# taz.de -- Stichwahl im Senegal: Angst vor einer zweiten Elfenbeinküste | |
> Oppositionsführer Macky Sall geht als Favorit in die Stichwahl um das | |
> Präsidentenamt im Senegal. Aber würde der scheidende Staatschef Wade eine | |
> Wahlniederlage akzeptieren? | |
Bild: „Die Menschen werden hier keine Wochen der Gewalt akzeptieren.“ | |
DAKAR taz | Die Plakate sind riesengroß und in den vergangenen Wochen immer | |
wieder bei Demonstrationen in Senegals Hauptstadt Dakar aufgetaucht: | |
Senegal darf nicht zu einer zweiten Elfenbeinküste werden. Genau das | |
befürchten viele Senegalesen, wenn sie an die Stichwahl am 25. März denken. | |
Denn dann entscheidet es sich, ob der seit 2000 regierende Präsident | |
Abdoulaye Wade, dessen Kandidatur in den vergangenen Monaten massive | |
Proteste hervorgerufen hatte, im Amt bleibt – oder ob der | |
Oppositionspolitiker Macky Sall von der Allianz für die Republik | |
(LÄAPR-Yaakaar) neuer Präsident wird. Rein rechnerisch dürfte Wade | |
verlieren. | |
Wade, der mindestens 85 Jahre alt ist, holte in der ersten Runde am 26. | |
Februar nur knapp 35 Prozent aller Stimmen. In der zweiten Runde wollen die | |
Anhänger der übrigen Oppositionskandidaten den 51-jährigen Macky Sall | |
unterstützen, der im ersten Wahlgang zwar nur auf 26,6 Prozent kam, so aber | |
ganz problemlos die absolute Mehrheit erhalten sollte. Am Samstag gründeten | |
alle Wades Gegenkandidaten aus dem ersten Wahlgang förmlich das | |
Sall-Wahlbündnis „Sammlung der Kräfte des Wandels“ (RFC). | |
Doch ob der alte Wade bei einer Wahlniederlage freiwillig zurücktritt, ist | |
eine ganz andere Frage. „Abdoulaye Wade hat viel zu verlieren“, sagt Dr. | |
Aliou Diack von der Oppositionsbewegung „M-23“, der immer wieder Korruption | |
anprangert. Seit Wades Amtsantritt sollen riesige Summen an öffentlichen | |
Geldern verschwunden sein. Wie viel es genau ist, mag niemand schätzen. | |
Doch sollen Förderer und Freunde des Präsidenten quasi über Nacht zu großen | |
Geländewagen, luxuriösen Villen und viel Land gekommen sein. | |
## Kritik ist unerwünscht | |
Bei einem Machtwechsel könnten deshalb nicht nur Wade, sondern eine ganze | |
Reihe von einflussreichen Senegalesen zur Rechenschaft gezogen werden, | |
analysiert Diack und fürchtet, dass diese Senegalesen das gar nicht so weit | |
kommen lassen wollen. Macky Sall wäre es zuzutrauen, Korruption | |
aufzuklären: Im Jahr 2008 lud er als Parlamentspräsident Wades Sohn Karim | |
vor. | |
Als Verantwortlicher für die Ausrichtung der Islamischen Weltkonferenz in | |
Dakar sollte dieser erklären, wohin das riesige Budget geflossen war. | |
Präsident Wade stellte daraufhin seinen einstigen Protegé Sall kalt. | |
Denn Kritik an Karim, der gerne als Thronfolger gehandelt und von seinem | |
Vater über den grünen Klee gelobt wird, ist in Senegal nicht erwünscht. | |
Doch damit Karim Wade irgendwann einmal in den Präsidentschaftspalast | |
einziehen kann, muss Abdoulaye Wade erst einmal selber wieder gewinnen. Der | |
Filius ist in seiner Heimat ziemlich unbeliebt. 2009 sollte er | |
Bürgermeister von Dakar werden – fiel aber bei den Wählern durch. | |
Für den Wade-Clan ist der 25. März wohl die letzte Chance zum Machterhalt. | |
Es wird in Oppositionskreisen spekuliert, dass Söldner aus dem Ausland | |
angeheuert worden sind. Der sozialistische Präsidentschaftskandidat | |
Moustapha Niasse, der am 26. Februar mit 13,2 Prozent abgeschlagen auf dem | |
dritten Platz landete, hat dies bereits vor dem ersten Wahlgang kritisiert: | |
Maskierte Männer aus anderen westafrikanischen Ländern würden Wähler massiv | |
einschüchtern. „Wenn das stimmt, könnte die Stichwahl sehr gefährlich | |
werden. Viele Menschen haben Angst“, befürchtet Aliou Diack. | |
## Wählerkarten zurückgehalten | |
Penda Mbow, Bürgerrechtlerin und Historikerin an der Universität Cheikh | |
Anta Diop in Dakar, geht ebenfalls davon aus, dass Abdoulaye Wade so | |
ziemlich alles tun wird, um die Stichwahl zu gewinnen – auch mit | |
Manipulation. Drei Tage vor dem ersten Wahlgang hatten die EU-Beobachter | |
kritisiert, dass in einigen Gegenden die Wählerkarten nicht ausgehändigt | |
worden sein. Rund 500.000 Fälle könnte es gegeben haben, bei 5,3 Millionen | |
registrierten Wählern. | |
Die Bürgerrechtlerin kann sich eins jedoch nicht vorstellen: dass es in | |
Senegal, der gerne zitierten Musterdemokratie Westafrikas mit dem ältesten | |
Mehrparteiensystem des ganzen Kontinents, zum Horrorszenario Elfenbeinküste | |
kommt, wo Laurent Gbagbo Ende 2010 trotz verlorener Wahl den | |
Präsidentschaftspalast nicht räumen wollte. „Die Menschen werden hier keine | |
Wochen der Gewalt akzeptieren“, sagt Mbow, die im Jahr 2001 einige Monate | |
lang Kulturministerin war. | |
Sie spielt damit auf die blutigen Demonstrationen in den Wochen vor dem | |
ersten Wahlgang an, bei denen 15 Menschen ums Leben kamen. „Wenn sich so | |
etwas wiederholen sollte, wird der Druck auf Wade sehr groß sein.“ | |
13 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Burkina Faso | |
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