| # taz.de -- Nicaraguas Klage vor dem IGH: „Ohne faktische Basis“ | |
| > Vor dem Internationalen Gerichtshof erklärt die deutsche Delegation | |
| > Nicaraguas Klage für haltlos. Hilfsprogramme seien massiv aufgestockt | |
| > worden. | |
| Bild: Eine Frau steht in den Trümmern von Gaza-Stadt | |
| Den Haag taz | Am zweiten Anhörungstag vor dem Internationalen Gerichtshof | |
| in Den Haag hat die deutsche Delegation auf die Anklage Nicaraguas | |
| reagiert. Diese hatte Deutschland wegen „politischer, finanzieller und | |
| militärischer Unterstützung Israels“ Beihilfe zum Genozid vorgeworfen, also | |
| zu einem Völkermord, den [1][die israelische Armee derzeit im Gazastreifen] | |
| begehe. | |
| Tania von Uslar-Gleichen, Direktorin der Rechtsabteilung im Auswärtigen | |
| Amt, sagte in ihrer Zusammenfassung, die Anschuldigungen seitens Nicaraguas | |
| hätten „keine juristische und faktische Basis“. Deutschland habe weder | |
| gegen die Völkermord-Konvention noch gegen Völkerrecht verstoßen. | |
| Die Völkerrechts-Expertin hatte als Leiterin der Delegation die | |
| Verteidigung auch eröffnet und dabei einige [2][grundlegende | |
| Positionsbestimmungen] vorgenommen: In der aktuellen Konstellation im | |
| Gazakrieg tue Deutschland „sein Möglichstes, um beiden Seiten gerecht zu | |
| werden“. Sie verwies auf die humanitäre Hilfe für palästinensische | |
| Zivilist*innen, die seit Kriegsbeginn verdreifacht worden sei. Zugleich | |
| betonte sie, Deutschland habe aus der Geschichte gelernt und stehe aus | |
| seiner Verantwortung für die Shoah fest an der Seite Israels, dessen | |
| Sicherheit deutsche Staatsräson sei. | |
| Gleich zu Beginn der Plädoyers wurde damit einmal mehr klar, wie sehr das | |
| internationale Recht im Zuge des Gazakriegs zum Schauplatz der politischen | |
| Auseinandersetzung geworden ist und um welch komplexes Terrain es sich | |
| dabei handelt. Von Uslar-Gleichen betonte, Deutschland setze sich weiter | |
| für das Recht des palästinensischen Volks auf Selbstbestimmung ein und | |
| unterstütze eine Zweistaatenlösung. Nicaragua hingegen warf sie eine | |
| „einseitige“ Sichtweise vor, die in der Anklage selbst das Existenzrecht | |
| Israels verneine. Sie zitierte, die Hamas-Massaker des 7. Oktober hätten | |
| sich gegen „Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten“ | |
| gerichtet. | |
| ## Hilfsprogramme wurden deutlich aufgestockt | |
| Christian Tams, Direktor des Glasgow Centre for International Law and | |
| Security (GCILS), wandte sich zum Einen gegen die Anschuldigung, | |
| Deutschland habe die Arbeit des UNRWA-Hilfswerks mit dem vorübergehenden | |
| Aussetzen der Zahlungen just in der aktuellen Situation existenziell | |
| gefährdet. Zum fraglichen Zeitpunkt Ende Januar hätten keine Zahlungen | |
| angestanden, zudem habe Deutschland über Partner wie Unicef oder das UN | |
| World Food Programme seine Hilfe für Gaza sogar noch erhöht. | |
| Zudem verwies Tams auf den „robusten Rahmen“ von militärischen Exporten. | |
| Die Darstellung Nicaraguas sei hier „bestenfalls inakkurat, | |
| schlimmstenfalls eine bewusste Falschauslegung“. Trotz der Bedeutung der | |
| Sicherheit Israels unterliege auch in diesem Fall jeder Export einer | |
| doppelten ministeriellen Prüfung. | |
| [3][Zudem bestehe die von Deutschland gelieferte militärische Ausrüstung im | |
| überwiegenden Fall nicht aus Kriegswaffen.] Bei gelieferter Munition | |
| handele es sich um Übungsmaterial, das nicht für Kampfeinsätze geeignet | |
| sei. Zu den geforderten Sofortmaßnahmen gegen Deutschland lautete Tams’ | |
| Fazit: „Aus der Nähe betrachtet, fallen die Anschuldigungen Nicaraguas in | |
| sich zusammen.“ | |
| Der Sorbonne-Jura-Professor Paulo Palchetti bemängelte schließlich die | |
| Abwesenheit einer dritten Partei – Israel –, um deren Handlungen es hier | |
| eigentlich gehe. Zugleich setze die Anklage voraus, dass Israel überhaupt | |
| gegen Artikel 1 der Genozid-Konvention verstoße. Diesen Tatbestand aber hat | |
| der Gerichtshof bislang keineswegs festgestellt. Bis der IGH darüber im | |
| Rahmen der südafrikanischen Klage befunden hat, könnten mehrere Jahre | |
| vergehen. | |
| 9 Apr 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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