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# taz.de -- Wahlverschiebung in Senegal: Protestieren schwer gemacht
> Stundenlang tagte das Parlament in Senegal zur umstrittenen
> Wahlverschiebung. Vor dem Gebäude gab es Proteste. Nun steht ein neuer
> Termin fest.
Bild: Die Polizei sicherte die Nationalversammlung gegen Proteste ab und setzte…
Dakar taz | Am Tag drei nach der Ankündigung von Senegals Präsidenten Macky
Sall, die für den 25. Februar geplante Präsidentschaftswahl zu verschieben,
bleibt es in der Hauptstadt Dakar ruhig. Polizist:innen, die in den
vergangenen Tagen noch an Kreisverkehren und zentralen Kreuzungen standen,
sind abgezogen. Menschen fahren wieder zur Arbeit. Zumindest fürs Erste
scheint der Alltag zurückgekehrt.
Dabei haben sich in der Nacht zu Dienstag die Befürchtungen von Teilen der
Opposition sowie Regierungskritiker:innen bestätigt: Präsident Macky
Sall bleibt an der Macht, und das möglicherweise sogar noch für ein knappes
Jahr. Während es anfangs hieß, dass die Präsidentschaftswahl um sechs
Monate verschoben werde, soll sie nach aktuellem Stand nun am 15. Dezember
stattfinden. Sall ist bis zur Amtseinführung des Nachfolgers Staatschef.
Kommt es zu einer Stichwahl, könnte dies bis Ende Januar oder sogar Anfang
Februar dauern.
Vorausgegangen war eine stundenlange Parlamentssitzung, die bereits am
Montagmorgen begonnen hatte. Sie wurde per Livestream übertragen. Sehen
konnte den jedoch kaum jemand: Auch am Dienstagnachmittag funktioniert das
mobile Internet nicht. Das Kommunikationsministerium hatte es abschalten
lassen, um nicht die öffentliche Ruhe durch Hassbotschaften zu stören,
heißt es offiziell. Das Komitee zum Schutz von Journalist:innen (CPJ)
forderte die Regierung auf, es umgehend wieder einschalten zu lassen.
So verpassten viele eine spektakuläre und tumultartige Debatte. Erst wurde
stundenlang über das Verfahren diskutiert und ob die Gesetzesvorlage zur
Wahlverschiebung überhaupt zur Debatte stehe. Als der eigentliche
Schlagabtausch begann, besetzten gut zwei Dutzend Oppositionelle das
Hauptpodium, um die Abstimmung doch noch zu verhindern.
## Polizei führt Oppositionspolitiker ab
Bekanntestes Gesicht dabei: Parlamentarier Guy Marius Sagna, der zum Lager
des bekanntesten Oppositionspolitikers Ousmane Sonko gehört. Der sitzt im
Gefängnis und kann daher nicht zur Wahl antreten. Seine
Unterstützer:innen sind jene, die die Verschiebung derzeit am
deutlichsten kritisieren. Da er wegen „Gefährdung der Jugend“ vergangenes
Jahr verurteilt wurde, wurde seine Kandidatur abgelehnt. „Was Sie tun, ist
nicht demokratisch, es ist nicht republikanisch“, sagte Sagna mit
umgewickelter senegalesischer Flagge. Im Kurznachrichtendienst X, ehemals
Twitter, [1][forderte er Macky Salls Rücktritt oder die Einhaltung des
Wahltermins am 25. Februar.] Bilder zeigen, wie er und weitere
Oppositionspolitiker:innen von der Polizei umzingelt und nach
mehr als zwei Stunden abgeführt wurden; eine bisher nicht dagewesene
Situation für Senegal.
Für den Antrag zur Verschiebung wären 99 Stimmen von 165 und somit eine
Dreifünftelmehrheit nötig gewesen; letztendlich stimmten 105
Parlamentarier:innen dafür. Unterstützt wurde er allerdings auch aus
dem Oppositionslager. Vergangene Woche hatte die Demokratische Partei
Senegals (PDS) einen Antrag auf Wahlverschiebung gestellt. Ihr Kandidat
Karim Wade war zuvor vom Verfassungsrat abgelehnt worden. Die PDS
[2][stellte bis 2012 mit dessen Vater Abdoulaye Wade den Präsidenten].
Dieser verlor damals ausgerechnet gegen Macky Sall. Das galt als
Steilvorlage für das Regierungslager, dessen Kandidat Amadou Ba als farblos
und geschwächt gilt.
Ob das Szenario tatsächlich Bestand hat, ist aber noch ungewiss. Ibrahima
Kane, Jurist und Analyst für die Open Society Initiative for West Africa
(Osiwa), sagt: „Ich bin nicht sicher, ob all das, was seit Samstag passiert
ist, verfassungsgemäß ist. Wir befinden uns in einer Verfassungskrise.“
Salls Mandat verlängere sich schließlich, was gegen zwei Artikel in der
Verfassung verstoße. Die Entwicklung sei jedoch noch aus einem weiteren
Grund gefährlich: „Was passiert, wenn der Verfassungsrat den
Gesetzesentwurf von gestern für verfassungswidrig erklärt? Dann endet das
Mandat am 2. April. Ist dann der Präsident der Nationalversammlung
verantwortlich? Das regelt die Verfassung nicht“, so Kane.
## Zunehmende Härte
Schon vorher hat die Regierung einen enormen Vertrauensverlust erlitten.
Seit 2021 sind Sicherheitskräfte zunehmend hart gegenüber Protestierenden
aufgetreten. [3][Nach Angaben von Human Rights Watch im Januar sollen
seitdem bis zu 1.000 Personen aus Zivilgesellschaft und Opposition
festgenommen worden sein]. Noch immer warten Verhaftete in den Gefängnissen
auf ihre Prozesse. Die Regierung hatte dem Bericht widersprochen.
Auch in den vergangenen Tagen haben die Sicherheitskräfte jeden Protest
unterbunden. Eine für Montag angekündigte Demonstration rund um die
Nationalversammlung kam erst gar nicht zustande. Die Polizei setzte immer
Tränengas ein, damit sich selbst kleine Gruppen nicht bilden konnten. Ob es
in den kommenden Tagen neue Proteste geben wird, ist ungewiss. „Die
Menschen sind etwas erschöpft und schauen, wie sie sich organisieren
können“, so Kane. Gewartet wird außerdem auf die juristische Klärung.
6 Feb 2024
## LINKS
[1] https://twitter.com/GuyMariusSagna
[2] /Riesiges-Denkmal-in-Dakar/!5097904
[3] https://www.hrw.org/news/2024/01/22/senegal-pre-election-crackdown
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Senegal
Macky Sall
Wahlen
Protest
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Demonstration
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