# taz.de -- Massenunterkunft Tegel: Das Leiden ist gewollt | |
> Deutschlands größte Unterkunft für Geflüchtete in Berlin wird erweitert. | |
> Dabei sind die Zustände menschenunwürdig und das Lager gehört aufgelöst. | |
Bild: Keine menschenwürdige Unterkunft: Tegel | |
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, heißt es so schön im | |
Volksmund. Eine Hölle ist das [1][Massenlager für Geflüchtete] auf dem | |
ehemaligen Flughafen Tegel allemal. Abgeschottet vom Rest der Stadt, | |
zusammengepfercht in einem Zelt mit 14 fremden Menschen ohne jegliche | |
Privatsphäre oder die Möglichkeit, sich seinen Bedürfnissen entsprechend zu | |
versorgen. Und das ganze für einen Tagessatz, mit dem man ein Zimmer für | |
einen ganzen Monat mieten könnte. | |
Doch statt die Hölle von Tegel zu schließen und den Schutzsuchenden ein | |
menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, soll Deutschlands größte Unterkunft | |
für Geflüchtete sogar noch ausgebaut werden. Erst wurden [2][eigene Schulen | |
eingerichtet], damit auch ja keine Integration stattfindet. Nun werden noch | |
mehr Zelte aufgebaut, um noch mehr Menschen auf engstem Raum | |
zusammenzupferchen. | |
Begründet wird die integrationsfeindliche und inhumane Maßnahme wie so oft | |
mit angeblichen Sachzwängen: Wir haben keinen Platz in Berlin, was sollen | |
wir denn machen, heißt es, oder noch schlimmer: Wenn wir keine Massenlager | |
mit unhaltbaren Zuständen wollen, dürfen wir halt keine Flüchtlinge mehr | |
ins Land lassen. | |
## Es geht auch würdevoll | |
Das ist nicht nur perfide, sondern auch Blödsinn. Anders als behauptet, ist | |
eine alternative und würdevolle Flüchtlingspolitik durchaus möglich. Wenn | |
ein Platz im Massenlager genauso viel kostet wie ein hochklassiges | |
Hotelzimmer, kann – und sollte – man die Menschen im Hotel unterbringen. | |
Bloß fürchtet man den Zorn der von rechten Ideologen aufgepeitschten | |
Massen. Als ob es irgendjemandem besser geht, wenn es Schutzsuchenden | |
besonders schlecht geht. | |
Die dezentrale Unterbringung aller Geflüchteten muss das oberste Ziel sein. | |
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) weiß das und sagt das auch – die | |
Vorsätze sind also da, bloß scheint das irgendwie niemanden zu | |
interessieren. | |
Das verwundert. Seit der schwarz-rote Senat an der Macht ist, machen seine | |
Senator*innen vor allem dadurch von sich reden, dass sie [3][autoritär | |
irgendwelche rückwärtsgewandten Vorhaben durchdrücken]: Ein unsinniger Zaun | |
gegen soziale Probleme für mehrere Millionen Euro, gigantische Betonwüsten | |
für Büros oder Autos, Radwegestopps und so weiter. | |
Doch wenn es um progressive Vorhaben wie eine menschenwürdige Unterbringung | |
geht, ist die Macht der Verantwortlichen auf einmal begrenzt. Als wäre die | |
Stadt eine semipermeable Membran, durch die nur Klientelpolitik ungehindert | |
fließen kann, während soziale Vorhaben für die benachteiligten Menschen auf | |
wundersame Weise aufgehalten werden. | |
Doch nichts ist daran wundersam. Politik entsteht nicht einfach, sie wird | |
gemacht – oder eben auch nicht. Wenn man von dem Geld, das das Massenlager | |
Tegel kostet, jeden Monat eine gute Unterkunft bauen kann, und das nicht | |
getan wird, dann darf getrost vermutet werden, dass der politische Wille | |
doch nicht so groß ist. Und man lieber Zäune baut, statt Brücken. | |
9 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bundesweit-groesste-Gefluechtetenunterkunft/!6018899 | |
[2] /Fluechtlingszentrum-Tegel/!5990230 | |
[3] /Goerlitzer-Park-in-Berlin-Kreuzberg/!6022210 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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