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# taz.de -- Gutachten zum Westjordanland: IGH sieht Besatzung als illegal
> Israels Siedlungen im Westjordanland sowie das damit verbundene Regime
> verstoßen gegen internationales Recht, erklärt der Internationale
> Gerichtshof.
Bild: Blick auf die Sperranlage, die das seit 1967 besetzte Westjordanland von …
Freiburg taz | Die israelische Besatzung im Westjordanland und in
Ost-Jerusalem ist heute illegal und muss so schnell wie möglich beendet
werden. Dies erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das
Gericht der Vereinten Nationen, in einem Gutachten, das die
[1][UN-Generalversammlung in Auftrag gegeben hatte.]
Der IGH sollte untersuchen, welche rechtlichen Konsequenzen die seit 57
Jahren andauernde israelische Besetzung von palästinensischen Gebieten hat.
[2][Diesen Auftrag erteilte die UN-Generalversammlung im Dezember 2022 auf
Antrag der palästinensischen Autonomiebehörde].
[3][Das Gutachten], das Gerichtspräsident Nawaf Salam auszugsweise verlas,
dürfte von der palästinensischen Seite als großer Erfolg gewertet werden.
Zunächst stellte der IGH zahlreiche Rechtsverletzungen durch Israel fest.
Dann zog er daraus weitgehende rechtliche Schlüsse, bis hin zum sofortigen
Abzug der israelischen Siedler aus dem Westjordanland und Ostjerusalem. *
Israel hatte das Westjordanland, Ost-Jerusalem und den Gazastreifen 1967 im
Zuge des Sechstagekriegs besetzt, als man einem Angriff arabischer Staaten
zuvorkam. Aus dem Gaza-Streifen hatte sich Israel 2005 zurückgezogen. Zwar
gilt er immer noch als israelisch besetzt, so der EuGH, weil Israel zum
Beispiel die Grenzen kontrolliert. Faktisch spielte Gaza (und auch der
[4][aktuelle Gaza-Krieg]) im Gutachten keine Rolle.
## IGH wertete Vorgehen Israels als unzulässige Annexion
Maßstab für den IGH war vor allem die 4. Genfer Konvention von 1949, die
die Rechte und Pflichten eines Besatzungsstaats regelt. Dabei sei davon
auszugehen, so der IGH, dass eine Besatzung nur vorübergehend und nicht
dauerhaft ist. Israel aber hat schon durch die Legalisierung und
Unterstützung der Siedlungen gegen Völkerrecht verstoßen. Zahl und Umfang
der Siedlungen hätten auch immer mehr zugenommen. Durch Infrastruktur wie
Straßen, habe Israel die Siedlungen möglichst gut ins Staatsgebiet
integriert.
Israel habe die Ressourcen der palästinensichen Gebiete auch mehr
ausgebeutet als es für militärische Zwecke notwendig war, so der IGH.
Dagegen sei zum Beispiel der Zugang zu Wasser für die palästinensische
Bevölkerung nicht ausreichend, sagte Richter Salam. Unzulässig sei auch,
dass in den israelischen Siedlungen israelisches Recht gilt, obwohl im
besetzten Gebiet grundsätzlich das bisherige Recht weitergelten müsse.
Auch die [5][Verdrängung von Palästinensern] verstoße gegen die 4. Genfer
Konvention. Dabei gehe es nicht nur um gewaltsame Vertreibungen. Illegal
sei es auch, eine Situation zu schaffen, in der Menschen keine andere Wahl
haben, als ihre Heimatorte zu verlassen. Zudem habe Israel völlig versagt,
die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser zu verhindern und zu ahnden.
Der IGH wertete das gesamte Vorgehen Israels als unzulässige [6][Annexion]
von zumindest Teilen der besetzten Gebiete. Eine Besatzung dürfe nicht zur
Integration der besetzten Gebiete in den Besatzerstaat genutzt werden.
Israel wolle die Kontrolle über die besetzten Gebiete offensichtlich
unumkehrbar machen, so Richter Salam. Damit habe Israel mit Gewalt sein
Staatsgebiet ausgeweitet. Dies verstoße gegen das Völkerrecht.
## Glaubwürdiges Verhalten wird schwieriger
Einige Staaten hatten Israel in der mündlichen Verhandlung auch
vorgeworfen, eine Situation der Apartheit errichtet zu haben, weil für
israelische Siedler und Palästinenser unterschiedliches Recht gilt und die
Bevölkerungsgruppen streng getrennt werden. Der IGH stellte fest, dass
Israel damit gegen das Internationale Abkommen gegen Rassendiskriminierung
(CERD) verstoßen hat, ließ aber offen, ob damit das Verbot der „Apartheit“
oder der „rassischen Segregation“ verletzt wurde.
Aus dieser Feststellung umfassender Illegalität zog der IGH nun mehrere
weitreichende rechtliche Schlussfolgerungen. Mit 14:1 Richterstimmen
entschied der IGH, dass Israel sofort alle neuen Siedlungsaktivitäten
beenden und alle Siedler evakuieren muss. Mit 11:4 Richterstimmen wurde
Israel aufgefordert, so schnell wie möglich die besetzten Gebiete zu
verlassen. Mit 14:1 Richterstimmen wird Israel angehalten, den
Palästinensern Schadensersatz für alle Rechtsbrüche zu zahlen. Hier dürfte
es um gewaltige Summen gehen. Der IGH hält alle Staaten für verpflichtet,
Israel nicht bei der Aufrechterhaltung der Besatzung zu helfen und zu
unterstützen.
Das weitere Vorgehen müssten nun UN-Generalversammlung und
UN-Sicherheitsrat klären, sagte Richter Salam zum Abschluss. Das Gutachten
des IGH hat keine rechtliche Verbindlichkeit, ist aber als Gutachten zur
Feststellung der Rechtslage von hohem Gewicht, insbesondere auch wegen der
klaren Mehrheiten. Der deutsche IGH-Richter Georg Nolte stimmte immer mit
der Mehrheit.
Israel wird das Gutachten vermutlich ignorieren. In der
UN-Generalversammlung wird es dann wieder radikale, aber folgenlose
Resolutionen geben. Im UN-Sicherheitsrat wird die USA zwingende Maßnahmen
gegen Israel mit ihrem Veto verhindern, insbesondere falls Donald Trump als
Präsident gewählt werden sollte. Für Staaten wie Deutschland, die Israell
grundsätzlich unterstüzten, aber auch das Völkerrecht stärken wollen, wird
es immer [7][schwieriger, sich glaubwürdig zu verhalten].
19 Jul 2024
## LINKS
[1] /Internationaler-Gerichtshof-in-Den-Haag/!5989158
[2] /Israel-und-palaestinensische-Gebiete/!5905894
[3] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-a…
[4] /Gaza-Krieg-in-den-Medien/!6010413
[5] /Verdraengung-im-Westjordanland/!5540626
[6] /Soziologin-ueber-Israel-und-Palaestina/!5955241
[7] /Deutschland-Israel-und-der-Gaza-Krieg/!6010016
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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