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# taz.de -- Berliner Clubbetrieb: Persönlich gegen Juden
> Ein Berliner Veranstaltungsort lehnte eine jüdische Partyreihe ab. Nun
> rudern die Verantwortlichen zurück. Nicht der erste Fall in der Szene.
Bild: Karneval de Purim zeigt ein anderes, diverseres Bild von jüdischer Folkl…
Berlin taz | Als der israelische Party-Promoter Roy Siny die Antwort des
Zenner auf seine Bookinganfrage liest, ist er fassungslos. Seit zehn Jahren
organisiert er den „Karneval de Purim“, in Berlin Clubs wie dem Ritter
Butzke oder KitKat. Auch für März 2024 ist einer in Planung – mit bis zu
2000 Gästen [1][im alten Gasthaus Zenner] im Berliner Treptower Park. Es
dürfte eine der größten jüdischen Partys des Jahres in Deutschland sein. So
der Plan zumindest, den Siny in einer E-Mail an den Veranstaltungsort
formuliert.
„Es ist im Moment weder vernünftig noch klug, eine jüdische Karnevalsparty
zu veranstalten“, antwortet der Produktionsmanager des Zenner auf Englisch
in einer knappen Korrespondenz vom 7. Dezember, die E-Mails liegen der taz
vor. „Ich finde es ziemlich unglaublich, dass du bei der aktuellen Lage
bereit bist, einen jüdischen Karneval zu feiern. Nichts Persönliches, aber
nicht im Zenner“, heißt es in einer weiteren Mail vom 12. Dezember.
„Es war ein Schock“, sagt Siny über die Absage gegenüber der taz. Als er …
Tel Aviv aufwuchs, stand Purim für eine leichtere, offenere Welt. Das Fest
erinnert an die Rettung der Juden in der persischen Diaspora. Es sollen
laut dem Buch Esther „Tage des Trinkens und der Freude“ sein, nicht selten
mit Kostümpartys. Als Siny 2011 nach Berlin zog, wollte er den Purim-Geist
mitbringen. „Ich will ein anderes Bild von jüdischer Folklore zeigen, das
wenig mit religiösem Judentum zu tun hat“, so der 45-Jährige. Der „Karnval
de Purim“ will außerdem inklusiv sein, im Event-Team und hinter dem DJ-Pult
arbeiten auch Araber*innen.
Dass das Zenner so reagiert, kann Siny nicht verstehen. Was er hinter der
Absage vermutet: „Ihr dürft eure Tradition gerade nicht feiern, ihr dürft
keine fröhlichen Veranstaltungen haben – auch nicht Ende März.“ Siny ist
empört: „Sollen wir Juden einfach zu Hause bleiben und nichts mehr machen?“
Er leitet die E-Mails an den Geschäftsführer weiter, bekommt aber keine
Rückmeldung.
## Gasthaus Zenner entschuldigt sich
Nachdem die taz das Zenner mit einer Presseanfrage konfrontiert hat,
schickt der Produktionsmanager am 15. Dezember eine weitere E-Mail an Siny.
Er entschuldigt sich, seine Antwort sei „irreführend und äußerst
unüberlegt“. Das Zenner sei „nicht gegen jüdische Veranstaltungen per se�…
sondern ein Event, das „exklusiv eine Glaubensgemeinschaft repräsentiert“.
„Das passt nicht zu unserem kulturellen Konzept der Inklusivität.“
Siny macht eine der ursprünglichen E-Mails vom Zenner danach öffentlich,
sie geht in den sozialen Medien viral. Das Zenner reagiert darauf mit einem
öffentlichen Statement, in dem es sich entschuldigt und die E-Mail des
Produktionsmanagers als „antisemitisch“ bewertet. Das Zenner verspricht
einen internen Aufarbeitungsprozess zur Sensibilisierung des Teams. Und
bietet an, den „Karneval de Purim“ bei sich stattfinden zu lassen und den
Gewinn zu spenden.
Die [2][fehlende Sensibilität] im Fall Zenner ist kein Einzelfall: Genau
eine Woche zuvor, am 30. November, veröffentlicht Dima Bilyarchyk ein
Statement auf seinem privaten Instagramprofil mit dem Titel „Kein Platz für
Jüd*innen in queeren Spaces“. Er ist Mitglied bei Keshet Deutschland,
einem queer-jüdischen Verein. Ein halbes Jahr lang organisierte er eine
große Hanukkah-Party mit DJs, Deko und Drag-Queens.
## Preis für die eigene Sicherheit
Doch dann kam der 7. Oktober. Und der Veranstaltungsort – der queere
Südblock am Berliner Kottbusser Tor – sagte am Ende ab. Sie hätten sich
„unwohl“ gefühlt, wenn Polizei vor der Tür stünde und fragten die
Organisator*innen, ob sie in dieser „angespannten“ Lage wirklich eine
Hanukkah-Party machen wollten, so beschreibt Bilyarchyk das Gespräch mit
dem Südblock auf Instagram.
„Natürlich hatten wir die Sorge, dass etwas bei unserer Party passieren
könnte“, erzählt Bilyarchyk der taz. „Und bei einer queer-jüdischen Party
am Kotti ist das eine berechtigte Sorge.“ Die Hanukkah-Party trotzdem zu
feiern, sei dem Verein aber wichtig gewesen: „Der 7. Oktober war das größte
Massaker an Jüdinnen*Juden seit der Shoah, jede jüdische Person, die
ich kenne, kennt mittelbar oder unmittelbar jemanden, der oder die ermordet
wurde“, so Bilyarchyk. Hinzu komme der Judenhass auf deutschen Straßen. „Es
ist unerträglich. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen.“
Der Preis dafür ist hoch: 1500 Euro kostet das Security-Team, auch
Polizeischutz musste angefragt werden. Doch der Südblock zeigte laut
Bilyarchyk wenig Verständnis für das Sicherheitskonzept. „Polizeischutz ist
leider eine Notwendigkeit, mit der jeder Jude, jede Jüdin aufgewachsen ist.
Aber nicht, weil wir uns das wünschen, sondern einfach, weil es anders
nicht geht.“
## Südblock wünscht weitere Zusammenarbeit
Der Südblock schildert die Situation in einem eigenen Statement anders:
Dass die Party geplatzt sei, liege vor allem an Kommunikationsproblemen mit
Keshet. „Die uns mitgeteilten Sicherheitsmaßnahmen griffen unseres
Erachtens zu kurz“, heißt es sogar. Der Laden betont auch: „Für uns ist d…
Sichtbarkeit jüdischer Queers in der Szene wichtig“. Und: Sie seien nach
wie vor sehr daran interessiert, mit Keshet zusammenzuarbeiten. Auf die
konkreten Vorwürfe zum Polizeischutz geht der Südblock nicht ein. Eine
taz-Anfrage ließ der Südblock unbeantwortet.
„Das ist fadenscheinig“, erwidert Bilyarchyk gegenüber der taz. „Wir hab…
regelmäßig kommuniziert, seit Monaten stand diese Party fest.“ Dass der
Südblock nun selbst unzureichende Sicherheitsmaßnahmen bemängelt, kann er
nicht nachvollziehen: „Die Sorge war eher, dass es zu viel Sicherheit gebe,
hinzu kam eine negative Haltung zur Polizeipräsenz.“
Spontan konnte Keshet eine neue Location finden: im Sage Beach. Den Kontakt
vermittelte Roy Siny, der dort als Booker arbeitet. Rund 350 Gäste kamen,
der Berliner Kultursenator Joe Chialo hielt eine Rede. Für den „Karneval de
Purim“ gibt es mittlerweile auch eine Ersatzlocation. Ob Roy Siny in dem
aktuellen politischen Klima das Risiko – emotional sowie finanziell –
eingehen möchte, eine Purim-Party zu veranstalten, wisse er jedoch nicht.
18 Dec 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Nicholas Potter
## TAGS
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