# taz.de -- Senegal unter Diomaye Faye: „Die Jugend hat keine Zeit zu warten�… | |
> Drei Monate nach Amtsantritt von Senegals linkem Präsidenten Diomaye Faye | |
> fehlen konkrete Projekte. Vor allem junge Menschen sind unzufrieden. | |
Bild: Bassirou Diomaye Faye im April bei seiner Vereidigung als Präsident Sene… | |
Dakar taz | Das Impact ist eine Mischung aus Veranstaltungsraum und | |
Bildungsstätte in Senegals Hauptstadt Dakar. Der Kulturarbeiter Amadou Fall | |
Ba, der es aufgebaut hat, sitzt an diesem Nachmittag im Foyer mit einer | |
Gruppe Jugendlicher, die sich als Veranstaltungstechniker ausbilden lassen. | |
Gut drei Monate ist es her, [1][dass der linke Oppositionelle Bassirou | |
Diomaye Faye überraschend die Präsidentschaftswahl in Senegal gewann]. Nun | |
ist Faye drei Monate im Amt, und Senegal erwartet Veränderungen. | |
„Alle hier erwarten konkrete Ankündigungen“, sagt Ba. Er räumt ein, dass … | |
zu früh sei, um etwas über die Arbeit der neuen Regierung sagen zu können. | |
„Aber die Jugend hat keine Zeit zu warten. Sie hat keine Geduld.“ | |
Senegals neuer Regierungschef ist Ousmane Sonko, ein Korruptionsgegner, | |
Elitenkritiker und Panafrikanist sowie konservativer Muslim. Er war der | |
eigentliche Oppositionsführer gegen [2][den vorherigen Präsidenten Macky | |
Sall] gewesen. Sall mochte zunächst von der Macht nicht lassen, bevor er | |
doch nachgab, aber die Wahlen verschob; bei Protesten gab es Tote. | |
Als die Wahlen am 24. März stattfanden, durfte Sonko nicht kandidieren, | |
weil er zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. An seiner Stelle | |
kandidierte der wenig bekannte Faye – und machte nach seinem Amtsantritt am | |
2. April prompt seinen Mentor zum Premierminister. | |
## Es fehlen Perspektiven für junge Menschen | |
Seine Mannschaft hat Sonko als Kabinett „des Bruches“ beschrieben, das für | |
„Systemwechsel“ stehe. Bisher ist vor allem zu hören gewesen, dass die neue | |
Regierung stärker gegen Korruption vorgehen und Steuern anheben will. Das | |
sei nicht falsch, findet Amadou Ba. [3][Aber das eigentliche Problem seien | |
die nach wie vor fehlenden Perspektiven für die Jugend.] Offiziell liegt | |
die Jugendarbeitslosigkeit bei nur vier Prozent, aber die allermeisten | |
jungen Menschen halten sich mit informellen, schlecht bezahlten Jobs über | |
Wasser. 200.000 junge Menschen kommen in Senegal pro Jahr neu auf den | |
Arbeitsmarkt, eine Million werden es während der Amtszeit der neuen | |
Regierung sein. | |
„Viele wollen arbeiten, aber haben nichts gelernt“, sagt Ba. Und so würden | |
viele sich auf den Weg Richtung Europa machen. „Gerade heute ist wieder | |
eine Piroge mit 78 jungen Leuten abgelegt“, sagt er und deutet in Richtung | |
des nahen Stadtstrandes. Etwa 4.000 Senegalesen haben in diesem Jahr bisher | |
in der EU einen Asylantrag gestellt. „Ich will auch nach Berlin“, sagt | |
einer der Jugendlichen, die bis dahin in der Ecke gesessen und stumm | |
zugehört haben. | |
[4][Die Regierung nimmt vor allem die Hochschulbildung in den Blick.] „Aber | |
es ist viel wichtiger, dass Menschen etwas mit den Händen lernen können“, | |
meint Ba. „Elektriker oder so.“ Große Berufsschulen für | |
Facharbeiterausbildung – das würde das Land nach vorn bringen, glaubt er. | |
„Wir haben 18 Millionen Einwohner, aber keine zwei, die Beleuchtungstechnik | |
unterrichten können. Diese Kompetenzen muss man entwickeln.“ | |
Der Filmemacher Demba Dia ist an diesem Tag auch im Impact. Er war in den | |
2000er Jahren aktiv in der von Rappern und Journalisten initiierten | |
Protestbewegung „Y’en a marre“ – „Es reicht“. Diese hatte 2012 mit | |
Massenprotesten die Abwahl von Macky Salls Vorgänger als Präsident, | |
Abdoulaye Wade, mit herbeigeführt. Heute dreht Dia Dokumentarfilme über | |
junge Haftgefangene oder Anwohner, die gegen Umweltschäden durch staatliche | |
Bauprojekte protestieren. Er sei „optimistisch, was das Kleine, und | |
pessimistisch, was das Große angeht“, sagt er. | |
## Ökonomen fürchten Inflationsschub | |
Auch die neue Regierung werde „Oligarchen zu Diensten sein“. Auch den | |
diskutierten Ausstieg aus der westafrikanischen Regionalwährung CFA-Franc, | |
die aus der französischen Kolonialwährung entstand und bis heute an den | |
Euro gekoppelt ist, sieht er skeptisch. „Das ist vor allem eine Frage der | |
Identität, aber keiner weiß, was das kosten wird.“ | |
Schon vor zehn Jahren hatte unter anderem „Y’en a marre“ die Abschaffung | |
des von der französischen Zentralbank kontrollierten CFA-Franc verlangt, | |
auch als symbolischen Schritt der Emanzipation. Auch der neue Präsident | |
Diomaye Faye hatte davon gesprochen. Doch Ökonomen fürchten einen | |
erheblichen Inflationsschub. | |
Im Wahlkampf hatte sich der 44-Jährige Faye als Vertreter eines „linken | |
Panafrikanismus“ bezeichnet. Zudem stellte er in Aussicht, die „nationale | |
Souveränität“ wiederherzustellen. Mit der deutlich antikolonialen Rhetorik | |
nahm Faye eine Stimmung auf, die offen auf den Bruch mit dem Westen drängt. | |
Anders als in manchen Nachbarstaaten wie Mali gibt es in Senegal bisher | |
aber keine offene Hinwendung zu Russland. Faye will weiter mit dem Westen | |
kooperieren, aber die Verträge zur Förderung von Gas, Öl und Gold, die | |
unter Macky Sall geschlossen wurden, neu verhandeln und eine „überdachte“ | |
Beziehung zur EU herstellen. Nun wartet Senegal auf Veränderung. | |
2 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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