# taz.de -- Riesiges Denkmal in Dakar: Wade sehnt sich nach Wiedergeburt | |
> Am Sonntag will Abdoulaye Wade zum dritten Mal zu Senegals | |
> Staatsoberhaupt gewählt werden. In seinem Lieblingsmonument spiegelt sich | |
> seine Präsidentschaft. | |
Bild: Abdoulaye Wade lässt sich in Dakar feiern. | |
DAKAR taz | Irgendwann, so etwa bei Stufe 120, hört man auf zu zählen. In | |
der Mittagssonne ist der Weg zur „afrikanischen Renaissance“ weit, steil | |
und schweißtreibend. Aber er ist auch noch etwas: verdammt ruhig. | |
Denn ein Ausflugsmagnet in der senegalesischen Hauptstadt ist das | |
überdimensionierte Denkmal mit dem düster blickenden Mann, der fast nackten | |
Frau und einem Kind, das energisch westwärts zeigt, auf keinen Fall. Dabei | |
liegt es idyllisch, direkt am Atlantikufer in Dakar und gegenüber dem alten | |
weißen Leuchtturm Les Mamelles, der perfekt an jede französische Küste | |
passen würde. | |
Das „Monument der afrikanischen Renaissance“ wirkt dagegen wie ein | |
Fremdkörper. Ein Klotz, der aus den Zeiten des Stalinismus stammen könnte, | |
als Herrscher sich selbst in riesigen Denkmälern verewigten. Tatsächlich | |
wurde es von Nordkoreanern gebaut. In Dakar sagen böse Zungen jetzt, es | |
würde Präsident Abdoulaye Wade höchstpersönlich darstellen. | |
Wie der hübsche Leuchtturm auf der anderen Seite liegt das Monument auf | |
einem der beiden erloschenen Vulkane. Rechts neben dem Treppenaufgang ist | |
ein großer Parkplatz mit ein paar gepflegten Beeten angelegt worden. Auf | |
der linken Seite liegt ein kleiner Souvenirladen. | |
Ein paar Bauarbeiten laufen noch, obwohl das Denkmal bereits vor knapp zwei | |
Jahren eingeweiht wurde, am 4. April 2010. So entsteht gerade eine neue | |
Straße samt Kreisverkehr, die das Areal besser an die vierspurige | |
Küstenstraße vom Geschäftszentrum Plateau ins neue In-Viertel Les Almadies | |
anbinden soll. | |
## Ein zweiter Nelson Mandela | |
Der frische Teer glänzt in der Sonne. Die Bauarbeiter werden von ein paar | |
Händlern beobachtet. Sie sitzen im Schatten der grünen Büsche und warten | |
auf Kundschaft. Sobald jemand auftaucht – vorzugsweise ein Europäer –, | |
stürzen sie sich auf ihn. „Ich gebe dir drei Geschenke – für 10.000 | |
CFA-Franc (15 Euro)“, sagt ein Mann, der sich als Amadou vorstellt. | |
Er kramt eine Maske, eine geschnitzte Dose aus Holz und einen | |
Souvenir-Elefanten aus seinem Rucksack und versucht hartnäckig, seine | |
„Geschenke“ zu verkaufen. Auch wenn er heute noch kein Glück hatte, würde | |
er gern hier arbeiten. „Sonst kommen ja Besucher her. Deshalb gefällt mir | |
das Denkmal gut“, sagt er und zeigt auf die „afrikanische Wiedergeburt“. | |
Amadou ist anscheinend die große Ausnahme. Denn das Denkmal hat in den | |
vergangenen Jahren in Dakar für so viel Lärm gesorgt wie kein zweites | |
Bauwerk der Stadt. Nach Einschätzungen der Weltbank lebt jeder zweite der | |
rund 13 Millionen Einwohner Senegals unterhalb der Armutsgrenze und hat | |
täglich maximal 1,25 US-Dollar zur Verfügung. Die Analphabetenrate liegt | |
bei 50 Prozent. | |
Doch Präsident Abdoulaye Wade, der sich am kommenden Sonntag einer | |
Stichwahl um die Präsidentschaft stellen muss und gegen den massiven | |
Widerstand der vereinten Opposition zum dritten Mal zum Staatsoberhaupt | |
gewählt werden will, wollte dieses Denkmal unbedingt bauen lassen. Als er | |
im Jahr 2000 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde, galt er als | |
Modernisierer, der die jahrzehntelange Vorherrschaft der Sozialistischen | |
Partei (PS) in Senegal aufbrach. Dem heute 85-Jährigen – einigen Angaben | |
zufolge könnte er auch noch älter sein – wurde sogar nachgesagt, er könne | |
ein zweiter Nelson Mandela werden. | |
## Für ein neues Afrika | |
Damals predigte er die „afrikanische Renaissance“ und plädierte für ein | |
neues Afrika, das auf eigenen Füßen steht. Er wurde zu einem Mitinitiator | |
der „Neuen Partnerschaft zur Entwicklung Afrikas“ (Nepad), für die sich | |
auch die damalige deutsche rot-grüne Bundesregierung begeisterte. Er legte | |
deshalb ein ambitioniertes Modernisierungsprogramm zur wirtschaftlichen, | |
sozialen und kulturellen Entwicklung des Landes auf. Schulbildung, | |
Gesundheits- und Wasserversorgung sollten verbessert werden, eine moderne | |
Infrastruktur entstehen. Auch Kulturprojekte wie das „Monument der | |
afrikanischen Renaissance“ gehörten dazu. | |
Mounirou Sy schüttelt zwölf Jahre nach diesen vollmundigen Ankündigungen | |
nur ungläubig den Kopf. Er ist Juraprofessor an der Universität Thiès und | |
in der Oppositionsbewegung M-23 aktiv, die am Wahlsonntag dem Gegenkandidat | |
Macky Sall ihre Unterstützung zugesagt hat. Auch Sy wird für Sall stimmen. | |
Stadtauswärts in Richtung Stadion hat der Hochschulprofessor eine | |
bescheidene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Die Gegend gilt als | |
ordentlich. Trotzdem ist keine Straße geteert, die andauernden | |
Stromausfälle gehen auch hier auf die Nerven. | |
Viel, viel schlimmer sei es jedoch in den Banlieues, jenen tristen | |
Vororten, sagt Sy. „Abdoulaye Wade hätte sich einfach mal dort umschauen | |
sollen. Dort gibt es kein Wasser, es gibt keinen Strom, keinen bezahlbaren | |
und gleichzeitig guten Wohnraum, einfach nichts. Es ist eine Frage, wie ich | |
meine Prioritäten setze.“ | |
Wades Monument ist das einzige der Großprojekte, was tatsächlich fertig | |
geworden ist und dem Präsidenten nun auch noch Geld einbringen soll. 35 | |
Prozent der Einnahmen beanspruchte Wade nach der Fertigstellung für sich. | |
Schließlich sei er ja so etwas wie der Vater des Projekts. | |
Das Monument ist im wahrsten Sinne des Wortes hohl, man kann in die | |
monströsen Figuren hineinsteigen und mit dem Aufzug in den Kopf hochfahren. | |
Am Eingang steht sich ein schlanker Mann die Beine in den Bauch. Er wartet | |
auf Besucher. Doch die französische Reisegruppe, die gerade in dem weißen | |
Minibus ankam, hat auf halber Strecke wieder kehrtgemacht. Der graue Anzug | |
des Denkmalwächters glänzt ein bisschen zu sehr und ist eine Nummer zu | |
groß. Er schaut in die Ferne. Zu tun hat er nichts. | |
## 20 Millionen Euro teuer | |
Auf die Frage, ob sich der Senegal ein so großes Denkmal leisten könne, | |
antwortet der Wächter grimmig: „Selbstverständlich.“ Er zeigt auf den | |
wuchtigen Klotz und nickt stolz. „Das haben wir aus dem Staatshaushalt | |
bezahlt.“ Es habe aber auch die eine oder andere finanzielle Unterstützung | |
gegeben. | |
Die Angaben darüber, wie viel das ganze Projekt gekostet hat, gehen | |
auseinander. Häufig wird es auf 20 Millionen Euro geschätzt. Mitunter wird | |
spekuliert, ob es ein Geschenk der Nordkoreaner war, die es gemeißelt und | |
aufgestellt haben. Allerdings – so haben lokale Medien im Jahr vor der | |
Fertigstellung immer wieder vermutet – könnte es auch einen Deal mit dem | |
senegalesischen Geschäftsmann Mbackiou Faye gegeben haben. Dieser soll | |
günstig gutes Bauland in Dakar bekommen haben. Dafür baute er dann die | |
„afrikanische Renaissance“. | |
Die Eintrittspreise hängen neben dem Kassenhäuschen. Der Besuch ist teuer. | |
Wer im Senegal wohnt, zahlt 3.000 CFA-Franc – umgerechnet rund 4,50 Euro. | |
Ausländer zahlen 10 Euro. Immerhin wird dafür etwas geboten. Die | |
Ausstellungshalle ist modern. Auf großen Fernsehschirmen wird der Bau des | |
Denkmals gezeigt, spektakuläre Bilder von der eingerüsteten Familie aus | |
Stein flimmern über den Bildschirm. | |
Der Mann im grauen Anzug kommt schließlich auch noch dazu, im Schlepptau | |
ein junges Paar. Nach dem kurzen Rundgang geht es direkt hoch in den 15. | |
Stock, in den Kopf des Mannes. Der Aufzug bleibt nicht stecken, obwohl die | |
Stromversorgung in Senegal unzuverlässig ist, und nach wenigen Minuten ist | |
der Ausblick über Dakar tatsächlich beeindruckend. Aus dem Kopf des Mannes | |
heraus kann man auch der Frau daneben direkt in die Augen blicken. Sie | |
schaut zornig. | |
Wer sich im Zusammenhang mit dem Monument nicht über Wades Größenwahnsinn | |
und die intransparente Finanzierung aufregt, ärgert sich über die Frau. | |
Ihre Erscheinung gilt vielen Senegalesen als viel zu unafrikanisch. Die | |
Haare seien zu glatt, sie sei quasi nackt. | |
„Es gibt ganze Romane darüber, was das Denkmal symbolisieren soll“, sagt | |
die deutsche Expertin Ute Gierczynski-Bocandé von der | |
Konrad-Adenauer-Stiftung. Es heiße zwar die afrikanische Wiedergeburt, | |
„aber man stellt sich die Frage, was da wiedergeboren werden soll“. Sicher | |
hätten Wade und dessen Architekt Pierre Goudiaby Atepa darauf angespielt, | |
dass Afrika die Wiege der Menschheit ist und es in Afrika die ersten | |
Hochzivilisationen gab. Darauf folgten Sklavenhandel und Kolonialzeit. „Nun | |
soll Afrika wiedergeboren werden und zurück zum Glanz der vergangenen | |
Jahrhunderte oder Jahrtausenden gelangen.“ | |
Aber das Denkmal glänzt nicht. Auf dem Weg nach unten gibt der Mann im | |
grauen Anzug zu, dass im Moment die Besucher fehlen. „An Wochenenden oder | |
Feiertagen stehen sie hier Schlange. Dann haben wir 500 bis 600 am Tag.“ | |
Jetzt ist Flaute. Abdoulaye Wade muss um die Wiederwahl bangen. Und die | |
Leute bleiben lieber zu Hause. | |
21 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Burkina Faso | |
Senegal | |
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