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# taz.de -- Proteste in Senegal: „Heute sind es echte Kugeln“
> Senegals Sicherheitskräfte unterbinden mit harter Hand jeden Protest
> gegen die Absage des Wahltermins 25. Februar. Die Opposition lässt nicht
> locker.
Bild: Proteste in Senegals Hauptstadt Dakar am 9. Februar
SAINT-LOUIS taz | Die Wut entlädt sich auf der Brücke, die die dicht
besiedelte [1][Langue de Barbarie] und die zum Unesco-Weltkulturerbe
gehörende [2][Île de Saint-Louis] miteinander verbinden. Am frühen
Dienstagabend stehen in der Stadt Saint-Louis im Norden Senegals nahe der
Grenze zu Mauretanien dutzende Jugendliche und junge Erwachsene den
Sicherheitskräften gegenüber. Letztere haben schon am Mittag an den Brücken
Stellung bezogen, damit sich mögliche Proteste nicht ausbreiten.
Die Demonstrant:innen schauen auf den Platz Faidherbe, an dem der
Gouverneurssitz liegt. Die Gendarmen schauen in die Abendsonne und fordern
Passant:innen auf, weiterzugehen. Sie bleiben auch ruhig, als irgendwann
ein Pflasterstein fliegt.
Die Szene wird auch von einigen Tourist:innen beobachtet. Die sitzen
beim Aperitif in den zahlreichen Lokalen, die sich in den alten Häusern aus
der Kolonialzeit befinden, oder lassen sich in einer Pferdekutsche den
ältesten französischen Handelsposten an Afrikas Atlantikküste zeigen.
Gegensätzlicher könnte es nicht sein.
Für Dienstag waren in Senegal Schweigemärsche angekündigt, um gegen die von
Präsident Macky Sall veranlasste Verschiebung der Präsidentschaftswahl zu
protestieren. In der Hauptstadt Dakar wurde der Marsch in letzter Minute
verboten. „Aar Sunu Élection“ (Schützt unsere Verfassung), ein neuer
Zusammenschluss aus der Zivilgesellschaft, [3][kündigt neue landesweite
Proteste nun für Samstag an].
## Nicht mehr nur reden, sondern wählen
Die Protestierenden erkennen die [4][Verschiebung der ursprünglich für den
25. Februar angesetzten Wahlen auf den 15. Dezember] nicht an. Auf X
[5][postet der Parlamentsabgeordnete Guy Marius Sagna ein Foto], auf dem er
Flyer für den Präsidentschaftskandidaten Bassirou Diomaye Faye hochhält,
und schreibt dazu: „Wir sind im Wahlkampf.“
Darauf geht die Regierung von Präsident Macky Sall nicht ein. Etwa
zeitgleich hat sie [6][ein Imagevideo] mit klarer Botschaft veröffentlicht:
Ein „nationaler Dialog“ ist eröffnet und wird von den Altpräsidenten Abdou
Diouf und Abdoulaye Wade unterstützt. Beide haben in einer [7][gemeinsamen
Erklärung] alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte zur Beteiligung
daran aufgerufen. Auch dagegen richtet sich der Protest. Viele wollen nicht
reden, sondern wählen, und zwar jetzt, nicht erst im Dezember. Der letzte
„nationale Dialog“ ist nicht einmal ein Jahr her.
Auch Ndeye Magatte Seck will wählen. Die 23-Jährige studiert privates
Handelsrecht und engagiert sich ehrenamtlich in ihrer Heimatstadt
Saint-Louis als Generalsekretärin der internationalen Handelskammer für
junge Unternehmer:innen (JCI) und Vizepräsidentin einer lokalen
Bürgerinitiative. Von einer Dachterrasse blickt sie aufs Meer und hat die
Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie hat keine Lust mehr, dass ihr Leben von
den Alten bestimmt wird und die Jungen keine Stimme haben, sagt sie. „Es
heißt so oft: Das wisst ihr nicht. Dabei haben wir gute Ideen, manchmal
sogar die besseren.“ Auch will sie sich nicht länger von der Politik
fernhalten, obwohl ihre Eltern das wünschen.
## Studierende im ganzen Land geschockt
Denn in den vergangenen zwölf Tagen ist für sie zu viel passiert, was sie
schockiert und entsetzt. „Anfangs haben sie gegen Demonstrierende Tränengas
eingesetzt, heute sind es echte Kugeln.“ Dann fällt ein Name: Alpha Yoro
Tounkara. Der Geografie-Student ist eines der drei Todesopfer der
Niederschlagung der Proteste am vergangenen Freitag und ein Freund von
Ndeye Magatte Seck. „Wir stammen aus dem gleichen Dorf, kennen uns lange.
Er war ein brillanter Student, sehr diszipliniert und sehr ruhig.“
Dass ausgerechnet er mitdemonstrierte, hat die junge Frau zunächst sogar
verwundert. Es zeige aber, wie unzufrieden viele Senegales:innen
mittlerweile seien, sagt sie.
Der Tod Tounkaras hat Studierende im ganzen Land geschockt. An seiner
[8][Universität Gaston Berger] haben nach Informationen einer Dozentin am
Wochenende Studierende die Straßen blockiert. Nach einem Aufruf der
unabhängigen Hochschulgewerkschaft SAES wurde am Montag und Dienstag auch
an der [9][Assane-Seck-Universität in Ziguinchor] in der Region Casamance
im Süden Senegals gestreikt. Dort starb am Samstag der Gymnasiast Landing
Camara.
14 Feb 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpark_Langue_de_Barbarie
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%8Ele_Saint-Louis_(Senegal)
[3] https://twitter.com/JTAtv5monde/status/1757448859448451096
[4] /Wahlverschiebung-in-Senegal/!5990767
[5] https://twitter.com/GuyMariusSagna/status/1757400433218216374
[6] https://twitter.com/PR_Senegal/status/1757428758141653208
[7] https://twitter.com/QuotidienSN/status/1757103144574607643
[8] https://www.ugb.sn/
[9] https://uasz.sn/
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
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