| # taz.de -- Lötzsch kandidiert nicht mehr: Abrechnung mit Linksparteiführung | |
| > Ihr Direktmandat in Berlin-Lichtenberg rettete die Linkspartei davor, aus | |
| > dem Bundestag zu fliegen. Jetzt kündigt Gesine Lötzsch ihren Abschied an. | |
| Bild: Hört auf: Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von den Linken | |
| Berlin taz | Es ist die Ankündigung eines Abschieds – und eine bittere | |
| Abrechnung: Gesine Lötzsch wird bei der kommenden Bundestagswahl nicht | |
| wieder kandieren. Das teilte die 62-jährige Berlinerin am Mittwoch in einer | |
| Erklärung mit. Für die strauchelnde Linkspartei ist das ein harter Schlag. | |
| Denn Lötzsch ist eine der drei direkt gewählten Abgeordneten, dank denen | |
| sie derzeit [1][überhaupt noch im Parlament sitzt]. | |
| Seit 2002 gehört Lötzsch dem Bundestag an. Sechs Mal hintereinander gewann | |
| sie ihr Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg. Ihr bestes Ergebnis | |
| erzielte sie 2009 mit 47,5 Prozent der Erststimmen, zuletzt waren es 2021 | |
| noch 25,8 Prozent. Ihre Entscheidung, nicht erneut anzutreten, habe sie | |
| bereits damals getroffen, so Lötzsch in ihrer Erklärung. „Jetzt ist der | |
| richtige Zeitpunkt, sie bekannt zu machen“, schreibt sie. | |
| Die Bekanntgabe ihrer Entscheidung nutzte die studierte Philologin für eine | |
| Generalabrechnung mit der Führung der Linken. Ein Grund für das | |
| [2][katastrophale Ergebnis bei der Europawahl], bei der die Partei auf 2,7 | |
| Prozent abstürzte, sei eine Strategie gewesen, „die unser Parteiprogramm | |
| nur in Teilen widerspiegelte“. | |
| Soziale Gerechtigkeit und Frieden seien die beiden Themen gewesen, mit | |
| denen die Linke in der Vergangenheit Wahlen gewonnen habe. Doch in diesem | |
| Wahlkampf habe der Parteivorstand nicht über Frieden reden wollen, „weil | |
| unsere Partei in dieser Frage gespalten wäre“. Seine Aufgabe wäre es jedoch | |
| gewesen, für eine gemeinsame Position zu kämpfen. „Wer existenzielle Fragen | |
| nicht diskutieren will, der wird abgewählt“, konstatiert Lötzsch. | |
| ## Entsetzt über Parteivorstand | |
| Auch die Nominierung der parteilosen [3][Klima- und | |
| Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete] zur Spitzenkandidatin an der Seite | |
| des [4][Parteivorsitzenden Martin Schirdewan] bei der EU-Wahl sei „ein | |
| Fehler“ gewesen. Dass Rackete vielen Menschen im Mittelmeer das Leben | |
| gerettet hat, sei zwar ihr großes Verdienst. Aber: „Die Partei kannte sie | |
| nicht und sie kannte unsere Partei nicht.“ | |
| Sie habe in den vergangenen Jahren immer mehr den Eindruck gewonnen, „dass | |
| die Parteivorstände neue Wählerinnen und Wähler gewinnen wollen und dabei | |
| auf die Stammwählerinnen und -wähler gern verzichten“, schreibt Lötzsch. | |
| Das Resultat läge „jetzt auf unserem Tisch“. | |
| Dabei dürfte sie nicht zuletzt ihren eigenen Wahlkreis im Blick haben, wo | |
| die Linkspartei bei der EU-Wahl nur noch bei 10 Prozent landete und sich | |
| damit mehr als halbierte. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stieg | |
| demgegenüber in Lichtenberg auf 15,2 Prozent empor. | |
| ## Kein Wort der Selbstkritik | |
| Der elektorale Absturz sei auch auf die [5][Spaltung der Linksfraktion] im | |
| Bundestag zurückzuführen, ist Lötzsch überzeugt. „Ich war entsetzt, wie | |
| leichtfertig der Parteivorstand bereit war, die Bundestagsfraktion | |
| aufzugeben“, liefert sie eine etwas eigenwillige Interpretation der | |
| Geschichte. | |
| Über ihre Mitverantwortung dafür, dass die Ex-Fraktionsvorsitzende | |
| Wagenknecht und ihre Anhänger:innen seit dem Erfurter Parteitag 2022 | |
| aus der Bundestagsfraktion heraus ungestört die Gründung einer | |
| Konkurrenzpartei vorbereiten konnten, verliert Lötzsch hingegen kein Wort. | |
| Ebenso wenig gibt sie einen Hinweis darauf, wie sich die Abspaltung hätte | |
| verhindern lassen. | |
| Lötzsch ist schon lange im politischen Geschäft. 1984 in die SED | |
| eingetreten, gehörte sie zunächst 1990 der Stadtverordnetenversammlung von | |
| Ostberlin an, dann von 1991 bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag 2002 dem | |
| Berliner Abgeordnetenhaus. Von 2010 bis 2012 stand sie gemeinsam mit dem | |
| inzwischen zum BSW gewechselten Klaus Ernst an der Spitze der Linken. Zu | |
| dieser Zeit erlebte die Partei [6][ihre erste größere Krise]. | |
| Damals stand allerdings noch nicht die Existenz auf dem Spiel. Das ist | |
| jetzt anders. Lötzsch fordert nun eine deutliche Strategieänderung. „Wir | |
| müssen wieder als Friedenspartei erkennbar werden“, schreibt sie mit Blick | |
| auf die kommende Bundestagswahl. Der für Oktober geplante Bundesparteitag | |
| müsse entsprechend „personell und inhaltlich Grundsatzentscheidungen | |
| treffen“. | |
| 19 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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| Janine Wissler | |
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