| # taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete: Sozialgericht kippt Bargeld-Pauschale | |
| > Die 50-Euro-Grenze bei der Bezahlkarte ist in einem Fall für rechtswidrig | |
| > erklärt worden. Kartengegner jubilieren, doch das könnte voreilig sein. | |
| Bild: 50 Euro Bargeld pauschal für Geflüchtete? Hat das Hamburger Sozialgeric… | |
| Hannover taz | Das Hamburger Sozialgericht hat in einem Eilverfahren | |
| entschieden, dass es die Bargeldgrenze bei der Bezahlkarte für Flüchtlinge | |
| in Höhe von 50 Euro für nicht rechtmäßig hält. Die persönlichen und | |
| örtlichen Umstände der Betroffenen müssten berücksichtigt werden, hieß es. | |
| Geklagt hatte eine Schwangere. | |
| Mit der Beschränkung auf maximal 50 Euro Bargeld pro Monat und Person | |
| sollen Zuwanderer abgeschreckt und Geldtransfers ins Ausland eingedämmt | |
| werden, [1][so hatte es die Bundesinnenministerkonferenz im Juni | |
| beschlossen.] Die Maßnahme ist umstritten. Viele Hilfsorganisationen halten | |
| sie für reinen Populismus. | |
| Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Pro Asyl unterstützen | |
| deshalb eine Reihe von Klagen von einzelnen Betroffenen. Die Entscheidung | |
| des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Juli, [2][die GFF und Pro Asyl am | |
| Mittwoch bekannt machten], ist die erste in dieser Reihe. | |
| Geklagt hatte eine dreiköpfige Familie, die in einer Hamburger | |
| Erstaufnahmeeinrichtung lebt. Dort werden seit Februar die Leistungen nur | |
| noch über die sogenannte Social Card ausgegeben. Mit der Karte kann in | |
| vielen Läden und Einrichtungen bezahlt werden, die Auszahlung von Bargeld | |
| ist jedoch auf 50 Euro pro Erwachsenem und 10 Euro pro Kind im Monat | |
| beschränkt. Der Familie stehen im Monat also 110 Euro in bar zur Verfügung. | |
| Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass ihnen Sonderbedarfe für die | |
| schwangere Frau und das Kleinkind zugestanden wurden. Dagegen hatte die | |
| Familie geklagt, weil es ihr zum Beispiel nicht möglich ist, Umstands-, | |
| Baby- und Kinderkleidung auf den vielerorts üblichen Basaren und | |
| Flohmärkten günstig zu erwerben. | |
| Dieser Argumentation folgte das Sozialgericht insoweit, als es befand, das | |
| Hamburger Amt für Migration hätte sich nicht einfach so auf die pauschale | |
| Bargeldgrenze zurückziehen dürfen, wie sie von der Innenministerkonferenz | |
| beschlossen wurde. Zwar liege es grundsätzlich im Ermessen der Behörde, in | |
| welcher Form Leistungen gewährt werden, die Gesetzesbegründung sieht aber | |
| vor, dass „örtliche Besonderheiten und unterschiedliche Lebenslagen“ zu | |
| berücksichtigen sind. Das, so argumentiert das Gericht, macht eben eine | |
| Einzelfallbetrachtung notwendig, die es hier erkennbar nicht gegeben hat. | |
| Als „Etappensieg“ bezeichneten das die Gesellschaft für Freiheitsrechte | |
| (GFF), von einer „Klatsche für den Senat“ schreibt die Linkenfraktion in | |
| ihrer Pressemitteilung. | |
| Die große Hoffnung der Bezahlkarten-Gegner: Mit einer individuellen | |
| Festlegung von Bargeldgrenzen wird das Ganze so kompliziert und | |
| arbeitsaufwendig, dass man es vielleicht lieber ganz sein lässt. [3][So | |
| macht es beispielsweise Hannover], wo die Bezahlkarte von Anfang an wie | |
| eine ganz normale Bankkarte eingesetzt wurde, was im Vergleich zur Ausgabe | |
| von Bargeld, Wertgutscheinen oder Sachleistungen immer noch erheblichen | |
| Verwaltungsaufwand einspart. | |
| ## Bezahlkarten-Gegner schöpfen Hoffnung | |
| Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist aber auch noch lange nicht raus. Erst | |
| einmal hat das Sozialgericht die Behörde nur angewiesen, der Familie die | |
| Sonderbedarfe für die schwangere Frau und das Kleinkind in bar oder als | |
| abhebbares Guthaben auf der Social Card zur Verfügung zu stellen. Das gilt | |
| erst einmal nur für diesen Einzelfall. | |
| Gegen den Beschluss kann das Amt für Migration noch Beschwerde einlegen, ob | |
| man das tut, werde noch geprüft, erklärte die Behörde auf taz-Anfrage. | |
| Generell bemüht man sich, die Bedeutung des Beschlusses herunterzuspielen: | |
| „Die Entscheidung des Sozialgerichts stellt die Rechtmäßigkeit und das | |
| System der Hamburger Bezahlkarte (Social Card) nicht infrage. Auch eine | |
| feste Bargeldobergrenze hält das Gericht nicht per se für rechtswidrig. | |
| ## Gerichtsentscheidung ändert erstmal grundsätzlich nichts | |
| Am bisherigen Modell in Hamburg ändert sich mit der Entscheidung daher nach | |
| jetzigem Kenntnisstand grundsätzlich nichts“, heißt es in einer dürren | |
| gemeinsamen Stellungnahme von Innenbehörde und Sozialbehörde ohne weitere | |
| Begründung. | |
| Es ist unwahrscheinlich, dass hier das letzte Wort schon gesprochen ist. | |
| Immerhin sollte Hamburg ja als Modell für die anderen Bundesländer dienen. | |
| Und nach der langen und heftigen Debatte um die Ausgestaltung der | |
| Bezahlkarte und die Höhe der Bargeldbegrenzung werden sich die | |
| Innenminister der Länder dieses Instrument wohl nicht einfach so aus der | |
| Hand nehmen lassen. | |
| 24 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bund-Laender-Beratungen-zu-Migration/!6018700 | |
| [2] https://freiheitsrechte.org/themen/gleiche-rechte-und-soziale-teilhabe/beza… | |
| [3] /Bezahlkarten-fuer-Gefluechtete/!5975868 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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