| # taz.de -- Internationaler Gerichtshof zu Israel: Siedlungspolitik vor Gericht | |
| > Den Haag befasst sich mit Israels Besatzungspolitik im Westjordanland. | |
| > Der Antrag stammt von 2022 – hat durch den Krieg aber neue Relevanz | |
| > bekommen. | |
| Bild: Israelische Siedlung mit Flagge im Westjordanland | |
| Amsterdam taz | Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag haben | |
| am Montag Anhörungen zur israelischen Besatzung des Westjordanlands | |
| begonnen. Hintergrund ist ein Antrag der UN-Vollversammlung vom Dezember | |
| 2022 – also lange vor dem Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023 und | |
| dem daraus resultierenden Krieg in Gaza. | |
| Das UN-Gremium ersucht das Gericht um eine Stellungnahme zu den | |
| „rechtlichen Konsequenzen der israelischen Politik in den besetzten | |
| Palästinensischen Gebieten, inklusive Ost-Jerusalem“. Eine solche | |
| Stellungnahme ist nicht verbindlich, hat aber großes symbolisches Gewicht | |
| und politische Signalwirkung. | |
| Die nun begonnenen Anhörungen sollen eine Woche dauern. 52 Staaten und drei | |
| internationale Organisationen haben ihre Teilnahme angekündigt, so eine | |
| Mitteilung des UN-Gerichtshofs. Bei Letzteren handelt es sich um die | |
| Arabische Liga (LAS), die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) | |
| und die Afrikanische Union (AU), die am Schlusstag gehört werden sollen. | |
| Seit der Gründung des Gerichtshofs im Jahr 1945 gab es keinen anderen Fall, | |
| an dem eine vergleichbare Anzahl Parteien teilnehmen wollte. Den Auftakt | |
| der Anhörungen vor dem „Friedenspalast“ genannten Gericht machte am Montag | |
| [1][Riyad al-Maliki, der Außenminister der Palästinensischen | |
| Autonomiebehörde]. Er nannte die palästinensische Bevölkerung des | |
| Westjordanlands „Zweite-Klasse-Bürger*innen eines kolonialen, rassistischen | |
| Systems“, denen seit über einem Jahrhundert ihr von der UN-Charta | |
| garantiertes Recht auf Selbstbestimmung vorenthalten werde. | |
| ## Emotionale Debatte | |
| Die palästinensische Bevölkerung sei seither Massenvertreibungen, | |
| ethnischer Säuberung, Kolonialismus und Apartheid unterworfen gewesen. „Wer | |
| sich über diese Wortwahl empört, sollte empört sein über die Wirklichkeit, | |
| in der wir leben.“ | |
| Al-Maliki, der im Laufe seiner Rede zusehends emotional wurde, zeigte Fotos | |
| von im Gazakrieg verletzten Kindern und zerstörten Gebäuden. Dort sei ein | |
| Genozid in der Entstehung, so der Außenminister, und verwies damit auf die | |
| Anklage Südafrikas gegen Israel im Januar vor demselben Gerichtshof. Ende | |
| Januar reagierte dieser auf den Eilantrag Südafrikas und erlegte Israel | |
| Maßnahmen auf, um einen Völkermord zu verhindern und die humanitäre | |
| Situation im Gazastreifen zu verbessern. | |
| Einen weiteren Antrag Südafrikas, die geplante Bodenoffensive Israels in | |
| Rafah auszusetzen, lehnte das Tribunal am Freitag ab. Es rief Israel zur | |
| „unverzüglichen und wirksamen Umsetzung der Aufforderungen des Gerichts“ | |
| auf, was keine zusätzlichen Maßnahmen erfordere. | |
| Der palästinensische Chefdiplomat nannte die israelische Besatzung zudem | |
| „eine Perversion des internationalen Rechts“ und forderte ihr | |
| unverzügliches und bedingungsloses Ende sowie „einen unabhängigen | |
| palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 neben dem israelischen | |
| Staat, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt“. Unterstützt wurde al-Maliki von | |
| Andreas Zimmermann, Professor für Internationales und Europäisches Recht an | |
| der Universität Potsdam und Direktor des dortigen Menschenrechtszentrums. | |
| Zimmermann erklärte zunächst die UN für zuständig, die Palästina-Frage in | |
| Übereinstimmung mit internationalem Recht zu lösen. Er verwies auf die | |
| „wiederholten Aufrufe“ des Sicherheitsrates zu einer friedlichen Lösung. | |
| Israel dagegen habe ein „System rassischer Diskriminierung“ errichtet und | |
| deutlich gemacht, nur einen einzigen Staat auf dem umstrittenen Territorium | |
| zu akzeptieren. Er zitierte Israels Premier Benjamin Netanjahu, der Ende | |
| 2023 gesagt habe, „stolz“ zu sein, einen palästinensischen Staat verhindert | |
| zu haben. | |
| ## Israel nicht vertreten | |
| Ebenfalls Teil der palästinensischen Delegation war Paul Reichler, ein | |
| amerikanischer Experte für Internationales Recht. Dieser betonte, eine | |
| Besatzung sei per se ein vorübergehender Zustand. Eine permanente Besatzung | |
| sei daher „ein rechtliches Oxymoron“ und illegal. Israel habe die Westbank | |
| und Ost-Jerusalem „de facto annektiert“. Diese Absicht zeige sich durch | |
| mehr als 700.000 Siedler*innen, denen verschiedene Regierungen versprochen | |
| hätten dort bleiben zu können, sowie die Benutzung der biblischen Namen | |
| Judäa und Samaria für das Westjordanland. Mit mehreren Netanjahu-Zitaten | |
| wollte Reichler den „ewigen“ Charakter der Besatzung belegen. | |
| Einen Termin für ein Urteil des UN-Gerichts gibt es noch nicht, erwartet | |
| wird es aber im kommenden Jahr. Israel hat eine Stellungnahme eingereicht, | |
| wird aber nicht bei den Anhörungen vertreten sein. Human Rights Watch sieht | |
| die große Resonanz teilnehmender Staaten als „wachsendes globales | |
| Momentum“, um das jahrzehntelange Versagen zu thematisieren, in den | |
| palästinensischen Gebieten Respekt für internationales Recht zu | |
| gewährleisten. | |
| Offensichtlich rückt die rechtliche Dimension nach den Hamas-Massakern des | |
| 7. Oktober und dem Beginn des israelischen Kriegs gegen die Hamas umso | |
| stärker ins öffentliche Bewusstsein. Neben den IGH-Fällen beschloss 2021 | |
| auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH), ebenfalls in Den Haag | |
| ansässig, etwaige Kriegsverbrechen in den palästinensischen Gebieten ab | |
| 2014 zu untersuchen. Vergangene Woche erst [2][erstatteten Angehörige der | |
| von der Hamas entführten Geiseln beim IStGH Anzeige gegen die | |
| Hamas-Führung]. | |
| 19 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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