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# taz.de -- Nahost-Konflikt in Berliner Clubszene: Israelischer Techno-DJ ausge…
> Eine Instagram-Seite verbreitet ein Video des israelischen DJs Modest
> Crow in Militäruniform. Daraufhin wird er vom Line-up im Sage Beach
> gestrichen.
Bild: AATMA wirft dem Club Sage Beach vor, einem „bewaffneten, kolonialen DJ�…
Berlin taz | Zwischen dem Boykottaufruf und der Ausladung des israelischen
DJs lagen nicht einmal sechs Stunden: Am 24. Juli warf die „Anti-Fascist
Art, Techno and Music Alliance“, kurz AATMA – eine Instagram-Seite mit
knapp 8.000 Followern – dem [1][Berliner Club Sage Beach] vor, einem
„bewaffneten, kolonialen DJ“ eine Bühne zu bieten.
Die Begründung: ein Video des Technokünstlers, das er im Januar in einer
Instagram-Story geteilt hatte. Modest Crow – so heißt der DJ – legt in
Militäruniform auf, ein M16-Gewehr hängt über seiner Schulter. Der
„Genozid-DJ“ würde auf „besetztem Land“ auflegen, behauptet AATMA. Die
Seite nennt ihn einen „Terroristen“. Und fordert einen Boykott des Sage
Beach.
Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten, über 1.800 Likes hat der
Beitrag inzwischen. Schon am Folgetag feierte AATMA den Erfolg auf
Instagram. Die Party im Sage Beach am 3. August findet nun ohne den Israeli
statt.
Die Boykottkampagne BDS versucht seit Jahren, Druck auf die Clubszene
auszuüben – teils mit Erfolg. Doch seit dem brutalen Überfall der
islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem
folgenden Krieg, der Gaza nahezu völlig zerstört hat, werden immer mehr
DJs, Clubs oder Kollektive angefeindet, die jüdisch sind – oder als
„prozionistisch“ gelten.
## Boykottkampagne gegen Online-Sender HÖR
So sahen sich die zwei israelischen Betreiber des Berliner Online-Senders
HÖR ab November [2][mit einer monatelangen Boykottkampagne samt
antisemitischer Hasskommentare konfrontiert]. Der Grund: Sie baten einen DJ
bei einem Livestream darum, ein Kleidungsstück zu entfernen, auf dem die
ganze Landkarte zwischen Jordanfluss und Mittelmeer – inklusive des
jüdischen Staats – in den Farben der palästinensischen Flagge gedeckt war.
Auch das renommierte Berghain wird boykottiert, nachdem es eine Party im
Januar mit dem DJ Arabian Panther abgesagt hat. Einen offiziellen Grund
nannte der bekanntermaßen medienscheue Club nicht, online spekulierten aber
viele darüber, ob die Entscheidung in Zusammenhang mit
Social-Media-Beiträgen des Künstlers standen, in denen die sexualisierte
Gewalt der Hamas vom 7. Oktober geleugnet wurde. Arabian Panther dementiert
die Vorwürfe, löschte aber nach der Absage sämtliche Instagram-Stories.
## DJ weist die Anschuldigungen zurück
Asaf Herrmann, wie der DJ Modest Crow mit bürgerlichem Namen heißt, weist
die Anschuldigungen von AATMA im Gespräch mit der taz vehement zurück und
will die Hintergründe des Videos erklären.
Herrmann legt seit 15 Jahren auf, er hat schon in vielen Berliner
Technoclubs gespielt, von KitKat bis Sisyphos, und auf Labels wie Oliver
Koletzkis „Stil vor Talent“ veröffentlicht. Hauptberuflich ist er Dozent
für elektronische Musikproduktion an einer israelischen Hochschule. Beim
[3][Hamas-Angriff auf das Nova-Festival am 7. Oktober] wurde einer seiner
Studierenden ermordet.
Als ein alter Armeefreund, mit dem er vor 14 Jahren seinen Wehrdienst
absolviert hatte, ihm sagte, dass seine Einheit Unterstützung brauche, habe
er im Januar zunächst einen Monat lang als Reservist geholfen. Sein Job:
Radiogeräte zu reparieren. „Ich war Techniker“, sagt er. In Gaza sei er
noch nie gewesen, gekämpft habe er nicht. Zwischen Mai und Juni war er für
einen weiteren Monat im Einsatz als Teilzeitreservist.
Im Januar sei das Video entstanden, erklärt er – beim Grillen mit
US-amerikanischen Besuchern auf seiner Militärbasis beim Kibbuz Ein
Haschloscha im Kernland Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen. „Weil ich
DJ bin, bestanden meine Freunde darauf, dass ich die Musik kurz übernehme“,
erklärt Herrmann. „Ich habe einen Track gespielt – und für einen Moment
habe ich die verrückte Realität, die ich seit dem 7. Oktober erlebe,
vergessen.“
## DJ bekommt antisemitische Hassnachrichten
Seit dem Boykottaufruf von AATMA bekommt Herrmann eine Hassnachricht nach
der nächsten. „Es sind antisemitische Botschaften“, sagt er. „Aber mich …
canceln hilft den armen Menschen in Gaza leider kein bisschen.“ Dass er,
der in Berlin jahrelang Partys zusammen mit arabischen DJs organisierte,
zur Zielscheibe wird, findet er unfair. Die Boykottkampagne werde sogar von
früheren Weggefährten in der Szene mitorganisiert.
Auf taz-Anfrage kritisiert der Sage-Betreiber Sascha Disselkamp AATMA
scharf. „Ihr Boykottstatement kotzt mich an, so was spaltet unsere Szene,
und dafür möchte ich kein Sprachrohr sein.“ Disselkamp, der auch im
Vorstand der Berliner Clubcommission ist, findet das Video von Herrmann mit
Gewehr allerdings „problematisch“: „Ich habe den Promoter der Party
angerufen und das auch entsprechend gesagt.“
Für die Ausladung des DJs sei aber nicht er, sondern der Promoter
verantwortlich, sagt Disselkamp. Der Promoter wiederum behauptet gegenüber
der taz, dass Herrmann selbst seinen Rücktritt angeboten habe. Doch in
einer Instagram-Story des Sage Beach hieß es: „Nachdem wir den Kontext und
Hintergrund von der Community verstanden hatten, ließen wir den Auftritt
sofort absagen.“ Und E-Mails, die der taz vorliegen, zeigen, dass es der
Promoter war, der den Auftritt absagte – ohne einen Grund zu nennen – und
Herrmann die Hälfte seiner Gage anbot.
Herrmann selbst rechnet damit, dass die Personen hinter der Boykottkampagne
die Party gestört hätten. „Ich verstehe, warum der Promoter mir absagen
musste, und bin nicht sauer.“
## AATMA positioniert sich antiisraelisch
Die Gruppierung AATMA, die sich nach dem 7. Oktober gründete, fällt nicht
zum ersten Mal mit einer antiisraelischen Agenda auf. Auf Instagram
verwendet sie immer wieder rote Dreiecke – ein Symbol der Hamas-Propaganda,
um Feinde zu markieren. In einem Beitrag vom Januar ist vom
„Geheimdienstnetzwerk des Zionismus“ die Rede, das versuchen würde,
Social-Media-Seiten wie die von AATMA „zum Schweigen zu bringen“.
Laut eigenen Angaben ist die in Beirut geborene, in Berlin lebende
Künstlerin Jessika Khazrik Mitgründerin von AATMA. Eine Anfrage der taz
ließen sowohl die Seite als auch Khazrik unbeantwortet.
Es dürfte nicht die letzte solche Aktion sein. In der Kommentarspalte unter
dem Instagram-Beitrag fragt sich ein User, wen man nun außer dem Sage Beach
und dem Berghain boykottieren solle. AATMA antwortet: „ganz Deutschland“ –
außer „Underground-Events“, die von der „Palästina-Solidarität-Communi…
organisiert werden.
29 Jul 2024
## LINKS
[1] /Berliner-Clubbetrieb/!5980675
[2] /DJ-Plattform-wird-diffamiert/!5972378
[3] /Angriff-auf-Israel/!5965719
## AUTOREN
Nicholas Potter
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