# taz.de -- Waffenstillstandsgespräche in Nahost: Blinken auf Rettungsmission | |
> Trotz der US-Bemühungen scheint eine Einigung zwischen der Hamas und | |
> Israel kaum in Reichweite. Netanjahu liegt im Streit mit seinem | |
> Verhandlungsteam. | |
Bild: US-Außenminister Antony Blinken am Montag in Tel Aviv, wo er Israels Sta… | |
Antony Blinken war schon auf dem Weg nach Israel, als sich sein | |
diplomatischer Besuch für Gespräche über einen Waffenstillstand im | |
Gazastreifen in eine Rettungsmission verwandelte. Israels Regierungschef | |
Benjamin Netanjahu ließ am Sonntag in der wöchentlichen Kabinettssitzung | |
durchblicken, dass sein Land bei den wichtigsten Streitpunkten nicht zu | |
Kompromissen bereit sei. „Ich möchte betonen, dass wir in Verhandlungen | |
sind und nicht in einem Szenario, in dem wir immer weiter geben und geben“, | |
erklärte er. | |
Die Hamas, die die optimistischen Einschätzungen der USA bereits am | |
Wochenende als „Illusion“ bezeichnet hatte, reagierte postwendend. Man | |
lehne [1][den nach zwei Verhandlungstagen in Doha in der vergangenen Woche | |
vorliegenden Vorschlag] der USA ab. Dieser entspreche zu sehr den | |
Positionen des israelischen Regierungschefs. | |
Nachdrücklich wies Blinken am Montag bei einem Treffen mit dem israelischen | |
Präsidenten Jizchak Herzog auf die Bedeutung der Verhandlungen hin: Es sei | |
„wahrscheinlich die beste, vielleicht die letzte Gelegenheit, [2][die | |
Geiseln nach Hause zu bringen], (und) eine Waffenruhe zu erzielen“, sagte | |
er. Nach einem dreistündigen Treffen mit Netanjahu teilte dessen Büro mit, | |
man unterstütze den US-Vorschlag, bestehe aber auf „Israels | |
Sicherheitsbedürfnisse“. | |
Die Gespräche sollen ab Mittwoch oder Donnerstag in Kairo fortgesetzt | |
werden. Bis auf einen mehrere Wochen dauernden Waffenstillstand Ende | |
November verliefen bisher alle diplomatischen Anläufe für ein Ende der | |
Kämpfe in Gaza ohne Erfolg. Angesichts der drohenden Ausweitung des Krieges | |
auf die Region nach der gezielten Tötung von [3][Hamas-Chef Ismael Hanijeh] | |
in Teheran – mutmaßlich durch Israel – ist ein Durchbruch bei den | |
Gesprächen aber notwendiger denn je. | |
Im Juli hatten sich Israel und die Hamas prinzipiell auf ein dreistufiges | |
Verfahren geeinigt. Dabei sollen in einer ersten Phase eine begrenzte | |
Anzahl an Geiseln gegen palästinensische Gefangene in israelischen | |
Gefängnissen getauscht werden sowie mehr humanitäre Hilfe in den | |
Küstenstreifen gelangen. Bei zentralen Fragen aber sind die | |
Konfliktparteien offenbar weit von einer Einigung entfernt. | |
Auf israelischer Seite bremst vor allem Ministerpräsident Netanjahu selbst. | |
Einem Bericht des Senders KAN zufolge geriet er am Sonntag zum wiederholten | |
Mal in Streit mit seinem Verhandlungsteam, das mehr Spielraum will. Geht es | |
nach Netanjahu, soll die israelische Armee die Kontrolle über den | |
Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten | |
behalten. Das sei neben anderen Punkten „fundamental für die Sicherheit | |
Israels“. Dagegen steht die Einschätzung der Spitzen von Israels Armee und | |
Geheimdiensten, die einen Rückzug für durchaus vertretbar halten. Sie | |
warnen laut einem Bericht des israelischen Senders Kanal 12, ein Beharren | |
in diesem Punkt mache eine Einigung unmöglich. Eine dauerhafte militärische | |
Präsenz entlang der Grenze ist sowohl für die Hamas als auch für Ägypten | |
eine rote Linie. | |
Laut der libanesischen Zeitung Al-Akhbar sieht der US-Vorschlag eine | |
schrittweise Reduzierung der israelischen Soldaten entlang der Grenze vor, | |
ohne aber einen Zeitpunkt für deren vollständigen Abzug festzusetzen. Im | |
Gegenzug verpflichtet sich Ägypten, gegen Tunnel unter der Grenze | |
vorzugehen. | |
Einen Streitpunkt könnte der US-Vorschlag lösen: Er sieht laut einem | |
Bericht der Times of Israel keine von Netanjahu zuvor geforderten | |
Checkpoints vor, an denen palästinensische Rückkehrer in den Norden des | |
Küstenstreifens kontrolliert werden sollen. Ungeklärt bleibt weiter die | |
Frage, welche palästinensischen Gefangenen im Falle eines Austausches | |
freikommen könnten Vor allem aber lehnt Netanjahu ein Abkommen ab, das eine | |
Wiederaufnahme der Kämpfe in Gaza ausschließt. | |
Innerhalb der israelischen Regierung hat sich Verteidigungsminister Joaw | |
Gallant mehrfach kritisch zu den Positionen Netanjahus geäußert. Er | |
forderte am Sonntag, die Beratungen zu den Verhandlungen künftig mit dem | |
gesamten Kabinett abzuhalten. Sollten die Verhandlungen scheitern, seien | |
die Konsequenzen laut Gallant so weitreichend, dass die gesamte Regierung | |
darüber entscheiden müsse. | |
Die Hamas hatte sich an den Gesprächen in Doha vergangene Woche erst gar | |
nicht beteiligt. Ihr Sprecher Sami Abu Suchri erklärte gegenüber der | |
Washington Post, selbst wenn es zu einer Einigung käme, sei der derzeitige | |
Vorschlag zu allgemein gehalten, um einen langfristigen Waffenstillstand zu | |
garantieren. „Wieso sollten wir ein Abkommen abschließen, das nicht zu | |
einem Ende des Krieges führt?“, zitiert ihn das Blatt. | |
Auch die Hamas setzt indes trotz der angespannten Verhandlungen auf | |
Eskalation. Bei einer Explosion am Sonntag in Tel Aviv starb der | |
mutmaßliche Attentäter. Ein Passant wurde verletzt. Die Al-Kassam-Brigaden, | |
der militärische Arm der Hamas, und der Islamische Dschihad reklamierten | |
den gescheiterten Anschlagsversuch für sich und kündigten an, künftig | |
verstärkt auf solche Terrorangriffe zu setzen. | |
Anmerkung: Wir haben den Text um neue Informationen ergänzt. | |
19 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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