| # taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Geschäfte mit dem Krieg | |
| > Berlins Senat kündigt einem Betreiber von Unterkünften außerordentlich | |
| > wegen vertragswidrigem Verhalten. Linke fordert rein gemeinnützige | |
| > Träger. | |
| Bild: Waffenhandel, Gefängnisse, und Flüchtlingsunterkünfte: All das gehört… | |
| Bei der Serco Group verdienen sie Geld an allen Enden: Der Konzern zählt | |
| laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut [1][Sipri zu den 100 größten | |
| Rüstungskonzernen] weltweit. Gleichzeitig betreibt das Unternehmen | |
| Flüchtlingsunterkünfte. Zuständig dafür sind die [2][Tochterfirmen | |
| „European Homecare“ EHC] und ORS. Auch in Berlin hatte das Landesamt für | |
| Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) drei Unterkünfte an die ORS vergeben. Die | |
| Verträge dafür hat das LAF laut Senat zum 28. März dieses Jahres | |
| kurzfristig und außerordentlich gekündigt. Der Hintergrund für die | |
| außerordentliche Kündigung sei „vertragswidriges Verhalten“, wie die | |
| Senatsverwaltung für Soziales in den Antworten auf eine kleine Anfrage der | |
| Abgeordneten Elif Eralp (Linke) mitteilt. Die Unterkünfte hat das LAF | |
| demnach inzwischen über Interimsverträge an andere Betreiber vergeben. | |
| Zu den genauen Gründen für die außerordentliche Kündigung äußern sich wed… | |
| die Senatsverwaltung noch das LAF. Denn es handele sich um ein laufendes | |
| Verfahren, man wolle „die eigene Rechtsposition nicht gefährden“, heißt es | |
| vom LAF und aus der Verwaltung. „Leider antwortet der Senat sehr | |
| schmallippig im Hinblick auf die Hintergründe der Kündigung der Verträge | |
| mit ORS“, kritisiert Eralp, es ließe sich nur vermuten, dass ein | |
| Gerichtsverfahren läuft. Der Senat bestätigt in der Anfrage allerdings | |
| auch, dass es einen Todesfall in einer der von ORS betriebenen Unterkünfte | |
| gegeben habe. „Es könnte sein, dass der mit der Kündigung in Verbindung | |
| steht“, sagt Eralp. | |
| [3][Recherchen von tagesschau.de und „Monitor]“ legen den Zusammenhang | |
| ebenfalls nahe. Demnach soll es sich bei dem Toten um einen 24-jährigen | |
| Mann aus Guinea handeln. Sein Tod soll in der Einrichtung Ende letzten | |
| Jahres über mehrere Wochen unentdeckt geblieben sein. Tagesschau.de | |
| schreibt, dass eine mit dem Fall vertraute Quelle dies gegenüber Monitor | |
| berichtet habe. Die Unterbringungskosten für den Mann sollen zudem noch | |
| abgerechnet worden sein, als dieser bereits verstorben war. Tagesschau.de | |
| schreibt weiter, das Unternehmen wiederum habe „Monitor“ mitgeteilt, dass | |
| sie den Tod des Bewohners „umgehend nach Bekanntwerden“ gemeldet hätten. | |
| ## Einige Ungereimtheiten | |
| Linke-Politikerin Elif Eralp überzeugt das nicht. „Eigentlich gilt die | |
| Regel: wer sich drei Tage in Folge nicht in einem Heim für Geflüchtete | |
| persönlich meldet, wird dort abgemeldet“, sagt sie. Angesichts ihrer | |
| eigenen Informationen würden sich einige Ungereimtheiten ergeben. Eralp | |
| fordert mehr Transparenz und Aufklärung und kritisiert außerdem, dass der | |
| Senat überhaupt Unterkünfte an Unternehmen wie ORS vergibt. | |
| Doch dass die Serco Group knapp ein Drittel ihres Umsatzes durch | |
| Waffenhandel erzielt, dass sie außerdem auch Abschiebegefängnisse und für | |
| Australien Gefängnisse für Flüchtlinge auf Inseln im Pazifik betreibt, all | |
| das ist für die Senatsverwaltung auch in der Zukunft kein Grund, dieses und | |
| ähnliche Unternehmen bei der Vergabe von Flüchtlingsheimen auszuschließen. | |
| Denn das darf laut den Spielregeln für solche Vergabeverfahren gar keine | |
| Rolle spielen, auch das schreibt die Senatsverwaltung in den Antworten auf | |
| Eralps Anfrage. | |
| Eralp fordert daher, dass der Senat hier tätig wird. „Aus meiner Sicht ist | |
| problematisch, dass der Betrieb von Unterkünften Unternehmen überantwortet | |
| werden kann, die nicht gemeinnützig sind, sondern bei denen das | |
| Profitstreben und die Gewinnerbringung im Vordergrund stehen“, sagt sie. | |
| „Solche sensible Bereiche der Daseinsvorsorge sollten von sozialen | |
| Einrichtungen oder der öffentlichen Hand selbst verantwortet werden und | |
| nicht von Tochterfirmen von Rüstungskonzernen.“ | |
| 10 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sipri.org/visualizations/arms-industry-2022/top-100-interactive | |
| [2] /Skandal-um-Fluechtlingsunterkunft/!5031600 | |
| [3] https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/fluechtlingsheime-betreiber-… | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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