Ist diese Finanzierung auch mit der CDU in der Regierung
gesichert?
Voigt: Unser Ziel ist, die Demokratie zu stärken. Logischerweise sind auch
die Unterstützungsangebote für Demokratie im Landeshaushalt ein Beitrag
dazu.
taz: Sie plakatieren „Arbeit statt Bürgergeld“. Die CDU im Bund fordert,
sogenannten Totalverweigerern das Bürgergeld zu streichen. Diese sind eine
sehr kleine Gruppe, Sie aber zeichnen das Bild vom faulen Arbeitslosen. Was
wollen Sie so erreichen?
Voigt: Unser Lebensmodell in Deutschland bedeutet Arbeit. Das gilt für
Deutsche wie auch für diejenigen, die zu uns kommen. Ich mache Politik für
die 800.000 Thüringerinnen und Thüringer, die jeden Tag auf Arbeit gehen,
sich in großer Anzahl als Ehrenamtliche engagieren und sich fragen: Ist das
hier noch eine Heimat für Fleißige? Und deswegen glaube ich, dass das
Bürgergeld falsch ist.
taz: Michael Kretschmer fordert, die Beweislast beim Bürgergeld umzudrehen.
Bevor man Bürgergeld bekomme, müsse man nachweisen, dass man nicht in der
Lage sei zu arbeiten. Kritiker sagen, das sei Populismus. Sind Sie bei
Kretschmer?
Voigt: Ja, das halte ich für einen plausiblen Ansatz. Wir hören immer
häufiger von Unternehmen: Es gab einen Arbeitnehmer, aber der hat
gerechnet, und es war für ihn attraktiver, zu Hause zu bleiben.
taz: Müssten dann nicht vor allem die Löhne steigen?
Voigt: Das fällt unter die Tarifautonomie, dafür ist nicht die Politik
zuständig, sondern die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das große Misstrauen
der Thüringer Landesregierung gegenüber der mittelständischen Wirtschaft
führt zu einer massiven Belastung.
taz: Sie erhöhen lieber das Misstrauen gegenüber denen, die Bürgergeld
beziehen?
Voigt: Es geht einfach darum: Wer arbeiten kann, sollte es auch tatsächlich
tun. Das ist eine Einladung in eine Arbeitsgesellschaft.
taz: Sie machen auch Migration zum Thema. Warum?
Voigt: Weil es ein Thema ist, das den Leuten wichtig ist. Und weil ich
glaube, dass es ein objektives Problem ist, was wir angehen und lösen
müssen. Die CDU ist die einzige Partei in Thüringen, die bei diesem Thema
den Worten hat Taten folgen lassen. Unser Landrat im Saale-Orla-Kreis war
zum Beispiel der erste, der gemeinnützige Arbeit in
Gemeinschaftsunterkünften durchgesetzt hat. Hundert Leute waren in der
Maßnahme, sieben haben sie abgelehnt. Denen wurden die Sozialleistungen
gekürzt. Aber 20 davon sind nun in Vollzeitarbeitsplätzen. Wir lösen
Probleme, während andere nur reden.
taz: Eine [3][Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW])sagt, dass Migration – anders als oft behauptet – nicht den Erfolg
von AfD und BSW in den ostdeutschen Ländern begründet. Warum setzen Sie das
Thema trotzdem – obwohl es wahrscheinlich bei der AfD einzahlt?
Voigt: Wir beschäftigen uns mit den Themen, die tatsächlich Themen der
Leute sind.
taz: Bei Wahlkampfveranstaltungen der CDU thematisieren die Bürger aber
weniger die Migration als den Krieg in der Ukraine. Dieses Thema versuchen
Sie eher runterzukochen.
Voigt: Nein, ich weiche keinem Thema aus. Aber über Friedensverhandlungen
wird nicht im Thüringer Landtag entschieden.
taz: Herr Voigt, sind Sie Transatlantiker?
Voigt: Ja, weil ich daran glaube, dass wir mit der Nato und mit der
Europäischen Union ein Projekt für Frieden und für Freiheit haben.
taz: Schadet Ihnen das im Wahlkampf? In Ostdeutschland ist
Antiamerikanismus verbreitet.
Voigt: Was einem schaden würde, ist, ein unauthentischer Politiker zu sein.
Man muss zu seinen Überzeugungen stehen. Und das mache ich jeden Tag.
17 Aug 2024
## LINKS
[1] /BSW-und-Ukraine-Krieg/!6025186
[2] /Buergermeisterin-verlaesst-die-Linke/!5990183
[3] https://www.diw.de/de/diw_01.c.909807.de/einkommen__demografie_und_bildung_…
## AUTOREN
Sabine am Orde
David Muschenich
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