# taz.de -- Neue Regierung im Senegal: Wieder leben können vom Fischen | |
> Senegals neuer Präsident Bassirou Diomaye Faye will Gas- und Ölverträge | |
> neu verhandeln. Das macht den Fischern von Saint Louis Hoffnung. | |
Bild: Moustapha Dieng ist Generalsekretär der nationalen autonomen Gewerkschaf… | |
SAINT LOUIS taz | Der Wellengang ist hoch, und in der kleinen Piroge steht | |
das Wasser. Das schmale, lange und bunt bemalte Holzboot schaukelt enorm. | |
Es ist eines von tausenden Fischerbooten, die entlang der senegalesischen | |
Küste im Einsatz sind. Dieses gehört Mame Daouda Gueye. Wie schon sein | |
Vater und Großvater ist der 46-Jährige von Beruf Fischer. Mit seiner | |
Familie lebt er in Saint Louis im Nordwesten Senegals kurz vor der Grenze | |
zu Mauretanien. | |
Es ist das Zentrum des Fischfangs in Senegal, das tausenden Menschen Arbeit | |
gibt. Mit an Bord ist heute Gueyes Sohn Mohamed, der das kleine | |
Familienunternehmen später weiterführen soll. Abwechselnd steuern die | |
beiden das Boot. Der Dieselmotor brummt gewaltig. | |
Außerdem dabei an diesem Vormittag: Moustapha Dieng. Er ist Aktivist und | |
Generalsekretär der nationalen autonomen Gewerkschaft der Fischer in | |
Senegal (SYNAPS). Denn es geht nicht zum Fischen aufs Meer. Stattdessen | |
wollen die Männer jene Plattform zeigen, die den Fischern das Leben schwer | |
macht. Sie ist nur wenige Kilometer vom Strand entfernt für das Gasfeld | |
„Greater Tortue Ahmeyim“ (GTA) errichtet worden. | |
Dieng hat sie seit Baubeginn genau dokumentiert. [1][Die Gasförderung galt | |
lange als Prestigeprojekt der bisherigen Regierung von Macky Sall.] Vor | |
zwei Jahren schätzte diese noch, dass von 2023 bis 2025 mit Einnahmen in | |
Höhe von knapp 1,4 Milliarden Euro zu rechnen sei, berichtete das Magazin | |
JeuneAfrique. Es heißt, das Gasfeld habe eine jährliche Exportkapazität von | |
2,3 Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG). Die Gesamtmenge schätzt das | |
britische Unternehmen BP, das Anteile in Höhe von 56 Prozent an dem | |
Vorhaben hält, auf etwa 400 Milliarden Kubikmeter. Der Beginn der Förderung | |
ist allerdings mehrfach verschoben worden. Wann sie nun tatsächlich | |
beginnt, ist unklar. | |
[2][In Deutschland wiederum sorgte das senegalesische Flüssiggas für | |
zahlreiche Schlagzeilen], weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Jahr 2022 | |
während seines Staatsbesuches in Senegal sagte, man wolle die | |
Gaskooperation vorantreiben. N[3][ach Beginn des Ukraine-Krieges wurde | |
händeringend nach Alternativen zur Abhängigkeit vom russischen Gas | |
gesucht.] [4][Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe kritisierten das | |
Vorhaben, von dem aktuell nichts mehr zu hören ist, scharf.] | |
## Neuer Wind durch linke Regierung | |
Mame Daouda Gueye stellt den Motor aus. Die Plattform ist jetzt gut | |
sichtbar, liegt allerdings noch mehrere hundert Meter entfernt. Grund dafür | |
ist die Sperrzone, die von allen Seiten 500 Meter beträgt. Jetzt schaukelt | |
die Piroge sanft in den Wellen. Ausgerechnet dort, wo die Fischbestände | |
besonders gut sind, wurde die Plattform errichtet, kritisiert | |
Gewerkschafter Dieng und zeigt auf das Bauwerk. Dass der Abstand | |
eingehalten wird, dafür würde ein Boot der Marine sorgen. „Wenn wir sie | |
früher gebraucht haben, war sie nicht da. Heute schützt sie das Gas.“ Dabei | |
soll die tatsächliche Förderung rund 125 Kilometer vor der Küste Senegals | |
und Mauretaniens stattfinden. | |
Wie es mit ihr allerdings weitergeht, ist unklar. [5][Das System von Macky | |
Sall ist Ende März abgewählt worden.] In den vergangenen Jahren geriet der | |
bisherige Präsident zunehmend in die Kritik. | |
[6][Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Einschränkung von | |
Meinungs- und Pressefreiheit.] Ab 2021 wurden bei Protesten zahlreiche | |
Personen verhaftet. Laut Human Rights Watch [7][kamen zwischen März 2021 | |
und Februar 2024 mindestens 37 ums Leben]. Zur Verantwortung gezogen wurde | |
niemand. | |
[8][Strahlender Sieger ist nun Bassirou Diomaye Faye], der mit 44 Jahren | |
der jüngste Präsident in der Geschichte des Landes ist. [9][Ousmane Sonko, | |
der eigentliche Kopf der linken und jungen Opposition, ist sein | |
Premierminister.] Faye hat während des Wahlkampfs den Bruch mit dem | |
bisherigen System angekündigt, was Aktivist:innen wie Dieng freut. Er | |
hofft, dass der neue Präsident die Fehler seiner Vorgänger wieder | |
ausbügelt. | |
## Notwendige Investitionen aus dem Ausland | |
Schon vor seiner Amtseinführung forderte Faye, Verträge für Gas und Öl neu | |
zu verhandeln. Am Gasvorhaben hält das senegalesische Unternehmen Petrosen | |
gerade einmal zehn Prozent, Mauretanien sieben. Ob es aber tatsächlich | |
schon Gespräche gab, ist unklar. JeuneAfrique zitierte Ende März einen | |
Petrosen-Mitarbeiter, der gesagt hat, dass Neuverhandlungen für bestehende | |
Verträge eine heikle Angelegenheit werden. Es gilt ohnehin als | |
wahrscheinlich, dass Fayes Regierung diplomatischer vorgeht, [10][als der | |
linke Panafrikanist bisher klang]. | |
Der Internationale Währungsfonds prognostiziert Senegal für 2024 ein | |
Wirtschaftswachstum von 8,3 Prozent. Das Land mit mehr als 18 Millionen | |
Einwohner:innen gilt als unternehmerfreundlicher als die übrigen | |
frankophonen Staaten Westafrikas. Dennoch liegt es auf Platz 169 des | |
UN-Entwicklungsindexes. Ausländische Investitionen sind dringend notwendig. | |
Yero Sarr, der sich in der Bewegung Fridays for Future engagiert, hat die | |
Hoffnung, dass die Gewinne aus der Gasförderung im Sinne der Bevölkerung | |
genutzt werden. „Mit den Erlösen müssen wir Projekte finanzieren, die junge | |
Menschen davon abhalten, über das Meer nach Europa zu migrieren.“ Migration | |
hat in Senegal Tradition, Rücküberweisungen machten 2022 knapp elf Prozent | |
der Bruttoinlandsprodukts aus. Auch in Saint Louis gibt es keine Familie, | |
in der nicht jemand [11][das Boot in Richtung kanarische Inseln genommen | |
hat]. | |
Die Piroge von Mame Daouda Gueye ist zurück am Strand. Mehrere Männer haben | |
das Boot aus dem Wasser gezogen. Moustapha Dieng setzt darauf, dass die | |
neue Regierung den Fischfang stärkt. Das erhalte Arbeitsplätze, schaffe | |
sozialen Frieden und verhindere die riskanten Überfahrten. „Früher konnten | |
die Fischer hier gut von ihrer Arbeit leben. Das soll auch künftig wieder | |
so sein.“ | |
5 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Rohstoffe-aus-Westafrika/!5950449 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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