# taz.de -- Proisraelische Richterin am IGH: Die zionistische Fundamentalistin | |
> Richterin Julia Sebutinde stimmte beim IGH in Den Haag als Einzige gegen | |
> Auflagen für Israel in Gaza. Sie gehört einer mächtigen evangelikalen | |
> Kirche an. | |
Bild: Julia Sebutinde bei ihrer Einschwur in den IGH in Den Haag, Juli 2012 | |
KAMPALA taz | Der Hauptsitz der Watoto-Kirche in Ugandas Hauptstadt Kampala | |
liegt nur einen Steinwurf vom Parlamentsgebäude entfernt. Am | |
Sonntagvormittag schallt zunächst die Predigt über Lautsprecher durch die | |
Innenstadt, dann ertönt der berühmte Kinderchor, der rund um die Welt auf | |
Tournee geht. Sämtliche Parkplätze im Umkreis werden von Polizisten | |
freigehalten für die prominenten Kirchenbesucher: Offiziere der Armee, | |
Politiker, Anwälte, Geschäftsleute – selbst Ugandas Präsident Yoweri | |
Museveni hat dort schon Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. | |
Die [1][Watoto-Kirche] zählt zu einer der größten und einflussreichsten | |
Freikirchen Ugandas. Sie hat mittlerweile Ableger im Nachbarland Südsudan, | |
in Burundi, in Israel – und selbst im entfernten Australien. Gegründet 1984 | |
während des Bürgerkriegs in Uganda vom kanadischen Ehepaar Gary und Marilyn | |
Skinner, gilt sie mittlerweile als Aushängeschild der evangelikalen | |
Bewegung, die nicht nur quer durch die ugandische Gesellschaft, sondern | |
auch in der ugandischen Politik über viel Einfluss verfügt. | |
In der Debatte rund um das sogenannte Anti-Homosexuellen-Gesetz, das | |
vergangenes Jahr nach mehreren Anläufen letztlich in Kraft trat, hetzten | |
Watoto-Prediger [2][gegen die LGBTQI-Community]. Sie boten Schwulen und | |
Lesben an, sich durch den Glauben zu Gott „konvertieren“ zu lassen, wie | |
eine Art Teufelsaustreibung. Für diejenigen LGBTQI-Leute, die sich weigern, | |
forderten sie die Todesstrafe. Als Kirche mit einem besonderen Fokus auf | |
Kinder und Jugendliche besitzt Watoto in Uganda zahlreiche Schulen, | |
Internate und Waisenhäuser, in welchen jegliche Art von Sexualaufklärung | |
untersagt bleibt. | |
Und sie unterhält enge Beziehungen nach Israel. Jährlich organisiert die | |
Kirchenverwaltung Reisen nach Jerusalem. In Sonntagsmessen wird aufgerufen, | |
für das „Wunderland“, wie sie Israel nennen, zu spenden. Zur Frage der | |
Palästinenser hat Watoto eine klare Haltung: „Gott hat die Israeliten | |
gesegnet und ihnen das Land der Palästinenser als Geschenk gegeben – für | |
immer“, heißt es in einem X-Post der Watoto-Kirche, die sich explizit zum | |
[3][Zionismus] bekennt. | |
## Sebutindes Mann gehört zu Gründern der Watoto-Kirche | |
Der Einfluss der Watoto-Kirche reicht mittlerweile bis in die | |
internationale Justiz. Dies zeigte sich vergangene Woche, als in Den Haag | |
der Internationale Gerichtshof seine Entscheidung bekannt gab, dem von | |
Südafrika erhobenen Völkermord-Vorwurf gegen Israel im Gazastreifen | |
nachzugehen und Israel Auflagen zu erteilen. Die einzige der insgesamt 17 | |
Richter:innen, die sich ausnahmslos gegen jeden der IGH-Kritikpunkte an | |
Israel aussprach, war Julia Sebutinde aus Uganda. | |
Sebutinde ist eine angesehene Juristin auf dem internationalen Parkett. In | |
ihrer 11-seitigen Erklärung, die der taz vorliegt, erklärt sie, der | |
Konflikt in Gaza sei „im Wesentlichen und historisch gesehen ein | |
politischer Streit“ zwischen Israel und den [4][Palästinensern] und keine | |
rechtliche Angelegenheit für das Gericht. Für sie gibt es keinen Anlass, | |
den Internationalen Gerichtshof zu bemühen, da „die angeblich von Israel | |
begangenen Taten nicht mit einer völkermörderischen Absicht einhergehen“. | |
Diese Argumentation ist auf Kritik gestoßen. Adonia Ayebare, Ugandas | |
Botschafter bei den Vereinten Nationen (UN), reagierte auf X und erklärte: | |
„Ugandas Unterstützung für die Notlage des palästinensischen Volkes wurde | |
durch das Abstimmungsverhalten Ugandas bei den Vereinten Nationen zum | |
Ausdruck gebracht.“ Ugandas Regierung, die erst eine Woche vorher auf dem | |
Blockfreien-Gipfel in Kampala eine sofortige Feuerpause in Gaza und Hilfe | |
für die Palästinenser gefordert hatte, stellte klar: Die Entscheidung von | |
Sebutinde sei allein ihre „individuelle und unabhängige Meinung“. | |
Nun wird in Uganda diskutiert, wie Sebutinde zu ihrer Haltung gekommen sei. | |
Wie ugandische Journalisten recherchierten: Richterin Sebutindes Ehemann | |
gehört zu den Gründervätern der Watoto-Kirche in Uganda, sie selbst zählt | |
zu den ersten 30 Mitgliedern. Menschenrechtsanwältin Sherry Kyama stellt | |
auf X die Frage in den Raum: „Könnte die Position von Richterin Sebutinde | |
durch ihre religiösen Überzeugungen beeinflusst worden sein?“ | |
31 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.watoto.com/?lang=de | |
[2] /Neues-Anti-LGBTQI-Gesetz-in-Uganda/!5937840 | |
[3] /Historiker-Wolffsohn-ueber-Nahostkonflikt/!5976741 | |
[4] /Mustafa-Barghouti-ueber-den-Gazakrieg/!5986884 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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