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# taz.de -- Nicaragua klagt gegen Deutschland: Vorwurf der Beihilfe zum Genozid
> Wegen fortgesetzter Unterstützung Israels klagt Nicaragua Deutschland vor
> dem Internationalen Gerichtshof an. Es geht um Beihilfe zum Völkermord.
Bild: Protest vor dem Friedenspalast in Den Haag zur Unterstützung der Paläst…
Den Haag taz | Deutschland ermögliche einen Völkermord an den
Palästinenser*innen im Gaza-Streifen und werde seiner Verpflichtung
nicht gerecht, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Völkermord zu
verhindern. Dies ist der Kern einer Klage, die Nicaragua im März am
Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen die Bundesrepublik einreichte. Dazu
werden ad-hoc-Maßnahmen gegen Deutschland gefordert, um die Unterstützung
für Israel sofort einzustellen. Am Montag begannen in Den Haag die
Anhörungen.
Die Klage basiert auf der generellen Verpflichtung Deutschlands als
Unterzeichnerin der UN-Konvention zur Verhinderung und Prävention von
Genozid. Hinzu kommt in diesem spezifischen Fall die „politische,
finanzielle und militärische“ Unterstützung Israels während des Kriegs im
Gaza-Streifen. Diese stelle „ein anerkanntes Risiko von Genozid gegen das
palästinensische Volk“ dar – ein Verweis auf das Zwischenurteil des IGH im
Januar im Fall der [1][südafrikanischen Völkermord-Klage gegen Israel.]
Seit diesem Fall ist die internationale Justiz ein bedeutender Schauplatz
des Nahostkriegs geworden. Bis zu einem Urteil des IGH können Jahre
vergehen. Für die akute Situation ist darum die Ebene der ad-hoc-Maßnahmen
wichtiger. So verfügte der Gerichtshof im Januar, Israel müsse Schritte
ergreifen, um einen Genozid zu verhindern und die humanitäre Lage im
Gaza-Streifen zu verbessern. Ende März lautete ein weiterer Beschluss,
Israel müsse mehr tun, um die drastische humanitäre Situation zu
verbessern.
Nach Berichten niederländischer Medien sind inzwischen sieben der 15
Richter*innen dafür, einen sofortigen Waffenstillstand zu verfügen – ein
Schritt, der im Januar noch nicht für nötig erachtet wurde. Die
bevorstehende Offensive in Rafah könnte einen solchen Schritt
wahrscheinlich machen. Die Beschlüsse des IGH sind bindend, allerdings
verfügt er über keine Autorität diese umzusetzen. Sie zeigen aber: der
Druck auf Israel steigt.
## Proteste vor dem Gericht
Das zeigte auch die Kundgebung vor dem Gerichtshof am Montag. Zwar waren
diesmal nur wenige Dutzend Demonstrant*innen anwesend, doch die
Schilder waren unübersehbar, auf denen Südafrika, Nicaragua und Kolumbien
für ihren „Mut“ gedankt wurde. Auch Kolumbien erklärte letzte Woche, die
Genozid-Klage gegen Israel zu unterstützen. Deutschland sprach sich im
Januar gegen die südafrikanische Initiative aus und bot an Israel in Den
Haag als Drittpartei zu unterstützen.
Auf die besondere Beziehung Deutschlands zu Israel referierte am Montag
nicht nur das „Never again is now“-Spanntuch der Demonstrant*innen. Auch
Carlos Argüello Gómez, der Vertreter Nicaraguas am IGH, bezog sich auf die
„Staatsräson“ der deutschen Unterstützung für Israel. Diese sei vor dem
Hintergrund der Geschichte verständlich, doch würde hier das jüdische Volk
mit dem Staat Israel verwechselt.
Für Argüello Gómez, der die Delegation Nicaraguas anführte, war bereits
klar, dass im Gaza-Streifen „ernsthafte Verstöße gegen das Völkerrecht
einschließlich eines Genozids“ stattfänden, wie „wahrscheinlich die
Mehrheit der Weltbevölkerung in den Nachrichten und Sozialen Medien
gesehen“ hätten. Alain Pellet, emeritierter Jura-Professor der Universität
Paris Nanterre, der Nicaragua als Anwalt vertritt, äußerte sich
differenzierter: Die Verpflichtung Genozid zu verhindern gelte nicht erst,
wenn dieser bereits begonnen habe – „das wäre absurd, denn es geht ja um
Prävention“. Er berief sich auf das „ernsthafte Risiko“ eines Völkermor…
das der Gerichtshof im Januar festgestellt habe.
Pellet unterstrich mehrfach, man werfe Deutschland nicht vor, selbst
Völkermord zu begehen. Wohl aber werde die Bundesrepublik ihren
vertraglichen Verpflichtungen nicht gerecht, diesen zu verhindern. Der
Rechtsanwalt Daniel Müller, ebenso Teil der Delegation, prangerte vor allem
die fortgesetzten Waffen-Exporte nach Israel an. [2][Deutschland ist laut
einem aktuellen Bericht Israels zweitgrößter Waffenlieferant.]
Export-Lizenzen müssten ausgesetzt werden, wenn es Hinweise gäbe, dass
militärische Ausrüstung eingesetzt würde, um gegen das Völkerrecht zu
verstoßen. Das gelte auch im Kampf gegen Terroristen. Das Ziel diese zu
besiegen rechtfertige nicht das Leiden des palästinensischen Volks.
Müller rief den Gerichtshof angesichts der „katastrophalen humanitären
Situation in Gaza“ zu Sofort-Maßnahmen auf. Neben dem sofortigen Einstellen
der militärischen Unterstützung müsse Deutschland auch [3][die ausgesetzte
Finanzierung des UNWRA-Hilfswerks] wieder aufnehmen. Die Anhörung der
deutschen Delegation ist für Dienstag terminiert.
8 Apr 2024
## LINKS
[1] /Internationaler-Gerichtshof/!5985388
[2] /Studie-zu-Waffenexporten/!6002667
[3] /UN-Hilfswerk-in-Gaza/!5990407
## AUTOREN
Tobias Müller
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