| # taz.de -- Linke Security im Osten: „Passt aufeinander auf!“ | |
| > Die Security-Branche hat ein Problem mit Rechts. In Dresden hat sich 2020 | |
| > die Sicherheitsfirma United gegründet und setzt auf Frauen im Team. | |
| Bild: Manchmal hilft nur ein roter Knoten | |
| Dresden taz | „Heute sollte es ruhig bleiben“, sagt Anna mit den Händen in | |
| den Jackentaschen vor der Groovestation in Dresden. Ein alternativer Club | |
| in der Neustadt. Wegen der moderaten Preise kommen vor allem Studierende | |
| hierher. So wie heute zur Mittwochsdisko, kurz Midi, bei der lokale DJs | |
| hauptsächlich Techno spielen. Die Groovestation wird heute halb leer | |
| bleiben – und doch eskaliert die Lage am Ende, mit Polizei vor dem Club und | |
| Hausverbot, weil ein paar Besucher offenbar ein Problem damit hatten, dass | |
| sich zwei Männer küssten, erzählt Anna am nächsten Tag. | |
| Jetzt bekommt erst einmal, wer sich trotz Rauchverbot eine Zigarette | |
| anzündet oder beim Tanzen zu viel Raum einnimmt, von Anna eine freundliche | |
| Verwarnung. Wer andere diskriminiert, muss gehen – das ist einer der | |
| Grundsätze der 2020 gegründeten Dresdner Security- und Eventfirma United, | |
| für die Anna heute vor und in der Groovestation arbeitet. | |
| Wer United im Internet sucht, findet keine Kontaktdaten. Die Firma kommt | |
| über Mundpropaganda an ihre Aufträge. „So vermeiden wir, dass sich | |
| Rechtsextreme bei uns melden, für die wir nie arbeiten würden“, erklärt | |
| Andreas, Mitte 30, einer der Mitgründer von United. Zudem gehe es um den | |
| Schutz seiner Mitarbeitenden. Aus diesem Grund wurden auch deren Namen für | |
| diesen Artikel geändert. „In der Security-Branche gibt es teilweise | |
| fließende Übergänge zur organisierten Gewalt“, sagt Andreas. „Wenn man s… | |
| da als linke Sicherheitsfirma hinstellt, kann es für einen, gerade in | |
| Ostdeutschland, gefährlich werden.“ | |
| Das weiß auch Friedrich, der heute neben Anna am Einlass arbeitet und | |
| erzählt, wie bei seinem ersten Einsatz auf einem Punkfestival in einem | |
| ostsächsischen Dorf Männer aus dem Auto heraus Böller aufs Festgelände | |
| geschmissen hätten. „Das macht was mit einem“, sagt Friedrich, ein junger | |
| Mann Anfang 20, mit zarten Gesichtszügen, sportlich, aber schmal. Neben | |
| seiner Arbeit bei United studiert Friedrich Kindheitspädagogik. Viele in | |
| dem Unternehmen kommen aus dem sozialen oder pädagogischen Bereich und | |
| machen den Security-Job nebenher. | |
| „Die Leute finden nur über Vitamin B zu uns“, sagt Andreas. „Die meisten | |
| haben einen sportlichen Hintergrund, sind in der Subkultur unterwegs und | |
| haben Lust, im Nachtleben zu arbeiten. So kann man schon von einem linken | |
| Weltbild ausgehen.“ | |
| ## Von Türstehern angemacht | |
| Mitternacht: Vor der Groovestation füllt sich der Einlassbereich. Darf ich | |
| da mal rein leuchten? Darf ich das anfassen? Während Friedrich die Taschen | |
| der Besucher:Innen kontrolliert, ist sein Ton ruhig und freundlich. | |
| Genauso wie Annas. Ob sie sich bereit fühlen, fragt sie drei junge Frauen | |
| und lässt sie mit einem „Viel Spaß und passt aufeinander auf“ durch. Wie | |
| sie das finden, dass eine Frau am Einlass steht? „Super“, sagt eine aus der | |
| Dreiergruppe und erinnert sich an die vorherige Security. „Das waren | |
| einfach zwei massive Männer, unfreundlich und grob.“ Sie finde es | |
| angenehmer, mit einer weiblichen Security zu sprechen, vor allem wenn es um | |
| übergriffiges Verhalten gehe. Sie und ihre beiden Freundinnen erzählen von | |
| Männern, die ihnen unangenehm nahe gekommen seien, sie angemacht, angefasst | |
| und kein Nein akzeptiert hätten. Selbst von Türstehern seien sie schon | |
| angemacht worden. | |
| Die drei Frauen sind nicht die einzigen, die in dieser Nacht von schlechten | |
| Erfahrungen im Partykontext berichten. „In meinen ersten Monaten in Dresden | |
| musste ich mir am Einlass oft Kommentare zu meinem ausländischen Aussehen | |
| anhören“, sagt ein junger Mann vor dem Club. Abgewiesen habe man ihn zwar | |
| nie, doch er habe einige Freunde, die wegen ihres Aussehens aussortiert | |
| worden seien. | |
| Empirische Daten zu Diskriminierungen explizit im Clubkontext gibt es | |
| nicht. Deshalb hat die [1][Clubcommission, das Netzwerk der Berliner | |
| Clubkultur,] 2022 zu dem Thema online über 4.000 Menschen aus dem Berliner | |
| Clubpublikum befragt. Die Ergebnisse sollen in den kommenden Monaten | |
| veröffentlicht werden. „Wir können jetzt schon sagen, dass jede dritte | |
| Person angegeben hat, bereits diskriminierende Erfahrungen in Berliner | |
| Clubs gemacht zu haben“, sagt Katharina Ahrend, die seit vier Jahren die | |
| Awareness Akademie der Clubcommission leitet. | |
| Am häufigsten nannten die Befragten laut Ahrend ihre Geschlechtsidentität | |
| und ihr Aussehen als Grund für Diskriminierung, gefolgt von ihrer sexuellen | |
| Orientierung und ihrer zugeschriebenen ethnischen Herkunft. Für die | |
| Awareness-Expertin kommt dem Türpersonal eine zentrale Rolle zu, wenn es | |
| darum geht, beim Feiern einen sicheren Raum zu schaffen. | |
| Das will auch Erich Tautz. „United macht mehr als andere Securitydienste“, | |
| erklärt der Geschäftsführer der Groovestation. „Ich wollte Leute, denen | |
| Awareness wichtig ist und die meine Werte und Überzeugungen teilen“, sagt | |
| Tautz. Für die Securityarbeit heißt das für ihn: Gewaltfreie Kommunikation, | |
| eine zugewandte Art, Deeskalation. Nur so könnten sich seine Clubgäste | |
| sicher und wohlfühlen. | |
| ## „Nicht alle nehmen mich ernst“ | |
| Damit das geht, braucht es für Anna von United auch Frauen. [2][Warum?] | |
| „Eine Freundin von mir wurden beim Feiern mal K.-o.-Tropfen verabreicht und | |
| als wir das der Security erzählt haben, hat die uns einfach vor die Tür | |
| gesetzt“, erzählt die etwa 1,65 Meter Große mit roten Haaren und Piercings. | |
| Sieben der mittlerweile 30 Mitarbeitenden von United sind weiblich. Immer | |
| noch zu wenige, wenn es nach Firmengründer Andreas geht. | |
| Doch wie reagieren Männer darauf, wenn eine Frau entscheidet, ob sie in den | |
| Club dürfen? „Nicht alle nehmen mich ernst“, sagt Anna. „Manche kommen m… | |
| krass nahe, benennen mich als Securitygirl und fragen nach meiner Nummer.“ | |
| Während sie das erzählt, wirkt sie gelassen. Genauso als sie berichtet, wie | |
| sie bei der letzten Midi einen Gast mit Reichsadler-Kette herausgefischt | |
| hat. Freundlich habe sie dem jungen Mann erklärt, dass er die Party leider | |
| verlassen müsse, was er nach einer kurzen Diskussion auch getan habe. „Die | |
| Leute wissen in der Regel, dass wir am längeren Hebel sitzen“, sagt Anna. | |
| Mehrmals im Monat trifft sich das United-Team, um mögliche Szenarien | |
| durchzuspielen, vergangene Konflikte auszuwerten und körperliche | |
| Selbstverteidigung zu trainieren. Zudem sind alle Mitarbeitenden geschult | |
| in Sachen Awareness. Dabei geht es nicht nur darum, rassistisches oder | |
| sexistisches Verhalten zu erkennen, sondern auch Modemarken aus der rechten | |
| Szene oder frauenfeindliche Sprüche auf T-Shirts. Für United ist Party | |
| politisch. „Oft heißt es, beim Feiern sollen alle ihren Spaß haben“, sagt | |
| Andreas. „Aber das [3][kann man halt nicht zu einem schwulen Paar sagen, | |
| das in einer Kleinstadt in der Sächsischen Schweiz aufs Straßenfest geht.“] | |
| Doch was, wenn die Security selbst ein rechtes Weltbild hat? Dass die | |
| deutsche Sicherheitsbranche [4][Verbindungen in die rechtsradikale Szene | |
| hat], ist mittlerweile bekannt. „Ich habe in Dresden schon Einlasspersonal | |
| im Thor-Steinar-T-Shirt gesehen“, sagt Theo, der heute auch als | |
| Sicherheitsmann in der Groovestation arbeitet. | |
| Während Anna und Friedrich den Einlass machen, hat er den Barbereich und | |
| die Tanzfläche im Blick. Als er kurz rauskommt, steht ein Pfandsammler vor | |
| ihm, fragt, ob Theo dafür sorgen könne, dass „der Vietnamese“ nicht alle | |
| Flaschen mitnehme. „Der Vietnamese“ ist noch das freundlichste Wort, dass | |
| der ältere Mann verwendet. „Ich finde es nicht cool, wie du diesen Menschen | |
| bezeichnest“, antwortet Theo und macht ihm klar: Jeder darf hier Pfand | |
| sammeln. United bietet nicht nur in Dresdner Clubs Schutz, sondern auch auf | |
| Festivals und politischen Veranstaltungen. Auch Demobegleitung für | |
| Journalist:Innen ist möglich. Vor allem in der sächsischen Provinz kann | |
| die Securityarbeit gefährlich enden. | |
| ## Weiter zur Flinta-Toilette | |
| „Bei einem Querdenker:Innen-Protest haben Demonstrierende mal einen | |
| Kameramann angegriffen“, erzählt Andreas. „Wir sind dann dazwischen, aber | |
| die Auseinandersetzung eskalierte weiter und dann kam noch die Polizei | |
| dazu, die wahllos auf alle Beteiligten losgegangen ist.“ | |
| In der Groovestation hat sich die Tanzfläche mittlerweile gefüllt. Junge | |
| Menschen bewegen sich in rötlichem Licht zu melodischem Techno. Kunstnebel | |
| liegt in der Luft. Anna macht einen Rundgang, umkreist die Tanzfläche, | |
| checkt die dunklen Ecken an der Bar und im Billard- und Kickerbereich. Sie | |
| geht weiter zur Flinta-Toilette. „Alles okay bei euch?“, fragt sie in den | |
| Raum. Nickende Gesichter. | |
| Es ist 2 Uhr, um 4.30 Uhr schließt der Club. Bei Anna setzt langsam die | |
| Müdigkeit ein. „Zum Schluss wird man ein bisschen stoisch“, sagt sie, „w… | |
| man immer die gleichen Sachen sagt.“ Trotzdem, so scheint es, hat sie auf | |
| alles um sich herum einen wachen Blick. Auch bei der nächsten | |
| Taschenkontrolle am Einlass. | |
| Anna schaut in jedes Rucksackfach, ertastet den Inhalt. „Was ist das?“, | |
| fragt sie. „Nagellack“, antwortet der junge Mann, der wirkt, als wäre ihm | |
| die Situation unangenehm. „Und das?“ Anna hat eine kleine, schwarze Box | |
| gefunden. „Schminkzeug“, antwortet der Besucher, der die Box öffnen soll. | |
| Wie ein Nähkasten fächert sich eine bunte Farbsammlung auf. „Wie sweet!“, | |
| sagt Anna mit lauter Begeisterung. | |
| „Ich wusste gar nicht, dass es solche Paletten noch gibt!“ Der Mann grinst, | |
| nimmt seinen Rucksack und läuft in Richtung Clubeingang. | |
| 22 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berliner-Clubkrise/!5971033 | |
| [2] /Performance-ueber-Maenner-und-Sicherheit/!5766246 | |
| [3] /LGBTIQ-Szene-in-Sachsen/!5615698 | |
| [4] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5587013 | |
| ## AUTOREN | |
| Laura Catoni | |
| ## TAGS | |
| Security | |
| Dresden | |
| Schwerpunkt Ostdeutschland | |
| Clubszene | |
| Club Commission | |
| Party | |
| Obdachlosigkeit | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Clubkultur | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Kolumne Stadtgespräch | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aus dem Leben eines Flaschensammlers: „Sie nehmen mich wahr als Müll“ | |
| Ein Flaschensammler will sein Pfand eintauschen, doch die DB-Security | |
| verweist ihn des Bahnhofs. Darauf kommt er in die taz und beschwert sich. | |
| Sein Protokoll. | |
| Awareness-Team auf dem Hamburger Fanfest: „Wir hören zu“ | |
| Beim Fanfest auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg kommt auch ein | |
| Awareness-Team zum Einsatz. Das Konzept hat seinen Ursprung in der linken | |
| Szene. | |
| Berliner Club KitKat: Die rechteste Tür der Stadt | |
| In der Security des KitKat arbeiten Personen mit Verbindungen in die rechte | |
| Szene. Die Liste von Verfehlungen und Beschwerden ist lang. | |
| Berliner Clubbetrieb: Persönlich gegen Juden | |
| Ein Berliner Veranstaltungsort lehnte eine jüdische Partyreihe ab. Nun | |
| rudern die Verantwortlichen zurück. Nicht der erste Fall in der Szene. | |
| Ausgehen in Japan: Auf Safari im Technoclub | |
| Unsere Autorin konnte nicht verstehen, warum junge Menschen in Japan keine | |
| Clubempfehlungen geben können. Nach einem Tanzabend wurde es ihr klar. |