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# taz.de -- Den Haag zum Gazakrieg: Netanjahu droht Haftbefehl
> Den Haags Chefankläger beantragt Haftbefehle gegen Israels Premier und
> Verteidigungsminister sowie drei Hamas-Führer. Entscheiden muss das
> Gericht.
Bild: Vorwurf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Israels…
Berlin taz | Es war ein Schritt mit Ansage, aber seine politische
Sprengkraft ist enorm: Am Montag erklärte der Chefankläger des
Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Karim Khan, er habe
Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer beantragt – sowie gegen Israels
Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav
Galant. Über die Haftbefehle muss nun die Vorverfahrenskammer des Gerichts
entscheiden. In der Vergangenheit hatte die Instanz nur ein Mal die
Ausstellung von Haftbefehlen abgelehnt – das Verfahren nimmt jedoch in der
Regel mehrere Monate in Anspruch.
Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(Artikel 7 und 8 des Rom-Statuts des IStGH) richten sich gegen den
Gaza-Chef der Hamas, Jihia al-Sinwar, den Auslandschef Ismail Hanijeh sowie
gegen Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif. In einer [1][veröffentlichten
Erklärung] legte Khan dar, seine Ermittlungen legten die Verantwortlichkeit
der drei genannten für Vernichtung, Mord, Geiselnahme, Vergewaltigung,
Folter, unmenschliche Handlungen und Vergehen gegen die Menschenwürde nahe.
Er bezog sich damit sowohl auf den Überfall von Hamas-Terroristen auf
israelische Zivilist*innen am 7. Oktober als auch auf den Umgang mit
den zunächst 245 Geiseln. Die Situation, sagte Khan, dauere bis heute an.
Auch Israels Regierungschef Netanjahu und Verteidigungsminister Galant
wirft Khan Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
Insbesondere betont Khan, die Aushungerung von Zivilbevölkerung als
Kriegswaffe, wie sie seit dem 8. Oktober 2023 mit der nahezu vollständigen
Abriegelung des [2][Gazastreifens] und dem Abdrehen von Wasser- und
Elektrizitätsversorgung erfolgt sei, sei ein Kriegsverbrechen, genauso wie
vorsätzliche Angriffe auf Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen.
## Energischer Protest aus Israel
Sollte die Vorverfahrenskammer tatsächlich die Haftbefehle ausstellen,
wären damit alle 124 Vertragsstaaten des IStGH verpflichtet, die gesuchten
Personen festzunehmen und an Den Haag zu überstellen, sollten sie dazu die
Möglichkeit haben. Auslandsreisen in Vertragsstaaten – wie etwa Deutschland
und fast die restliche EU, nicht allerdings die USA – wären Netanjahu und
Galant damit nur noch unter hohem Risiko möglich. Israel selbst ist nicht
Vertragsstaat des IStGH, die Palästinensische Autonomiebehörde hingegen
seit 2015 schon. Im unwahrscheinlichen Fall also, dass der in Doha lebende
Hamas-Chef Ismail Hanijeh einmal in Ramallah auftauchen sollte, müssten
palästinensische Sicherheitskräfte ihn festnehmen und ausliefern.
Aus Israel kam am Montag sofort energischer Protest gegen die Entscheidung
des Chefanklägers. Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, nannte die
Beantragung der Haftbefehle „ein Verbrechen von historischem Ausmaß“. Es
sei eine „tiefe Verzerrung der Gerechtigkeit und ein eklatanter moralischer
Bankrott“, wenn der Ankläger Parallelen zwischen den Führern eines
demokratischen Staates, der sich gegen den Terror verteidigt, und den
„Führern einer blutrünstigen Terrororganisation“ zieht.
Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir bezeichnete den
Gerichtshof als „antisemitisch“, der ebenfalls rechtsextreme Finanzminister
Bezalel Smotrich sprach von „Nazi-Propaganda“. Außenminister Israel Katz
kündigte an, er werde mit seinen Amtskollegen in führenden Staaten
sprechen, damit diese sich gegen die Entscheidung des Chefanklägers wenden
„und mitteilen, dass sie auch im Fall von Haftbefehlen diese nicht gegen
die Anführer des Staates Israel umsetzen werden“.
Weder aus der Bundesrepublik noch aus den USA, den beiden engsten
Verbündeten Israels, gab es zunächst offizielle Reaktionen. In den USA
hatten schon vor Wochen republikanische Senatoren gewarnt, sollte Khan
Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder beantragen, würden sie
sich für Sanktionen gegen ihn und andere Mitarbeiter der Anklagebehörde
starkmachen.
20 May 2024
## LINKS
[1] https://www.icc-cpi.int/news/statement-icc-prosecutor-karim-aa-khan-kc-appl…
[2] /Zukunft-des-Gazastreifens/!6008778
## AUTOREN
Bernd Pickert
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