# taz.de -- Neue AfD-Fraktion in Brüssel: Rechtsextreme Resterampe | |
> Am Mittwoch hat die AfD im EU-Parlament die Fraktion „Europa der | |
> souveränen Nationen“ gegründet. Dafür paktiert sie mit rechtsextremen | |
> Schmuddelkindern. | |
Bild: Kostadin Kostadinov bei einem Protest gegen den Besuch des US-Verteidigun… | |
Berlin taz | Vor gut einem Jahr hat [1][Kostadin Kostadinov, der | |
Vorsitzende der rechtsextremen bulgarischen Partei Wasraschdane] | |
(Wiedergeburt), auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg ein denkwürdiges | |
Grußwort gehalten. Er sagte unter anderem: „Im letzten Jahrhundert waren | |
wir im Krieg zweimal verbündet. Nun sind wir verbündet in Friedenszeiten. | |
Es ist höchste Zeit, dass Ihr Land seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht | |
einnimmt – und das nicht nur in Europa.“ | |
Danach ging ein Raunen durch den Saal, das bei den AfD-Delegierten in | |
großen Applaus mündete. Am Ende der Rede gab es Standing Ovations für | |
Kostadinov. Der [2][damals für die Europawahl aufgestellte Spitzenkandidat | |
Maximilian Krah] sagte zu dessen Rede, von den Bulgaren könne man sich noch | |
eine Scheibe abschneiden. | |
Das Zitat klingt bis heute nach. Denn die Partei von Kostadinov ist eine | |
der extrem rechten Parteien, die nun Partner der AfD im Europa-Parlament | |
geworden ist. Die neue Fraktion hat sich einem Sprecher von Alice Weidel | |
zufolge am Mittwochnachmittag konstituiert und heißt „Europa der souveränen | |
Nationen“. Kostadinov ist zwar nicht zur Wahl angetreten, aber seine Partei | |
ist bekannt für Hetze gegen Roma und Homosexuelle, Parteianhänger | |
solidarisierten sich mit [3][„Z“-Symbolen] mit Russland nach dem Überfall | |
auf die Ukraine. Die Partei steht damit sinnbildlich für die Qualität der | |
neuen Fraktion der AfD im Europaparlament. | |
Der Sprecher von Alice Weidel bestätigte der taz, dass sie aus 25 | |
Abgeordneten aus acht Ländern besteht. In ihr werden damit teils noch | |
radikalere Vertreter sein als in der gerade gegründeten [4][Fraktion | |
„Patrioten für Europa“], die unter anderem vom ungarischen | |
Staatspräsidenten Viktor Orbán und den französischen Rechtsextremen vom | |
Rassemblement National ins Leben gerufen wurde. | |
## Who's who durchgeknallter Rechtsextremer | |
Die teilnehmenden Parteien der neuen Fraktion, an der nun die AfD beteiligt | |
ist, lesen sich wie ein Who's who der durchgeknallten Rechtsextremen und | |
Ultranationalisten Europas. Teil sollen demnach jeweils drei Abgeordnete | |
der bulgarischen Wasraschdane („Wiedergeburt“) und der polnischen | |
Konfederacja („Konföderation“) sein. | |
Weitere Abgeordnete kommen aus der slowakischen Hnutie Republika („Bewegung | |
Republik“) und der tschechischen Svoboda a přímá demokracie („Freiheit u… | |
Demokratie“), der litauischen Tautos ir teisingumo sąjunga („Vereinigung | |
von Nation und Gerechtigkeit“), der französischen Reconquête | |
(„Rückeroberung“) und der ungarischen Mi Hazánk Mozgalom | |
(„Unsere-Heimat-Bewegung“). Die spanische Se Acabó La Fiesta („Die Party | |
ist vorbei“) ist noch nicht offiziell dabei, könnte aber noch folgen. | |
Die AfD stellt in der neuen Fraktion mit 14 Abgeordneten die größte | |
Delegation sowie die Leitung, die René Aust zufällt, einem engen Vertrauten | |
des [5][Rechtsextremisten Björn Höcke]. Für eine Fraktion im EU-Parlament | |
braucht es mindestens 23 Abgeordnete aus 7 EU-Staaten. Vom Fraktionsstatus | |
hängt viel ab, unter anderem Gelder für Mitarbeiter und Redezeit. | |
Die Verhandlungen mit den europäischen Parteien soll der | |
AfD-Delegationsleiter René Aust geführt haben, insbesondere die Kontakte | |
von [6][Petr Bystron] sollen beim Netzwerken geholfen haben. Gegen | |
Letzteren laufen weiter Ermittlungen wegen des Verdachts auf | |
Bestechlichkeit, seine Immunität ist mehrfach für Razzien in seinen | |
Immobilien in Berlin, München, Tschechien und auf Mallorca aufgehoben | |
worden. | |
## Bei der ID rausgeflogen | |
Die AfD schließt sich nun mit Europas rechtsextremer Resterampe zusammen, | |
weil sie nach dem bekannt gewordenen Treffen mit Rechtsextremisten in | |
Potsdam sowie öffentlich gewordenen Ausfällen ihres Spitzenkandidaten Krah | |
(Verharmlosung der SS) und dessen Spionageskandal aus der ID-Fraktion | |
geflogen war und danach auch aus der ID-Partei ausgetreten war. In der | |
Fraktion hatte sie in der bisherigen Zusammensetzung des EU-Parlaments | |
unter anderem mit den französischen Rechtsextremen vom [7][Rassemblement | |
National], der österreichischen FPÖ und weiteren etablierteren rechten | |
Partnern gesessen. | |
Direkt nach der EU-Wahl hoffte die AfD vergeblich darauf, hier wieder | |
Anschluss zu finden. Es half auch nichts, dass die neue AfD-Delegation nach | |
der Wahl ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah verbannt hatte, der | |
daraufhin den neuen Leiter der Delegation, René Aust, [8][implizit] einen | |
[9][Verräter nannte]. Die Verhandlungen zur Fraktionsbildung mit der | |
ID-Fraktion scheiterten trotzdem. | |
Spitzenkandidat Krah war mehrfach in der letzten ID-Fraktion suspendiert | |
worden und hatte stets dafür plädiert, mit deutlich radikaleren Vertretern | |
in Europa zu paktieren; bis hin zu neonazistischen Kleinstparteien – sein | |
Traum geht mit der neuen AfD-Fraktion nun in Erfüllung. Nur darf er – | |
zumindest vorerst – nicht dabei sein. Das soll unter anderem auch eine | |
Auflage für eine Zusammenarbeit der neuen Partner gewesen sein, so soll die | |
polnische Konfederacja darauf bestanden haben, dass Krah nicht Teil der | |
Fraktion ist. | |
Der wiederum für die Polen eingezogene Skandal-Politiker und offene | |
Antisemit Grzegorz Braun (Konfederacja) soll ebenfalls nicht Teil der | |
Fraktion sein – er ist unter anderem bekannt dafür, dass er im polnischen | |
Parlament mit einem Feuerlöscher einen Channukkah-Leuchter gelöscht hat. | |
Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie radikal die neuen Partner der | |
AfD sind. So gilt die polnische Konfederacja auch ohne Braun als | |
Sammelbecken für Antisemiten, Monarchisten, Libertäre und Nationalisten. In | |
die neue Fraktion sollen drei der insgesamt sechs Abgeordneten der | |
Konfederacja einziehen. | |
## „Ein Gruselkabinett“ | |
Zwar soll Weidel zur Bedingung gemacht haben, dass der Fraktion „keine | |
Antisemiten“ angehören, aber daraus wird wohl nichts: So soll aus der | |
Slowakei auch etwa Milan Uhrik (Republika) dabei sein, der den | |
[10][Holocaust 2017 „weder gutheißen noch missbilligen“ wollte] und 2023 | |
wegen Desinformationen zur Pandemie verurteilt wurde. | |
Aus Frankreich kommt Sarah Knafo (Reconquête), die rechts von Marine Le Pen | |
steht und die Verschwörungideologie vom „Großen Austausch“ propagiert. F�… | |
die Spanier sollte eigentlich auch der [11][rechte Influencer Alvise Pérez] | |
von „Se Acabó la fiesta“ (SOS, „Die Party ist vorbeit“) dabei sein, der | |
Fake News verbreitet, gegen Migration und Feminismus hetzt und die | |
[12][Einführung von Zwangsarbeit für Sexualstraftäter fordert]. Allerdings | |
hat er die Fraktion kurz vor knapp doch nicht mitgegründet. Dass er sich | |
mit zwei weiteren Abgeordneten der SOS noch anschließt, ist demnach nicht | |
ausgeschlossen. | |
Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt sagte der taz: „Es ist eine Gruppe | |
von Neonazis, Hooligans und Verschwörungstheoretikern, und in ihrem Zentrum | |
steht die AfD. In jedem Drehbuch wären das die Bösewichte, ein | |
Gruselkabinett.“ Dass die AfD nicht Teil von Orbáns und Le Pens Fraktion | |
geworden ist, erklärt Marquardt so: „Es geht beim Ausschluss der AfD aus | |
der rechtsextremen Fraktion auch um deren Stellung in Deutschland. Le Pen | |
möchte im Europaparlament künftig auch mit den Konservativen | |
zusammenarbeiten, und das ist leichter, wenn die CDU und die CSU sich nicht | |
dafür rechtfertigen müssen, dass da auch die AfD drin sitzt.“ | |
Mit der neuen Fraktion in Brüssel bildet sich die zweite extrem rechte | |
Fraktion, nachdem unter anderem Viktor Orbán (Fidesz) und Jordan Bardella | |
(Rassemblement National) die „Patrioten für Europa“ mit [13][84 | |
Abgeordneten aus 12 EU-Ländern gegründet haben]. Diese ist aus dem Stand | |
drittstärkste Kraft in Brüssel. SPD-Abgeordnete Katarina Barley forderte | |
eine standhafte Brandmauer nach rechts, auch die Grünen-Fraktionschefin | |
Terry Reintke sprach sich gegen Ausschussvorsitze der Rechtsextremen aus. | |
Update am 10. Juli 2024 um 18 Uhr mit Informationen über die teilnehmenden | |
Fraktionen, die Teilnehmerzahl und den Vollzug der Gründung. | |
10 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Parteitag-in-Magdeburg/!5947746 | |
[2] /Geheime-Abstimmung-in-AfD-Delegation/!6016721 | |
[3] /Prozess-wegen-Z-Symbol/!5887137 | |
[4] /Rechtsaussen-Fraktion-im-EU-Parlament/!6019462 | |
[5] /Zweites-Urteil-gegen-AfD-Politiker/!6017922 | |
[6] /Erneute-Razzia-bei-Petr-Bystron/!6020108 | |
[7] /Wahlkampffinanzen-in-Frankreich/!6022144 | |
[8] http://www.rhetorik-netz.de/marc_ant/ | |
[9] https://www.rnd.de/politik/hoecke-gegen-krah-wie-sich-das-voelkische-lager-… | |
[10] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus245995548/Der-AfD-Mann-und-sei… | |
[11] https://www.faz.net/aktuell/politik/europawahl/tiktok-influencer-im-eu-par… | |
[12] https://www.infobae.com/espana/2024/06/09/el-agitador-alvise-perez-da-el-c… | |
[13] /Rechtsaussen-Fraktion-im-EU-Parlament/!6019462 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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