| # taz.de -- Großevent in Senegal: Schwimmen mit symbolischer Kraft | |
| > In Dakar startet einer der größten Freiwasserwettbewerbe Afrikas. Er soll | |
| > auch an die Sklavenverschiffungen im 19. Jahrhundert erinnern. | |
| Bild: Bereit für die Insel: 4.500 Meter müssen diese Schwimmer bis zur Ile de… | |
| Der Sand knirscht unter den Füßen, als Coach Mouhamed Charles Diedhiou und | |
| seine drei Schützlinge langsam ins Meer laufen, um sich an die Temperatur | |
| zu gewöhnen. Den ganzen Vormittag hat es in Senegals Hauptstadt Dakar | |
| geregnet, entsprechend fühlt sich der Atlantik an diesem Morgen deutlich | |
| kühler an als üblich. Der Start soll nicht überhastet angegangen werden, | |
| sagt Diedhiou. Der 30-Jährige ist Schwimmcoach und wird mit den | |
| zwölfjährigen Drillingen Djeylani, Jalil und Anna Laila Ndiaye am | |
| Schwimmwettkampf „La traversée Dakar Gorée“ teilnehmen. | |
| Die „Dakar-Gorée“, wie Magatte Diaye die Veranstaltung nennt, ist [1][einer | |
| der größten Freiwasserschwimmwettämpfe von ganz Westafrika.] Er ist | |
| Präsident der senegalesischen Schwimmverbandes FSNS und Ausrichter der | |
| Veranstaltung. Knapp fünf Kilometer gilt es vom Startpunkt am Strand von | |
| Dakar bis zur Insel Gorée im Atlantik zu bewältigen. 750 Sportler*innen | |
| haben sich angemeldet, berichtet er stolz. Es ist eine Veranstaltung, die | |
| über die Jahre stetig gewachsen ist. „Das ist bereits das 35. Mal, dass die | |
| Dakar-Gorée ausgerichtet wird. Wer weiß, vielleicht knacken wir im | |
| kommenden Jahr ja die Tausendermarke“, freut sich Diaye. | |
| Der Strand Voile d’Or, der sonst aufgrund der schattenspendenden Palmen und | |
| dem weichen Sand vor allem bei Familien beliebt ist, wird an diesem Tag von | |
| Sportler*innen in roten und weißen Badekappen dominiert. Rote Badekappen | |
| für jene, die 5.200 Meter schwimmen werden, weiße für die, die 4.500 Meter | |
| zurücklegen, erklärt Coach Diedhiou. „Die Drillinge machen die Strecke zum | |
| ersten Mal. Deshalb werden wir die 4.500 Meter schwimmen und etwas später | |
| als die anderen starten. Wir gehen es ganz in Ruhe an“, sagt Diedhiou. | |
| Eine Taktik, die sich bewährt. Als die Veranstalter zum Start aufrufen, | |
| drängelt sich die Menge hinter dem Startseil. Ein kurzer Countdown und | |
| Hunderte Sportler*innen sprinten in die Wellen. Begleitet von Kajaks, | |
| der Feuerwehr und dem senegalesischen Militär, die für die Sicherheit der | |
| Schwimmer sorgen, setzt sich der Schwarm von unzähligen Badekappen in | |
| Bewegung. | |
| ## „Symbolische Insel“ | |
| Es ist ein Schwimmwettkampf, bei dem es jedoch nicht nur um die sportliche | |
| Leistung geht. „Die Ile de Gorée ist eine symbolische Insel“, berichtet | |
| Organisator Magatte Diaye. Von dort wurden bis ins 19. Jahrhundert Sklaven | |
| aus ganz Afrika über den Atlantik verschifft. Das Schwimmen vom Festland | |
| zur Insel soll an diese dunkle Zeit erinnern. | |
| [2][Heute ist die Ile de Gorée Unesco-Weltkulturerbe.] Auch ein Museum, das | |
| „Haus der Sklaven“, informiert über die Zeit des Sklavenhandels. Doch | |
| während in den vergangenen Jahren der Schwimmwettkampf immer in Erinnerung | |
| an die Zeit des Sklavenhandels stattfand, ist in diesem Jahr ein weiteres | |
| Thema in den Vordergrund gerückt: „Nageons pour Mbour – Stop à | |
| l’immigration clandestine“ (zu Deutsch: „Schwimmen für Mbour – Stoppt … | |
| illegale Einwanderung“) steht auf einem selbst gemalten Banner, das eine | |
| Gruppe kurz vor dem Start des Events am Strand aufbaut. | |
| Es sind Schwimmer und Unterstützer aus Senegals Küstenstadt Mbour, die das | |
| Spruchband mitgebracht haben. Dort war Anfang September ein Boot mit mehr | |
| als 125 Menschen gekentert. Unter den Toten befanden sich auch zahlreiche | |
| Kinder. Sogar Präsident [3][Bassirou Diomaye Faye] reiste zum Unglücksort, | |
| um sein Beileid auszusprechen und kündigte an, kostenlose Telefonnummern | |
| zum Aufspüren von Schleppern einzurichten. Es ist ein Drama, das sich in | |
| eine Serie derartiger Schiffsunglücke einreiht: Erst am Montag war erneut | |
| ein gekentertes Boot etwa 70 Kilometer vor der Küste von Dakar gefunden | |
| worden. Mindestens 30 Menschen starben bei dem Unglück. | |
| [4][Immer wieder kommt es vor der Küste des Landes zu Vorfällen wie | |
| diesen.] Das westafrikanische Land ist Ausgangspunkt für viele Migranten | |
| aus ganz Afrika, um die gefährliche Überfahrt über den Atlantik anzutreten, | |
| in der Hoffnung, in Europa bessere wirtschaftliche Aussichten vorzufinden. | |
| „Aber die Boote sind oftmals nicht hochseetauglich und einfach alt. Viele | |
| Menschen können außerdem nicht schwimmen und so kommt es immer wieder zu | |
| diesen furchtbaren Meldungen“, sagt Magatte Diaye. | |
| ## Warnung vor tragischem Schicksal | |
| Als nationaler Schwimmverband positioniere man sich gegen die irreguläre | |
| Migration nach Europa. „Wir sensibilisieren sie dafür, wie gefährlich die | |
| Überfahrt ist. Und wie sensibilisieren dafür, dass sie in Senegal bleiben | |
| und dass sie hier arbeiten. Ich denke, dass es im Land ziemlich viele | |
| Möglichkeiten gibt“, sagt Verbandschef Diaye. | |
| Am Startpunkt tauchen die Drillinge langsam ihre Hände in das salzige | |
| Meerwasser. Während Coach Diedhiou sie ermutigt, ihren Rhythmus zu finden, | |
| gleitet die kleine Gruppe ruhig durch den Atlantik. | |
| Doch während die drei Kinder das Schwimmen als Abenteuer erleben, erinnert | |
| die Veranstaltung eben auch an diese Realität; Senegal mag politisch als | |
| stabil gelten, doch die wirtschaftlichen Herausforderungen treiben viele | |
| dazu, ihr Glück im Ausland zu suchen – oft mit tragischem Ausgang. | |
| Veranstalter Magatte Diaye, der das Geschehen von einem der | |
| Sicherheitsboote aus aufmerksam beobachtet, hofft, das Bewusstsein für | |
| diese Gefahren und für die Perspektiven im eigenen Land zu schärfen. | |
| 24 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Helena Kreiensiek | |
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